brust¹
Band II, Spalte 399
Symbol XML-Datei TEI Symbol PDF-Datei PDF Zitat-Symbol Zitieren

brust¹AWB, prust f. kons. und i-St. (sehr oft im
Pl.): Brust, Herz, das Innere, pectus, uber,
mamma, mamilla, papilla, iugulus
(zur Dekl.
vgl. Braune, Ahd. Gr.¹⁴ § 243). Mhd. brust
st.f. (zur Dekl. vgl. Paul, Mhd. Gr.²³ § 185
Anm. 2), nhd. Brust f.

Ahd. Wb. I, 1456 ff.; Splett, Ahd. Wb. I, 113; Schütz-
eichel⁴ 82; Starck-Wells 81. 796; Graff III, 275; Scha-
de 87 f.; Lexer I, 371 f.; Benecke I, 272; Diefenbach,
Gl. lat.-germ. 345 (mamma, mam[m]illa). 411 (papil-
la). 419 (pectus). 608 (uber); Dt. Wb. II, 443 ff.; Trüb-
ners Dt. Wb. I, 448 f.; Weigand, Dt. Wb.⁵ 297; Klu-
ge²¹ 105; Kluge²² 109 f.; Pfeifer, Et. Wb. 223.

Entsprechende Formen in den anderen germ.
Dialekten (manchmal mit Metathese) sind:
mndd. borst, auch brust(e) f.; mndl. nndl. borst
f.; aostfries. brust, burst, borst f. (und n.?), nost-
fries. bo(r)st; got. brusts f. pl. Daneben kommen
ablautende Formen vor: as. briost, breost n.(?),
nur im Pl.; awestfries. briast n.; ae. brēost n.
(auch f.m.), meist im Pl., me. brēst, breost, brist
usw., ne. breast; aisl. brjóst n. (auch Giebel),
brsti n. (< urnord. *breustija-), nnorw. brjost,
nschwed. bröst, ndän. bryst.

Fick III (Germ.)⁴ 283; Holthausen, As. Wb. 10; Sehrt,
Wb. z. Hel.² 63; Berr, Et. Gl. to Hel. 66; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 328 f.; Schiller-Lüb-
ben, Mndd. Wb. I, 399; Verdam, Mndl. handwb. 111;
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 85; Vries, Ndls. et. wb.
79 f.; Holthausen, Afries. Wb.² 12. 13; Richthofen,
Afries. Wb. 672; Siebs, Gesch. d. fries. Spr. 1260;
Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I, 207 f.;
Holthausen, Ae. et. Wb. 34; Bosworth-Toller, AS
Dict. 123 f.; Suppl. 105; ME Dict. AB, 1149 f.;
OED² II, 518; Oxf. Dict. of Engl. Et. 116; Vries, A-
nord. et. Wb.² 57. 62; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 637;
Heggstad, Gamalnorsk ordb. 76. 81; Holthausen, Vgl.
Wb. d. Awestnord. 26; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb.
110. 1444; Torp, Nynorsk et. ordb. 42; Hellquist,
Svensk et. ordb.³ 108 f.; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr.
108 f.; Lehmann, Gothic Et. Dict. B-106.

Nach F. Kluge, PBB 8 (1882), 510 ff. und H.
Wagner, Zfvgl.Spr. 74 (1956), 177 ff. war das
germ. Wort ursprl. ein Fem. der kons. Dekl. mit
altem Wurzelablaut (wie bei got. fōn : funins
Feuer); das ursprl. Genus und die Schwundstu-
fe der Wz. *rust- habe sich in der ersten Grup-
pe erhalten, während die zweite Gruppe auf ei-
ner alten Dualform mit Vollstufe (nach Wagner
Dehnstufe) der Form *bhrstō beruhe, die nach
Untergang des germ. Duals als Pl. eines neutr.
a-Stammes aufgefaßt wurde (s. auch Kluge, Ur-
germ.³ § 204). Als fem. Dual wären jedoch Aus-
gänge wie vorgerm. *-a-ī [**aH₂-iH₁-], *-i-ī
[**-iH₂-iH₁], *-ī [**-iH₁] oder *-e [**-He]
anzusetzen, vgl. aind. ípre beide Wangen, de-
v die beiden Göttinnen, lit. dùkteri die bei-
den Töchter
; allenfalls die Fortsetzung des
Duals eines vorurgerm. o-Stammes hätte im
Germ. *-ō [**-o-H₁] ergeben; vgl. aind. ávā
die beiden Pferde, lit. vru die beiden Män-
ner
, aksl. raba die beiden Knechte, lat. ambō
beide (Rix, Hist. Gr. d. Griech.² § 146. 154.
174; R. Lühr, Hist. Spr.forschung 104 [1991],
170 ff.).

Abzulehnen C. C. Uhlenbeck, PBB 30 (1905), 271: die
germ. Formen mit *-eu- seien volksetym. beeinflußt
von Wörtern wie ae. brēotan brechen oder bēost
Biestmilch. Auch findet man, anders als Th. Frings,
Germania Romana I², 15 f. Anm. 2 vermutet, keine
Spur von einem ursprl. Bed.unterschied zwischen den
Ablautvarianten. Vgl. auch Schwarz, Goten, Nord-
germ., Ags. 131.

Es gibt kein gemeinsames idg. Wort für Brust,
das sich aufgrund der Zeugnisse der verschiede-
nen idg. Sprachen ansetzen läßt (vgl. die Listen
der Bezeichnungen bei Buck, Dict. of Sel. Syn.
247 ff.); nur im Kelt. und Slav. finden sich Ge-
genstücke zum germ. Wort, die aber z. T. abwei-
chende Bed. haben: air. bruinne m. < urkelt.
*brunnio- < idg. bhrus-no- Brust (= mkymr.
brynn, nkymr. bryn m. Hügel), brú f. (<
*bhrusō), gen. bronn (< *bhrusnos) Bauch,
Mutterleib, Brust
(= akymr. nkymr. bron[n] f.,
mkorn. bron, bret. bron[n] Brust), brúach adj.
dickbäuchig, starkbrüstig, brúasach adj. (viell.
von einem Stamm *bhres-t- wie as. briost usw.
dss.?); russ. brjucho Bauch, Unterleib, a-
tschech. buch(o), ntschech. bich(o), poln.
brzuch usw. (alles wohl < *bhreso-).

Die germ., kelt. und slav. Wörter gehen wohl
auf die idg. Wz. *bhres- schwellen, sprießen
zurück, wozu auch mhd. briustern (reflex.) auf-
schwellen
und as. brustian knospen gehören.
Weitere Beziehungen sind umstritten, weil man
nicht mit Sicherheit bestimmen kann, ob man-
che idg. Wörter für Knospe u.dgl. zur Sippe
von *bhres- (auch *bhre-, *bhred-[?])
schwellen oder *bhres- (*bhre-, *bhred-)
(zer-)brechen, auch aufbrechen? gehören
(vgl. Pokorny 169 ff.).

Wahrscheinlich zur Sippe von ahd. brust gehö-
ren die slav. Wörter ukr. brost’ (mdartl. brost)
Knospe, bulg. brъst Sprossen, serbo-kroat.
bst dss. (wohl aus *bhrus-ti-, nicht *bhrud-
[s]ti-; vgl. W. Meid, IF 69 [1964], 222; Sadnik-
Aitzetmüller, Vgl. Wb. d. slav. Spr. Nr. 343).
Wegen der Bed. zur Wz. *bhre- schwellen
(vgl. lat. fru-tex Strauch, Busch) mit d-Erwei-
terung zu stellen wären viell. mhd. briezen
knospen, anschwellen, ahd. mhd. broz, proz
Knospe (s. d.), aber die lautlichen Entspre-
chungen in den anderen germ. Sprachen setzen
alle eine Bed. (zer-)brechen voraus: ae. brēo-
tan, aisl. brjóta (zer-)brechen, aisl. brot
Bruch(-stück) usw. (vgl. ahd. bruzzî Gebrech-
lichkeit
).

Ihrer Herkunft nach unklar sind auch nhd.
Bröschen (Bries[chen]) Brustdrüse des Kalbs,
ndän. brissel, nschwed. (kalv-)bräss dss. (hier-
her nach Pokorny 170 f., Hellquist, a. a. O. 108,
Kluge²² 105; zu *bhres- brechen nach Wei-
gand, Dt. Wb.⁵ 292 nach dem bröckeligen
Aussehen der Drüse
; vgl. auch Kluge²¹ 102,
unsicher); mit zusätzlicher k-Erweiterung mhd.
brûsche, nhd. mdartl. (md.) Brausche Beule,
brauschen anschwellen, brauschig angeschwol-
len
= aisl. brjósk Knorpel? (hierher nach Po-
korny 170 f., Kluge²¹ 97; nach Weigand, a. a. O.
281, Kluge²² 103 zu ae. brysan [zer]brechen,
ne. bruise quetschen, also wieder zu *bhres-
brechen; vgl. auch Vries, Anord. et. Wb.² 57).

Daß die ursprl. Bed. von germ. *r(e)ust- flei-
schige, gewölbte (ursprl. weibliche?) Brüste
und
nicht Brustkorb, Rippengeflecht war (so Vries,
Anord. et. Wb.² 58 und Ndls. et. wb. 79 f.), zei-
gen die Nebenbed. Bauch und Hügel der ver-
wandten kelt. und slav. Wörter. Auch bei ande-
ren idg. Wörtern für Brust scheint der Urbe-
griff Geschwollenes, Gewölbtes zu sein: z. B.
russ. grud’ (zu idg. *grendh- schwellen in lat.
grandis groß[gewachsen], gr. βρενθύομαι brü-
ste mich
[? vgl. Frisk, Gr. et. Wb. I, 266]; Po-
korny 485, Vasmer, Russ. et. Wb. I, 312), wohl
auch nhd. Busen, ahd. buosum (s. d.) usw.; vgl.
Buck, a. a. O.

Wohl fernzuhalten sind aind. bhrūá- n. Embryo
(vgl. Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. II, 533 f.; ders.,
Et. wb. d. Altindoar. II, 283 f.); ae. brū usw. Braue
(W. L. van Helten, 50 Bemerkungen z. Grimm’schen
Wb. [Rotterdam, 1874], 16 ff.; brâwa). Für ältere
verfehlte etym. Versuche s. Feist, a. a. O.; vgl. auch
O. Wiedemann, BB 27 (1902), 226 ff.; W.v.d. Osten-
Sacken, IF 28 (1911), 139 ff.

Walde-Pokorny II, 197 f.; Pokorny 170 f.; Persson,
Beitr. z. idg. Wortf. 330 f. 950; Vendryes, Lex. ét. de
l’irl. anc. B-99 f. 102. 104 f.; Dict. of Irish B-206 f. 208.
213; Pedersen, Vgl. Gr. d. kelt. Spr. I, 72 f. 85 f.; II,
109; W. Stokes, BB 29 (1905), 170 f.; Dict. of Welsh
332. 339; Fick II (Kelt.)⁴ 187 (irrig); Berneker, Slav.
et. Wb. I, 91. 95 f.; Vasmer, Russ. et. Wb. I, 131; Sad-
nik-Aitzetmüller, a. a. O. Nr. 341.

Information

Band II, Spalte 399

Zur Druckfassung
Zitat-Symbol Zitieren
Symbol XML-Datei Download (TEI)
Symbol PDF-Datei Download (PDF)

Lemmata:
Referenziert in: