dâha f. n-St. (später auch ō-St.?) ‚Lehm,
Ton, Töpfererde, irdenes Gefäß, Tontopf,
-krug, Scherbe, testa, argilla‘; nur in Gl. und in
ON (z. B. a. 805 [Kopie von 824] Dahauua,
11. Jh. Dachowa, 1130 Dachowe ‚Dachau‘, ei-
gentlich ‚lehmige Au‘; 8. Jh. Thachabeche; a.
1140 Thabog; a. 1156 Dachgrubun). — Mhd.
dâhe, tâhe sw. f. ‚Lehm‘, frühnhd. dāhe f., tā-
hen sw. m., nhd. Ton. In der Entwicklung zu
der nhd. Lautform hin wurde n der obliquen
Kasus in den Nom. eingeführt und dāhen dann
zu dān, t(h)ān zusammengezogen. Gegen die
im 16. Jh. herrschende Lautform hat sich die
ō-haltige Form Thon unter dem Einfluß der
Lutherbibel durchgesetzt, wobei ō wie in Mo-
nat, ohne usw. aus ā vor n verdumpft und das
sw. Fem. zunächst zum sw. Mask. und schließ-
lich (unter Einfluß von Lehm?) zum st. Mask.
umgedeutet wurde.
Ahd. Wb. II, 23 f.; Splett, Ahd. Wb. I, 123; Starck-
Wells 89. 839; Graff V, 104; Schade 94; Förstemann,
Adt. Namenbuch2-3 II, 2, 1020 f.; Bach, Dt. Namen-
kunde II, 267; Reitzenstein, Lex. bayer. ON 95; Lexer
I, 407; Benecke I, 299; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 581
(testa); Götze, Frühnhd. Gl.⁶ 45; Dt. Wb. II, 677; XI,
1, 1, 91. 389 f.; Kluge²¹ 781 f.; Kluge²² 732; Pfeifer,
Et. Wb. 1813 f.
Gegenüber dem Nhd. hat sich vor allem in obd. Dia-
lekten, vereinzelt auch im Ostmd. und Nndd. die ā-
und h-haltige Lautform erhalten: schweiz. dāhen m.
‚Ton, Lehm‘, bad. Dahn als Familienname (neben t’ūn
m. als Bezeichnung von Äckern mit schwerem Boden
im Niederungsgebiet, amtlich dahn geschrieben),
schwäb. tahen m. ‚Ton, Lehm‘ (auch in ON wie Dah-
bach, Dahanloch, Dahtorf, Dahenstein, Dahenfeld,
Daabrunnen, Tachenhausen), bair. tähen, oberpfälz.
tähel m. ‚Ton‘, kärnt. tåchn’t m., dôch’n f. ‚Töpferton‘,
steir. tahen, tahent m. ‚Lehm, Ton, Dammerde‘ (vgl.
ferner die desubstantivischen Ableitungen steir. dahen
‚trocknen, dörren‘, tahen(en), tachnen ‚aus Ton gefer-
tigt‘); obersächs. ton, taa, nndd. meckl. dah f. ‚Ton‘
(dahierd ‚Tonerde‘, ON Dahbäk). In westmd. Dialek-
ten ist das Wort für ‚Ton‘ nahezu ungebräuchlich:
Rhein. tō:n ist der Hochsprache entnommen (für
mdartl. Erde, Wäscherde), selten pfälz. ton (dafür
Lehm, Letten).
Schweiz. Id. XII, 1201; XIII, 229; Ochs, Bad. Wb. I,
404. 499; Fischer, Schwäb. Wb. II, 32 f.; Schmeller,
Bayer. Wb.² I, 597; Lexer, Kärnt. Wb. 49; Unger-
Khull, Steir. Wortschatz 139; Müller, Rhein. Wb.
VIII, 1234; Christmann, Pfälz. Wb. II, 328; Müller-
Fraureuth, Wb. d. obersächs. Mdaa. I, 227; Wossidlo-
Teuchert, Meckl. Wb. II, 218.
Die germ. Verwandten as. thā- im ON Thābrōk
(12. Jh.) ‚Dabrok‘ (Hof bei Lipporg), (as. thā-
hī[n] ‚tönern, irden‘), mndd. dā ‚Lehm, Ton‘
(dāērde, -kūle, -lē[i]m), ae. þōhe, þō ‚Ton,
Lehm‘, got. þāho (nur Röm. 9, 21 þau niu ha-
baiþ kasja waldufni þahons ... ‚Hat nicht der
Töpfer Gewalt über den Ton...‘) erweisen eine
Vorform urgerm. *þanχōn- f. Ein anord. þá,
das z. B. von Holthausen, Ae. et. Wb. 366 und
Grienberger, Untersuchungen 212 zu ahd. dâha
gestellt wird, bedeutet ‚schneefreies Feld‘ und
gehört zu anord. þeja sw. v. ‚tauen‘; vgl. Vries,
Anord. et. Wb.² 605 und → douwen. Dagegen
sind aisl. þang n. ‚Tang‘, mndd. danc (-g-) m.
‚Seegras, Tang‘, ae. ðung m. ‚Eisenhut‘, nndd.
wodendung ‚Schierling‘ (wenn ursprünglich
‚dichte Masse, Büschel‘) zu ahd. dâha gehörige
Bildungen.
Fick III (Germ.)⁴ 179; Holthausen, As. Wb. 76;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 395; Bos-
worth-Toller, AS Dict. 1062; Falk-Torp, Norw.-dän.
et. Wb. 1246 (s. v. Tang II); Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr.
488; Lehmann, Gothic Et. Dict. þ-4.
Zu den idg. Verwandten zählen: npers. tang
‚eng, bedrängt‘, npers. tanǰīðan ‚zusammenzie-
hen‘, auch ‚angusto et aegro esse animo‘; aruss.
túča ‚dichte Masse, Haufen, Gewitterwolke‘; lit.
tánkus ‚dicht, dicht zusammenstehend‘, Wörter,
die zu der Wz. uridg. *tenk- ‚(sich) zusammen-
ziehen‘ gehören; → dîhan. Da mit dem Suffix
urgerm. *-ōn- außer persönlichen Feminina des
Typs got. garazno, aisl. granna f. ‚Nachbarin‘
und Körperteilbezeichnungen sonst fast nur Be-
zeichnungen für Abstraktes gebildet wurden
(Krahe-Meid, Germ. Sprachwiss. III § 91. 4 f.),
war urgerm. *þanχōn- (< vorurgerm. *tonkā-
n-) möglicherweise ursprl. eine Abstraktbildung
mit der Bedeutung ‚Dichtes‘, die dann zu einem
Konkretum mit der Bedeutung ‚dichte Erde‘
wurde. Daneben besteht die Möglichkeit, daß in
urgerm. *þanχōn- eine mit individualisierendem
n-Suffix vorgenommene Substantivierung eines
Adj. *þanχa- ‚dick‘ in Bezug auf klebrige Erde
vorlag (F. A. Wood, JEGP 2 [1898—99], 217),
deren fem. Genus sich aus dem fem. Genus des
Bezugswortes (urgerm. *mulđō, *erþō) erklärt.
Daß die Grundbedeutung von urgerm. *þanχōn-
‚zum Dichten Bestimmtes‘ war (Kluge²² 732; Hilde-
brandt, Dt. Wortforsch. in eur. Bez. 3 [1963], 408 ff.;
H. Lüschen, Die Namen der Steine. Das Mineralreich
im Spiegel der Sprache [Thun, München, 1968], 332 f.)
ist aufgrund der sonstigen Bedeutung der fem. ōn-
Stämme weniger wahrscheinlich.
Unter den e-stufigen Ableitungen der Wz.
*tenk- kommen im Germ. die Bedeutungen von
bair. deihen ‚austrocknen und dadurch dichter
werden‘ und aisl. þéttr ‚dicht, dick, fett‘, ae.
ðīht, me. thiht (ne. tight mit t), ae. mete-þīht
‚dick vom Essen‘, maga-þīht ‚magenstark‘ (ur-
germ. *þenχta- < *tenkto-; vgl. air. técht ‚ge-
ronnen‘), mndd. dīchte, mndl. dicht(e), mhd.
dîchte, nhd. dicht (< urgerm. *þenχti-, umge-
bildet aus *þenχta-) der Bedeutung der germ.
ursprl. o-stufigen Bildungen am nächsten; vgl.
auch wohl zugehöriges aisl. þungr ‚schwer‘ (→
dîhan, ding).
Ob der u-Stamm arm. tˁanjr, gen. tˁanjow ‚dicht, dick‘
(tˁanjrana- ‚dick werden‘; s. Klingenschmitt, Altarm.
Verbum 121), der u. a. von Kluge²¹ a. a. O., Trier,
Lehm 20 zu der Wz. *tenk- gestellt wird, hierher ge-
hört, ist fraglich, da eine Vorform *tṇkú- ein arm.
*tˁangr ergeben hätte. Arm. tˁanjr weist vielmehr auf
eine Vorform *tṇg̑hu- (Hübschmann, Arm. Gr. 448; s.
auch Schmitt, Gr. d. Klass.-Arm. 62 f.). — E. P. Hamp,
Lingua Posnaniensis 28 (1985), 77 denkt an Beeinflus-
sung durch die Fortsetzung von uridg. *bhṇg̑hú- >
aind. bahú- ‚viel, reichlich, groß‘, gr. παχύς ‚dick,
feist, wohlgenährt‘, lett. bìezs ‚dicht, dick‘.
Walde-Pokorny I, 725; Pokorny 1068; Fick I (Idg.)⁴
442; Hübschmann, Pers. Stud. 48 f.; Fraenkel, Lit. et.
Wb. 1056.
Da sich die Bedeutungen von ahd. dâha mit den Be-
deutungen von Ableitungen aus der Wz. uridg. *tenk-
vermitteln lassen, ist die von Lehmann a. a. O. erwoge-
ne Möglichkeit, daß die Vorform des Wortes Ton
nichtidg. Ursprungs sei, hinfällig. Ebenso abzulehnen
ist die von H.Schweizer-Sidler, Zfvgl.Spr. 8 (1858),
451 vorgenommene Verknüpfung des Subst. ahd. dâha
mit gr. τήκω ‚schmelze, löse auf, verzehre‘. Von den
semantischen Schwierigkeiten dieser Verbindung ab-
gesehen, könnte das griech. Verb wegen der mit dem
gr. (Perf.) λέληκα, λέλᾱκα: λακεῖν vergleichbaren Bil-
deweise τέτηκα, τέτᾱκα: τακῆναι auf eine ursprünglich
k-lose Wz. weisen (Frisk, Gr. et. Wb. II, 891).