dâmAWB, tâmAWB n. a-St. (als iz/ az-St. dekliniert),
nur in Gl. vom 8. Jh. an: ‚Damhirsch, damula,
dama‘ (Dama H. Sm.), (pl. tamir Gl. 2, 640, 33
Clm 18059, bair., 11. Jh.; s. Simmler, West-
germ. Kons.gemin. 29); dâmoAWB, tâmoAWB m. n-St.,
nur in Gl. seit Anfang des 9. Jh.s: ‚Damhirsch‘;
dâmaAWB f. n-St.(?) (Gl. 3, 316, 6 [a auf Rasur]
fränk., 12. Jh.): ‚Hinde des Damhirsches‘? (an-
ders Palander, Ahd. Tiernamen 104: tâmo). —
Mhd. tam (-mm-) st. n., damme (Megenberg)
‚Damhirsch‘, dame sw. f., frühnhd. a. 1563
dam m. ‚Damhirsch‘; vgl. a. 1563 damhirtz,
dannhirtz (im 16./17. Jh. Dan-, Dänhirsch, im
18./19. Jh. gelegentlich umgedeutet zu Tann-
hirsch), nhd. Dam(hirsch).
Ahd. Wb. II, 29. 31; Splett, Ahd. Wb. I, 124; Starck-
Wells 89; Graff V, 422; Schade 922; Lexer II, 1399;
Benecke III, 12; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 165 (da-
ma, damula); Dt. Wb. II, 103 f.; Dt. Wb.² VI, 136 f.;
Kluge²¹ 120; Kluge²² 127; Pfeifer, Et. Wb. 252.
Westgerm. Entsprechungen sind: mndd. dam-
(herte) m.; mndl. dāme (mit ā?), damme, damne
m., nndl. damhert ‚Damhirsch‘. Mndl. dein,
deen, deine, dene (Kiliaan deyn) ist aus afrz.
dain (frz. daim, daine) entlehnt (s. u.).
Ob ae. dā f. ‚Damkuh, Damwild oder Rehkuh‘?, me.
dō, doe ‚Damgeiß, Rehkuh‘ (sicher erst a. 1597, im
Gegensatz zu me. dobuk m. 15. Jh.), ne. doe ‚Reh‘ (>
dän. daa[dyr] ‚cervus, dama‘) unmittelbar zugehörig
sind (so Vries, Ndls. et. wb. 105), ist umstritten. Man
erwägt Entlehnung aus dem Kelt. (s. u.; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 130), Entlehnung aus afrz. dain
(Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 105; s. u.) oder Verbin-
dung mit alem. tê (in ON wie De-brunnen [neben
Hirsbrunnen], -wald, -schwändi, -wangen; s. Schweiz.
Id. V, 663 f.), wobei im letzten Fall ein einheimisches
Wort vorläge. Was eine gemeinsame einheimische
Vorform von ae. dā und alem. tê angeht, so postuliert
B. Fehr, Anglia Beibl. 34 (1923), 60 für ne. doe ein ur-
germ. *daiχōn-, das sich analog einem urgerm. *tai-
χōn- > frühae. *tāhæ > ae. tā f. ‚Zehe‘ (ne. toe) zu
ae. dā entwickelt hätte. Im Falle einer gemeinsamen
Vorform des ae. und alem. Wortes erwägt Holthausen,
Ae. et. Wb. 68 einen Anschluß an aind. dhénā f. ‚weib-
liches Tier, Weibchen, Milchkuh‘. Dagegen geht Po-
gatscher, Gr., lat. u. rom. Lehnw. im Ae. 168 f. für ae.
dā von einem lat. dāmus aus, aus dem durch gallorom.
Vermittlung ae. dā entstanden sei. Doch könne der
Abfall des Nasals wegen der Chronologie des langes ā
betreffenden Lautgesetzes nicht auf einer regressiven
Wortbildung (vgl. spätae. tā sw. f. : tān st.m. ‚Stab,
Zweig‘; s. Sievers-Brunner, Ae. Gr.³ § 278), wie sie
Jordan, Ae. Säugetiernamen 191 f. annimmt, beruhen;
denn in der Zeit, in der m von *dāmus eine Lautstufe
erreicht hatte, die es einem n gleich oder ähnlich klin-
gen ließ, konnte ā im Afrz. nicht mehr erhalten sein.
Das nur einmal und erst spät bei Ælfric belegte ae. dā
müßte demnach wesentlich früher entlehnt sein. Auf-
grund dieser lautlichen Schwierigkeiten erwägt Pogat-
scher eine reimende Angleichung an ae. rā m. ‚Reh‘.
Jordan hält jedoch die Annahme einer solchen Anglei-
chung für einen Notbehelf. Es liege vielmehr Substitu-
tion eines ae. dān für afrz. dain und dann die schon
erwähnte regressive Wortbildung wie in tā : tān (s. o.)
vor (vgl. die Umwandlung von anord. hreinn zu hrān
‚Rentier, Rangifer, Cervus tarandus‘ bei Ælfric), eine
Auffassung, die durch mndl. dein = afrz. dain ge-
stützt werde. Ae. dā und mndl. dein, die durch afrz.
Vermittlung gingen, seien so von dem aus dem Lat. di-
rekt entlehnten ahd. tâm scharf zu trennen. Wenn
auch beide Herleitungen des ae. dā aus dem Lat. bzw.
Afrz. möglich erscheinen, entsteht die Schwierigkeit,
daß dabei alem. tê ohne weitere Verbindung bleibt.
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 393; Verdam,
Mndl. handwb. 128. 130; Bosworth-Toller, AS Dict.
192; ME Dict. C-D, 1200; OED² IV, 920; Oxf. Dict.
of Engl. Et. 281; Svenska akad. ordb. D-1862; Köbler,
Lat.-germanist. Lex. 107.
Nach allgemeiner Auffassung handelt es sich bei
ahd. dâm um eine Entlehnung aus spätlat. dāma
f. ‚Damhirsch‘ (lat. dāma neben damma f.
‚Gemse, Rehkalb, Antilope‘, wohl allgemeiner
Ausdruck für Tiere aus dem Rehgeschlecht, spä-
ter dam[m]us m.), wobei die Lautform ahd. tâ-
m(o) Lautsubstitution für d zeigt (dagegen
nimmt Frings, Germania Romana I, 94 ohne
weitere Begründung Entlehnung aus gallorom.
damu an). Afrz. (13. Jh.) daim, dain, nfrz.
daim, aprov., nprov. dam ‚Damhirsch‘ weisen
auf ein vulg.lat. damus neben lat. dam(m)a. Im
17. Jh. ist zu afrz. dain (> italien. daino, piem.
dan, aspan. dayne) ein Fem. daine, auch dine
‚Damhirschkuh‘ (> katal. daina) gebildet wor-
den.
Gamillscheg, Et. Wb. d. frz. Spr.² 294; Meyer-Lübke,
Rom. et. Wb.³ Nr. 2466; Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr.
2948; Franz, Lat.-rom. El. im Ahd. 9; Diez, Et. Wb. d.
rom. Spr.⁵ 558; Wartburg, Frz. et. Wb. III, 11; Grö-
ber, Arch. f. lat. Lex. 2 (1885), 100.
Während noch vor der letzten Eiszeit Damhir-
sche zur Tierwelt Mitteleuropas gehörten, kam
nach Rückgang des Eises der europäische Dam-
hirsch nur in Kleinasien vor. Die Bezeichnung
für den Damhirsch existiert deshalb erst seit Be-
ginn des Mittelalters, als das Tier aus Vorder-
asien wohl über Byzanz nach Europa gebracht
wurde. Nach O. Keller, Thiere d. class. Altertums
(Innsbruck, 1887), 72 ff. war im Italien der klas-
sischen Zeit der Damhirsch, der gelegentlich als
cervus palmatus ‚Fächerhirsch, mit einem Ge-
weih, das der offenen Hand [palma] gleicht‘
oder bei Plinius als cervus platyceros ‚breithörni-
ger Hirsch‘ bezeichnet wird, noch nicht hei-
misch.
Brehm, Thierleben² III, 134 ff.; Schrader, Reallex. d.
idg. Alt.² I, 502 f.
Lat. dāma (damma mit expressiver Gemination)
gilt als Entlehnung aus air. dam ‚Ochse‘ (<
*do- [**dH₂o-]); vgl. ferner air. dam allaid
‚Hirsch‘ (eigtl. ‚wilder Ochse‘). Doch bereitet
bei dieser Annahme die Erklärung des langen ā
Schwierigkeiten. Nach einer anderen Auffas-
sung stammt das lat. Wort aus dem Berberischen
(H. Schuchardt, Die rom. Lehnwörter im Berb.
[Wien, 1918], 77 ff.). In den idg. Sprachen fin-
den sich aber weitere verwandte Bildungen: alb.
dem m. ‚Rind, junger Stier‘; und mit (ursprl.)
Dentalsuffix: akorn. dauat ‚ovis‘, mkorn. davas,
daves, pl. deves; nbret. dañvat; nkymr. dafad,
pl. defaid ‚Schaf‘ (< *demato- mit sekundärer
Vollstufe für *dto- [**dH₂to-], s. L. S. Jo-
seph, Ériu 33 [1982], 35 f.); gr. ἀδάματος ‚un-
gebändigt‘ < uridg. *-dḿ̥to- [**-dḿ̥H₂to-] oder
eher mit Akzentrückziehung < [**-dH₂eto-]?
(zur Entwicklung von *-ḿ̥H₂- unter dem Akzent
s. Rix, Hist. Gr. des Griech.² § 83e; doch s.
H. Hoenigswald, in Laryngaltheorie 208); alb.
δëntë, δentë, dëntë ‚Kleinvieh‘; ferner gr. δα-
μάλης ‚junger (noch zu zähmender) Stier‘. Da
gr. δαμάλης auch ‚bezwingend, bändigend‘ be-
deutet (dazu δάμαλις, δαμάλη ‚junge Kuh‘, δά-
μαλος ‚Kalb‘) und ein zu aind. damáyati ‚bän-
digt, bezwingt‘, dmyati ‚ist zahm, bändigt, be-
zwingt‘ gehöriges aind. damya- ‚zum Zähmen
bestimmt, abzurichten‘, m. ‚junger Stier, noch
abzurichtender Stier‘ (Mahābhārata) belegt ist,
geht man wohl zu Recht von einer Grundbedeu-
tung ‚gezähmtes Horntier‘ aus, wodurch sich
die Sippe von air. dam zu der Wz. von zahm,
zähmen (uridg. *demǝ- [**demH₂-]; → zam)
stellt; vgl. auch niederösterr. (Waldviertel) zà-
mer, zàmerl ‚junger Ochs‘ (R. Much, ZfdA. 42
[1898], 167). Ob zwischen den gr. Wörtern und
air. dam ‚Ochse‘ eine unmittelbare Beziehung
besteht, ist jedoch zweifelhaft. Es kann sich um
voneinander unabhängige Bildungen von der ur-
idg. Wz. *demǝ- [**demH₂-] handeln.
Aus vulg.-lat. damum (< dāma) oder frz. daim ist
nbret. demm ‚Damhirsch‘ entlehnt; akorn. da ‚dama‘
stammt aus ae. dā und nkymr. dof ‚zahm‘ aus anord.
tamr ‚zahm‘.
Für W. Meyers (Zfvgl.Spr. 28 [1887], 170) Annahme,
daß lat. dāma (damma) außer aus dem Kelt. auch aus
dem Ligurischen stammen könnte, fehlen Anhalts-
punkte.
Walde-Pokorny I, 789; Pokorny 199 f.; Mayrhofer,
K. et. Wb. d. Aind. II, 19. 35; ders., Et. Wb. d. Altin-
doar. II, 698; Monier-Williams, Sanskrit-Engl. Dict.
469; Boisacq, Dict. ét. gr.⁴ 164; Frisk, Gr. et. Wb. I,
345; Chantraine, Dict. ét. gr. 250 f.; Walde-Hofmann,
Lat. et. Wb. I, 321 f. (dort auch zu anderen, aber un-
wahrscheinlichen Anschlußversuchen); Ernout-Meil-
let, Dict. ét. lat.⁴ 163; Thes. ling. lat. V, 1, 8; Meyer,
Et. Wb. d. alb. Spr. 63; Jokl, Ling.-kulturhist. Unters.
d. Alban. 250 ff.; Fick II (Kelt.)⁴ 141 f.; Holder, Acelt.
Spr. I, 1217; Dict. of Welsh I, 878. 1071; Pedersen,
Vgl. Gr. d. kelt. Spr. I, 164; Dottin, Langue gaul. 250;
Henry, Lex. ét. du breton mod. 92; J. Loth, Rev. celt.
18 (1897), 98.
S. auch dâmil.