dârAWB adv. ‚da, dort, hier, dann, damals, nun,
darin, darüber, dabei, darauf, dahin, hic, ibi‘,
auch in Verbindung mit einem anderen Adverb
(dar aba, after, ana usw.); relativadv.: ‚wo,
worin, ubi‘; konj.: ‚als, wenn, während‘; einem
Pron. oder Adv. nachgestellte Relativpartikel
〈Var.: đaar, dhar, thar, tar, ther, ter; Notker
dir, tir; Williram der, da; in der Stellung nach
Pron. oder Konj. im 10./12. Jh. oft der, dir,
vereinzelt de. Die r-lose Form dâ mit Schwund
von r nach Langvokal (Paul, Mhd. Gr.²³ § 121;
vgl. mhd. sâ < ahd. sâr ‚alsbald‘) erscheint seit
dem 11. Jh. Sie findet sich vereinzelt bei Not-
ker und hat sich in Notker, W.Ps. und bei Wil-
liram durchgesetzt.〉 — Mhd. dâr (seit 1300 nur
mehr in md., nd. Quellen), der, dir, dâ, seit
dem 12. Jh. zuerst im Bair. dô ‚da, dort, wo‘,
frühnhd. 15. Jh. (bis 17. Jh.) neubelebtes dar,
nhd. (seit Ende des 17. Jh.s) da.
Ahd. Wb. II, 166 ff.; Splett, Ahd. Wb. I, 125; Schütz-
eichel⁴ 85 f.; Starck-Wells 90. 798; Graff V, 53 ff.;
Schade 96; Lexer I, 410 f.; Benecke I, 303 ff.; Diefen-
bach, Gl. lat.-germ. 283 (ibi); Dt. Wb. II, 646 ff.; Dt.
Wb.² VI, 1 ff.; Kluge²¹ 119. 121; Kluge²² 125. 128;
Pfeifer, Et. Wb. 256; Wilmanns, Dt. Gr. II § 463, 2 u.
Anm. 3.
Ahd. dâr entsprechen as. thr ‚da, dort(hin),
damals, nun; indem, während, als, wenn, aber‘,
zur Verstärkung von Konjunktionen usw.,
mndd. dār, dare (mit sekundärem e? [dazu
Lasch, Mndd. Gr. § 219]; → dâre) ‚da, dort,
als, wenn, während‘; mndl. daer, dar, (d)er,
dare (zu -e s. o.) ‚da, dann, wo, während, weil‘,
nndl. daar; afries. thēr ‚da, dort, wo‘, nostfries.
dâr, der, dir ‚da, dort, dahin‘; ae. ðǣr, spät-
westsächs. ðār ‚da, dort(hin); wo(hin), dann,
als, obgleich, wenn, sofern, während‘ (zum
Langvokal s. E. Sievers, PBB 16 [1892], 246 f.),
me. þār, ne. there (mit auslautendem e seit dem
Spätme.) < urgerm. *þar bzw. *þēr/ westgerm.
*þār; aisl., nisl. þar ‚da, dort, zu der Zeit, dort-
hin, da(mals)‘, fär. tar < urgerm. *þar; nnorw.,
ndän. der, run.schwed., aschwed. þær,
nschwed. där < urgerm. *þer (zu e > æ im
Aschwed. s. Noreen, Aschwed. Gr. § 113) oder
*þar im Schwachton (Falk-Torp, Norw.-dän.
et. Wb. 139 f.); got. þar ‚daselbst, dort‘ < *þar.
Die lang- bzw. kurzvokalischen Formen sind
auf urgerm. *þēr bzw. *þar/ þer rückführbar.
Für die langvokalischen Formen besteht dane-
ben die Möglichkeit, daß urgerm. *þar im
Westgerm. oder urgerm. *þer im Urgerm. eine
bei Einsilblern auch sonst beobachtbare Deh-
nung (dazu R. Lühr, Mü. Stud. z. Spr.wiss. 34
[1976], 89 Anm. 21) erfahren hat (anders
H. Hirt, IF 1 [1892], 29; G. Schmidt, Germ.
Adv. 68. 78: westgerm. *þēr; Kluge²¹, a. a. O.;
Wilmanns, a. a. O.: anord. þar, afries. ther mit
kurzem Vokal aufgrund von schwachtoniger
Stellung). Ae. spätwestsächs. ðār kann auf die
gleiche Vorform wie ðǣr zurückgehen, wenn im
Schwachton wie bei kurzem a die Aufhellung
unterblieben ist (zu a s. Sievers-Brunner, Ae.
Gr.³ § 49 Anm. 2).
Dagegen nimmt Schmidt, a. a. O. 68 für ae. spätwest-
sächs. ðār die gleiche Vorform wie für ae. ðāra (→
dâre) an. Schwund eines auslautenden Vokals ist hier
jedoch nicht erweisbar.
Fick III (Germ.)⁴ 175; Holthausen, As. Wb. 77; Sehrt,
Wb. z. Hel.² 552 ff.; Berr, Et. Gl. to Hel. 103; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 395 ff.; Schiller-Lüb-
ben, Mndd. Wb. I, 484 f.; Verdam, Mndl. handwb.
126; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 103; Vries, Ndls. et.
wb. 102; Holthausen, Afries. Wb.² 110; Richthofen,
Afries. Wb. 1068; Dornkaat Koolman, Wb. d. ostfries.
Spr. I, 280 f.; Holthausen, Ae. et. Wb. 360; Bosworth-
Toller, AS Dict. 1031; Suppl. 727; Stratmann-Bradley,
ME Dict.³ 627; OED² XVII, 905; Oxf. Dict. of Engl.
Et. 916; Vries, Anord. et. Wb.² 606; Jóhannesson, Isl.
et. Wb. 447 f.; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord.
312; Torp, Nynorsk et. ordb. 61; Fritzner, Ordb. o. d.
g. norske sprog III, 1066; Hellquist, Svensk et. ordb.³
1007 ff.; Noreen, Aschwed. Gr. § 471, 5. 514; Feist,
Vgl. Wb. d. got. Spr. 490; Lehmann, Gothic Et. Dict.
þ-12; K. F. Johansson, BB 16 (1890), 168 (urgerm.
*þēr); F. Kluge, in Grdr. d. germ. Phil.² I, 296. 298;
Lühr, Stud. z. Hildebrandlied 644 f. Anm. 5.
Urgerm. *þar < vorurgerm. *tor hat eine Ent-
sprechung in aind. tár- in tár-hi ‚damals, zu die-
ser Zeit, dann‘ (< *tor + ghi); vgl. got. ƕar
‚wo‘, anord. hvar ‚wo, überall‘ usw. < *ku̯or,
aind. kár-hi ‚wann‘ < *ku̯or + ghi. Es handelt
sich um eine Ableitung von dem Pronominalst.
uridg. *te/ o- (→ der), verbunden mit lokativi-
schem r, das sich auch in ahd. wâra (s. d.), av.
auuarǝ ‚hier(her)‘, lit. ku ‚wo(hin)‘ (*ku̯-),
lett. kùr ‚wo‘, alb. kur ‚wann, als‘, arm. owr
‚wo‘, owre-kՙ ‚irgendwo‘, lat. cūr < alat. quōr
‚warum‘, alat. in einer Auguralformel quir-quir
‚wo auch immer‘ (< *ku̯i-r + *ku̯i-r; vgl. quis-
quis ‚wer auch immer‘) wiederfindet (Schmidt,
a. a. O. 67). Sofern daneben vorurgerm. *ter
(und mit sekundärer Dehnung *tēr) anzuneh-
men ist, findet sich dazu eine Entsprechung in
arm. tՙerews ‚vielleicht‘ (s. Klingenschmitt, Alt-
arm. Verbum 99). Jedenfalls kann der vor *-r
stehende Vokal im Germ. ablauten; vgl. im Ahd.
ferner elichôr, ionêr, ioner, dâra, hera (s. d. d.).
Walde-Pokorny I, 742; Pokorny 1087; Mayrhofer, K.
et. Wb. d. Aind. I, 487; ders., Et. Wb. d. Altindoar. I,
636 (jedoch: aind. tárhi sei trotz ähnlicher Bildungen
im Germ. angesichts der Beleglage [erstmals in einem
späten RV-Hymnus] wohl nicht ererbt); Leumann,
Lat. Laut- u. Formenlehre § 377 D2; P. Persson, IF 2
(1893), 201 Anm. 2.