dîhAWB m. a-St., nur Gl.: ‚Deich, Damm, Strö-
mung, moles, agger, gurges‘ 〈Var.: dîch〉. —
Mhd. dîch, frühnhd. teich oft in der Bedeutung
‚Schutzdamm‘, nhd. Deich.
Splett, Ahd. Wb. I, 134; Starck-Wells 98; Graff V,
116 f.; Schade 938; Lexer I, 422; Benecke III, 33; Die-
fenbach, Gl. lat.-germ. 17 (agger); Dt. Wb. II, 904 f.;
XI 1, 1, 231; Dt. Wb.² VI, 557 f.; Kluge²¹ 125. 775;
Kluge²² 131. 725; Pfeifer, Et. Wb. 263 f. 1793 f.; Hier-
sche, Dt. et. Wb. D-64 ff.
Wegen der Bedeutung ‚Strömung, gurges‘ fragt
Graff a. a. O., ob dîch in dieser Bedeutung von
dîch ‚Deich, Damm‘ zu trennen sei, zumal dîch
‚gurges‘ u. a. in obd. Gl.-Hss. erscheint (Gl.
3, 114, 25 Clm 2612; 3, 114, 50 Wien Cod. 2400
12. Jh. bair.; 3, 114, 25 Einsiedeln Cod. 171
[688] 12. Jh.; Prag MS XXIII E 54 [früher Prag
Lobkowitz 434] 13. Jh.; 3, 206, 6 St. Blasien
12. Jh. alem.). Das anlautende d im Obd. würde
auf eine Vorform mit anlautendem *þ < vorur-
germ. *t deuten. Da jedoch eine Anschlußmög-
lichkeit für eine Vorform vorurgerm. *tei̯go-/ tī-
go- der Bedeutung ‚Strömung‘ fehlt, ist anzu-
nehmen, daß die Bedeutungen ‚Strömung‘ und
‚Damm‘ doch Bedeutungen nur eines einzigen
Wortes sind. Es handelt sich um eine Entleh-
nung aus dem Ndd., wo mndd. dīk neben
‚Damm, Deich‘ auch ‚Teich‘ bedeutet (dagegen
as. dīk ‚Stein- oder Erdwall zum Schutz gegen
Überschwemmung‘: Freckenhorster Heberolle
van thero hôva bi themo dîca; zur Bedeutungs-
vermittlung s. u.). Mit diesen Bedeutungen
dürfte das Wort ins Spätahd. entlehnt sein, wo-
bei Verhochdeutschung von k zu [ç] (vgl. aber
auch Gl. 3, 720, 25 dich ‚moles, agger‘ Cod.
Cheltenhamensis 1787, 13. Jh. as., mndd.) und
gelegentlich von anlautendem d zu t (anlauten-
des t überwiegt bei dem Wort Deich nur im
17. Jh., seit Mitte des 18. Jh.s gilt d) und weiter-
hin eine Bedeutungsentwicklung von ‚Teich‘ zu
‚Strömung‘ stattfand. Als ursprl. Wort der
Nordseeküste (Ndl., Fries., Ndd.) ist dīk mit
der Kunst, Ströme einzudämmen, durch ndl.
Kolonisten südwärts ins Md. und Obd. gewan-
dert; z. B. dych 1293 als Flurbezeichnung wohl
‚Deich, Schutzdamm‘, 1433 Bezeichnung einer
als Schutz gegen den Überlauf des Rheins von
Poppenheim angelegten Wüstung bei Erfelden,
Kreis Groß-Gerau, bis Nierstein.
Mit anlautendem t, also mit Verhochdeut-
schung von d zu t, ist das Wort für ‚Teich‘ seit
1200 bezeugt: mhd. tîch (vgl. auch nndd. dich
mit [ç] ‚Fischteich‘ 1358 in Mecklenburg). Zu-
nächst bezeichnete tîch kleinere Trockentäler
(ohne Wasserlauf); vgl. bad. daiχ, diχ, schwäb.
teich n., selten teiche f., pfälz. dich (seit 1200),
teich m. n., selten f. ‚kleines Trockental, wasser-
lose Vertiefung im Gelände, Mulde‘ vor allem in
Flurnamen, doch bad. deich auch ‚Damm, Was-
sergraben, kleiner Teich‘ (dagegen ist im Nord-
osten ein Wasserlauf nicht mit deich bezeichnet
worden; vgl. rhein. deich ‚Damm‘). Die für die
Bedeutung ‚Strömung‘ vorauszusetzende Bedeu-
tung ‚Graben‘ (> ‚Teich‘) dürfte hier die
Grundlage für die Bedeutung ‚Trockental‘ abge-
geben haben und das Wort dann auf eine natür-
liche Bodenformation übertragen worden sein
(zweifelnd Hiersche, a. a. O.). Während Weiher
als roman. Lehnwort im Süden und Westen (im
Obd. und Frk.) herrscht, gilt ostmd. und ndd.
Teich; es wird von da aus Schriftwort und dringt
seit Ausgang des Mittelalters nach Bayern,
Österreich, Thüringen und Hessen. Nachdem
bis ins 18. Jh. die d- und t-Schreibung sowohl
bei der Bedeutung ‚Damm‘ als auch bei der Be-
deutung ‚Teich‘ verwendet worden war, dient
sie seit Frisch (1741), Adelung (1774, 1793),
Campe (1807) im Hd. zur Unterscheidung der
Wörter Deich und Teich.
Eine Variante tîh ist entgegen Starck-Wells, a. a. O. in
den angegebenen Glossenbelegen nicht bezeugt. Auch
ist Mitzkas (Kluge²¹) und Seebolds (Kluge²²) Datie-
rung der Entlehnung ahd. dîch (15. Jh. bzw. spätmhd.)
unzutreffend. — Martin-Lienhart, Wb. d. els. Mdaa. II,
646; Ochs, Bad. Wb. I, 450; Fischer, Schwäb. Wb. II,
129 f.; Müller, Rhein. Wb. I, 1305 f.; E. Christmann,
Pfälz. Wb. II, 184 f.; ders., ZMF 31 (1964), 191 ff.;
Bach, Dt. Namenkunde II § 306; W. Mitzka, ZfOrts-
namenf. 9 (1933), 8 f.
Der Basis der Entlehnung, mndd. dīk (as. dīk),
entsprechen mndl. dijk m. ‚Damm, Deich,
Sumpf, Morast, Weiher‘, nndl. dijk ‚Deich,
Damm‘, dial. auch ‚Graben, Sumpf‘ (aus dem
Mndl. frz. digue ‚Damm, Deich, Aufschüttung‘,
woraus italien. diga, span. dique); afries. dīk m.
‚Deich, Damm‘ (dika, ditza, dītzia ‚graben,
deichen, dämmen‘), nostfries. dīk ‚Deich, Wall,
Damm, Teich, Graben‘, nwestfries. dyk
‚Damm, Fahrdamm, Wehr, Stauanlage‘; ae. dīć
(mit Palatalisierung von auslautendem k hinter
ī) m. ‚Deich, Damm, Wall‘, f. ‚Graben‘ (dīcian
‚graben‘), me. dch(e) ‚Graben‘, ne. ditch ‚Gra-
ben‘ (me. dīk[e] usw., ne. dike ‚Deich, Damm,
Graben‘ ist wohl z. T. aus dem Anord., z. T. aus
dem Mndd. oder Mndl. entlehnt; vgl. Oxf. Dict.
of Engl. Et. 278): < urgerm. *đīka-. Im Nord-
germ. flektiert das Wort als ja-Stamm: anord.
díki n. ‚Pfütze, Morast, Graben‘, poet. ‚Meer‘,
nisl. díki ‚Morast‘, nnorw. dikje ‚Pfuhl, Gra-
ben, Deich‘, nschwed. dike, ndän. dige ‚Wall,
Damm, Graben‘: < *đīkija-.
Fick III (Germ.)⁴ 205; Holthausen, As. Wb. 12; Gal-
lée, Vorstud. z. e. andd. Wb. 44; Lasch-Borchling,
Mndd. Handwb. I, 424; Schiller-Lübben, Mndd. Wb.
I, 516 f.; Verdam, Mndl. handwb. 136; Franck, Et.
wb. d. ndl. taal² 117; Vries, Ndls. et. wb. 116; Holt-
hausen, Afries. Wb.² 16; Richthofen, Afries. Wb. 686;
Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I, 296;
Dijkstra, Friesch Wb. I, 272; Holthausen, Ae. et. Wb.
72; Bosworth-Toller, AS Dict. 203 f.; Suppl. 151;
Suppl. II, 18 f.; ME Dict. C-D, 1069 ff.; OED² IV,
659; Vries, Anord. et. Wb.² 76; Jóhannesson, Isl. et.
Wb. 500 f.; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 141; Torp,
Nynorsk et. ordb. 62; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 142.
Die unterschiedlichen Bedeutungen des Wortes
Deich gehen auf die Grundbedeutung ‚Ausge-
stochenes‘, ‚Ausstich‘ > ‚Graben‘ zurück. Wird
ein Graben gezogen, so entsteht daneben ein
Damm. Da also die Begriffe ‚Damm‘ und ‚Gra-
ben‘ zwei verschiedene Aspekte eines einzigen
Arbeitsvorgangs sein können, ist die von J. de
Vries-F. de Tollenaere, Etym. Woordenboek³
(Utrecht, Antwerpen, 1983) 94 angenommene
Bedeutungsentwicklung von ‚stecken‘ > ‚den
Spaten in den Boden stecken‘ > ‚graben‘, die
sich aus dem Anschluß an Wörter der Bedeu-
tung ‚stecken‘ ergibt (s. u.), nicht unbedingt not-
wendig. Auch das, was sich in einem Graben be-
findet, konnte bezeichnet werden: ‚Sumpf,
Teich, Strömung‘. Ähnlich sind die Bedeutungs-
verhältnisse bei dem Wort Damm, das im Nndl.
und Nordgerm. neben ‚Damm‘ auch ‚Teich‘ be-
deutet: nndl. dam ‚Damm, Graben, Teich,
Pfuhl‘; ndän. dam ‚Teich‘, ält. ndän. ‚Damm‘;
nschwed. damm ‚Damm, Teich‘ (Falk-Torp,
a. a. O. 135).
Die nächsten außergerm. Verwandten sind: lat.
fīgere ‚heften, anheften, festsetzen‘, alat. fīvō,
umbr. fiktu ‚fīgitō‘; lit. díegti ‚stecken, setzen,
pflanzen, stechen‘ (díegas ‚Keim, Sproß‘); lett.
diêgt ‚stechen, schlagen, heften‘ < *dēi̯gō ‚stek-
ke, steche‘; apreuß. deicktas ‚etwas, Stätte‘,
eigtl. ‚Punkt, Stich‘ (lit. dygùs ‚stachelig‘, dýg-
stu, dýgti ‚keimen, aufgehen [vom Samen]‘; lett.
dîgt ‚keimen‘); apreuß. digno ‚Schwertgriff‘ (wie
nhd. Heft ‚Schwertgriff‘, d. h. ‚worin die Klinge
eingeheftet ist‘).
Die Wz. wird sowohl als *dhei̯g- als auch als
*dhei̯gu̯- angesetzt. Wegen alat. fīvō ist aber
wohl von einer Vorform mit *-gu̯- auszugehen
und fīgō, fīxī so als Neubildung nach -flīgō,
-flīxī (so Brugmann, Grdr.² II, 3, 271) oder mit
g nach dem Perf. fīxī zu betrachten (Leumann,
Lat. Laut- u. Formenlehre 150; anders Walde-
Pokorny I, 832: *fīgu̯ō sei nach dem Muster von
unguō: unxi an die Stelle von *fīgō getreten). In
diesem Fall müßte umbr. fiktu mit Planta, Gr. d.
osk.-umbr. Dialekte I, 344 aus *fiku̯tōd < *dhī-
gu̯etōd hergeleitet werden (zweifelnd Walde-
Hofmann, Lat. et. Wb. I, 495 f.; Meiser, Laut-
gesch. d. umbr. Spr. 75. 87. 179. 206: umbr. fiktu
eher /fénktu/ < *dhinghetōd mit graphischer
Unterdrückung des Nasals vor k). Weiterhin
kann der Sitz des Iktus im Balt. auf eine Wurzel-
form *dhei̯ǝgu̯- [**dhei̯Hgu̯-] deuten.
Walde-Pokorny, a. a. O.; Pokorny 243 f.; Trautmann,
Balt.-Slav. Wb. 49 f.; Fraenkel, Lit. et. Wb. 93; Müh-
lenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. I, 477; Trautmann,
Apreuß. Spr.denkm. 318. 321; A. Fick, Zfvgl.Spr. 22
(1874), 105 f.; K. Günther, Wort- u. Sachgesch. d.
Schiffahrt in Mittel- u. Nordeuropa von den Anfängen
bis zum späten Mittelalter (Frankfurt-Bern-New York-
Paris, 1987), 131 f.
Auch ein Anschluß an die Wz. *dhei̯g̑h- ‚Lehm
kneten und damit mauern oder bestreichen‘ (→
teig), die u. a. in aind. degdhi ‚verstreicht, reibt
ein, verkittet‘, av. pairi-daēzaiiąn ‚sie sollen
rundum aufmauern‘, arm. dizanem ‚häufe auf‘,
gr. θιγγάνω ‚berühre‘ (zur Bedeutung vgl. lat.
fingere), τεῖχος ‚Mauer, Wand‘, lat. fingere ‚bil-
den, formen‘, auch ‚streichelnd betasten‘, air.
digen ‚fest‘, got. gadigan(d)s ‚knetend‘, toch. A
tsek-, B tsaik- ‚formen, bilden‘ vorliegt (Mayr-
hofer, K. et. Wb. d. Aind. II, 62; ders., Et. Wb.
d. Altindoar. I, 746 f.: die auf einen [labio-]vela-
ren Wurzelausgang deutenden Formen wie aind.
degdhi, digdha- sind sekundär), wurde erwogen
(Schade, a. a. O.; Fick, a. a. O.; Falk-Torp,
a. a. O.; Torp, a. a. O.; Hellquist, a. a. O.; Wei-
gand, Dt. Wb.⁵ II, 1035; J. Knobloch, Sprach-
wissenschaft 5 [1980], 197). Urgerm. *-k- in der
Vorform *đīka- müßte in diesem Fall durch
die n-Gemination entstanden sein: vorurgerm.
*dhei̯g̑hon-, *dhei̯g̑hn- > urgerm. *đīk(k)- (s.
Lühr, Expressivität 189 ff.). Das Nebeneinander
der Bedeutungen ‚Damm‘ und ‚Graben‘ erklärt
sich jedoch leichter aus einer Bedeutung ‚Ausge-
stochenes‘.
Die Annahme einer Urverwandtschaft des Wortes
Teich mit gr. τῖφος n. ‚Teich, Sumpf‘ (zur Literatur s.
Dt. Wb. XI, 1, 1, 231) ist lautlich nicht möglich.
Wollte man das gr. Wort auf *dhīgu̯hos und das germ.
wie bei der Verbindung mit der Wz. *dhei̯g̑h- auf eine
Bildung mit n-Suffix zurückführen, so hätte sich aus
vorurgerm. *dhīgu̯hn- wohl *đīu̯n- ergeben (s. Lühr,
Expressivität 192). Zur etymologischen Deutung von
gr. τῖφος s. Frisk, Gr. et. Wb. II, 906.