dûhenAWB sw. v. I, als Simplex nur Physiologus
(duogen), Gl. 2, 582, 48 (Düsseldorf F 1 [thúc
dád; doch s. u.] mfrk.-as. 10./11. Jh.); 640, 20
(Clm 18059 [duhent im Sinne von ‚zu Käse
machen‘] bair. 11. Jh.; Thoma, Ahd. Gl. z.
A. Test. 18, 27 duhta : expressi): ‚drücken‘. —
Mhd. dûhen, diuhen, tiuhen, diehen, douhen,
diuwen, tiuwen (prät. dûhte) ‚drücken, schie-
ben, ein-, niederdrücken‘ — die Umlautbe-
zeichnung begegnet seit dem 11. Jh. als -iu-,
später diphthongiert als -eu-; eine Nebenform
hat aus -ū- diphthongiertes -au-; w-Formen
treten seit etwa 1300 auf. Im Nhd. ist dialekta-
les deuhen ‚keltern‘ (s. u.) zumeist durch kel-
tern ersetzt.
Nhd. bad. deuhen ‚pressen, keltern‘, schwäb. deuhen
‚dss.‘, bair. dauhen ‚drücken, bezwingen; pressen, kel-
tern‘, lothr. dauen ‚drücken (bes. durch Ansetzen der
Schiffsstange oder des Ruders auf Flößen)‘, rhein.
däuen ‚drücken, stoßen, schieben‘, pfälz. deuhen
‚pressen, keltern, unterdrücken‘, hamb. veraltet dauen
‚wegschieben‘.
Splett, Ahd. Wb. I, 156; Schützeichel⁴ 94; Starck-
Wells 110. 801; Graff V, 117; Schade 114; Raven,
Schw. Verben d. Ahd. I, 32; Lexer I, 442; Benecke I,
372; Dt. Wb. II, 1037; Dt. Wb.² VI, 799 f. — Ochs,
Bad. Wb. I, 471; Fischer, Schwäb. Wb. II, 181;
Schmeller, Bayer. Wb.² I, 494 f.; Follmann, Wb. d.
dt.-lothr. Mdaa. 82; Müller, Rhein. Wb. I, 1280 ff.;
Christmann, Pfälz. Wb. II, 243; Scheel, Hamb. Wb.
667.
Ahd. dûhen entsprechen: as. thūhian? (nur Gl.
2, 582, 48; s. o.), mndd. dūwen; andfrk. -thūwen
(part. präs. bethuuuendero, prät. bethudon);
mndl. duwen, douwen ‚drücken, kneifen‘, nndl.
duwen ‚bedrängen, drücken‘; nwestfries. dūwe;
ae. ðȳ(a)n, ðēon, ðȳwan, ðēowan ‚pressen,
drücken, zwingen; stoßen, erstechen‘, me. thē-
wen ‚unterdrücken‘ (hierher auch ne. veraltet
thew als Bezeichnung eines Folterinstruments?).
Wadstein, Kl. as. Spr.denkm. 233; Gallée, Vorst. z. e.
andd. Wb. 347; Helten, Aostndfrk. Psalmenfrg. 97;
Kyes, Dict. of O. Low and C. Franc. Ps. 108; Verdam,
Mndl. handwb. 156; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 144;
Vries, Ndls. et. wb. 146; Dijkstra, Friesch Wb. I, 303;
Holthausen, Ae. et. Wb. 374; Bosworth-Toller, AS
Dict. 1054 f.; Suppl. 729; Stratmann-Bradley, ME
Dict.³ 633; OED² XVII, 927.
Das Nebeneinander von Lautungen mit -h- und
-w- in Verbindung mit einem langen ū und j-
Formans kann auf eine Vorform *þunχijan-
deuten, in der n vor χ mit Ersatzdehnung ge-
schwunden ist. Geht man weiterhin von einem
þw-Anlaut mit lautgesetzlichem Schwund von
*w vor *u aus, so ergibt sich ein Anschluß an
die in urgerm. *þwinan- ‚zwingen‘ vorliegende
Wz. *þwen- (< vorurgerm. *tu̯engh-), zu der
nach einem Muster wie *þrenχ-/*þren- (got.
þreihan ‚drücken, pressen‘/ahd. dringan) eine
Variante *þwenχ- hinzugebildet worden sein
müßte. Doch kommt auch eine Ableitung von
der Wz. uridg. *tu̯enk- ‚drücken‘ in Frage; in
diesem Fall sind die unterschiedlichen Vertre-
tungen des Tektals in ahd. dûhen und dwingan
(s. d.) durch das Vernersche Gesetz bedingt (Zu-
pitza, Germ. Gutturale 141: aber unrichtig
Grundform *tvenkjō für ahd. dûhen; C. C. Uh-
lenbeck, Zfvgl.Spr. 40 [1905—06], 554 f.). Eine
schwundstufige Bildung mit der Fortsetzung
von * begegnet in aisl. þyngja sw. v. ‚bedrük-
ken, plagen‘, nisl. þyngja, nnorw. tyngja,
nschwed. tynga, ndän. tynge (Vries, Anord. et.
Wb.² 630).
In den ahd. dûhen entsprechenden Lautungen
mit zwischenvokalischem -w- im Mhd., Mndd.,
Andfrk., Mndl., Nwestfries. und Ae. ist -w-
Gleitlaut oder im Ae. auch sekundär nach Ver-
ben wie ae. flōwan ‚fließen, strömen‘ zustande
gekommen (dazu Matzel, Gesammelte Schriften
85 Anm. 70; anders Sievers-Brunner, Ae. Gr.³
§ 408 Anm. 11: *þūwjan; auffällig ist jedoch der
Vokalismus im Prät. āþēwde).
Nach allgemeiner Auffassung liegt der Vorform
von ahd. dûhen jedoch eine ku̯-Erweiterung der
Wz. uridg. *(s)teu̯- ‚stoßen‘ zugrunde, wobei
die Formen mit -h- und -w- auf grammatischem
Wechsel beruhen würden (zuerst Franck,
a. a. O.; vgl. dazu G. J. Kuipers, Idg. Nasalprä-
sentia [Amsterdam, 1937], 125 f.: urgerm.
*þūχijan- < *tu-n-ék-ti zu aind. 3. sg.med.
tuñjáte ‚stößt, bewegt sich heftig, dringt mit
Gewalt vor‘ usw.; Walde-Pokorny II, 615; Po-
korny 1099 f.). Verwandt seien gr. τύκος m. ‚Ge-
rät zum Bearbeiten der Steine, Schmiedeham-
mer, Steinaxt, Streitaxt‘; lit. tuksti, -siù ‚schla-
gen, peitschen, stoßen, klopfen‘, lett. tukstêt
‚klopfen‘, tuktât ‚klopfen, pochen‘, taucêt ‚im
Mörser stampfen‘; aksl. tъknǫti ‚stoßen, tref-
fen‘, tъkati ‚(an)stoßen, weben‘, ukrain. tknúty
‚stechen‘; air. toll, nkymr. twll, korn. toll, tol
‚hohl, Höhle, Loch‘, abret. tull ‚foramen‘,
nbret. toull ‚Loch‘, eigtl. ‚Ausgehauenes‘
(< *tuk-slo-). Das lange ū von ahd. dûhen habe
dabei in lett. tūkât ‚kneten‘, russ. týkat’ ‚schla-
gen‘ eine Parallele (Franck, a. a. O.). Doch läßt
sich bei der zugrunde liegenden Wz. uridg.
*(s)teu̯k- kein Labiovelar im Wurzelauslaut
nachweisen. Zudem kann balto-slav. *ū erst
durch eine sekundäre Dehnung zustande ge-
kommen sein.
Walde-Pokorny I, 746 ff.; Pokorny 1032; Mann, IE
Comp. Dict. 1459; Boisacq, Dict. ét. gr.⁴ 989 f.; Frisk,
Gr. et. Wb. II, 941 f.; Chantraine, Dict. ét. gr. 1143;
Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 331; Sadnik-Aitzetmül-
ler, Handwb. z. d. aksl. Texten 139; Vasmer, Russ. Et.
Wb. III, 109. 149; Fraenkel, Lit. et. Wb. 1135; Müh-
lenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. IV, 135. 255. 258.
278; Fick II (Kelt.)⁴ 134; Vendryes, Lex. ét. de l’irl.
anc. T-103; Dict. of Irish IV, 240 f.; New Welsh Dict.
196; Williams, Lex. cornu-britannicum 349; Fleuriot,
Dict. des gl. en vieux breton 325; Ernault, Gl. moyen-
breton 703 f.