*dûmilînAWB n. a-St. (?) ‚Rohrdommel, herodi-
us‘. Das Wort ist eine Rekonstruktion aus den
in zwei mfrk. Gl.-Hss. des 11. Jh.s belegten
Schreibungen 3, 458, 12 Cod. Paris 9344 doni
clin a, Berlin Ms. lat. 8°73 Donicliri. Sofern
tatsächlich dûmilîn zu lesen ist und keine Ver-
derbnis eines ae. Glossenbelegs vorliegt (s. Mi-
chiels, Engl. Bestandteile adt. Gl.hss. [1912],
52 f.), stellt sich das Wort zu den vornehmlich
in Glossen belegten Wörtern ahd. rôratumbil
‚Rohrdommel, onocrotalus‘ (nur Gl. 4, 199, 60
9. Jh.), frühnhd. rôrtumel (15. Jh.), Rohr-,
Rordomel (Luther) und zu horotumil, -tumbil,
hortumil (seit dem 9. Jh.), horotumbel Notker;
vgl. auch horo-, hortûbil, hor(o)trugil, horo-,
hortûchil (seit dem 10. Jh.), in nd. und md.
Glossaren des 15. Jh.s rordum(t), rortrum-
(m)er, rordummer, rordrum(b)el. — Mhd. rôrtu-
mel, rôrtrumel, mhd. hortûbel m., nhd. Rohr-
dommel ‚Botaurus stellaris‘.
Schützeichel⁴ 146; Starck-Wells 110. 285. 491. 841
(doniclîn); Graff V, 352; Diefenbach, Gl. lat.-germ.
396 (onocrotalus); Dt. Wb. VIII, 1126 f.; Kluge²¹ 605;
Kluge²² 604; Pfeifer, Et. Wb. 1436; Suolahti, Dt. Vo-
gelnamen 383 ff.; Köbler, Lat.-germanist. Lex. 290. —
V. H. Suolahti, Zfdt. Wortf. 9 (1907), 173 f. liest donic-
lîn und bringt dieses Wort mit dem in ahd. Gl. auftre-
tenden ae., as. dun(n) ‚schwarzbraun, rotbraun, dun-
kelfarbig, furvus, spadix‘ (Gl. 1, 320, 1. 460, 17;
2, 716, 12) in Verbindung (Holthausen, As. Wb. 14;
ders., Ae. et. Wb. 80). Doch ist die Lesung unsicher
(W. B. Lockwood, Zfvgl.Spr. 79 [1964], 294 ff.).
Aus den germ. Sprachen gehören dazu: mndd.
rōrdum (> ndän. rørdrum, nschwed. rördrum),
-dump, -dumpt; mndl. roesdom, -dommel,
-dommer (mit grammatischem Wechsel), nndl.
roerdomp; nostfries. reidump, rēdump; ae. rāra-
dumle, rāradumbla m.f. Der Vogelname ist viel-
fach entstellt und sekundär an andere Wörter
angeglichen worden. Das aus dm/ dom be-
stehende Element, das teils auf Trommel
(spätmhd. trum[b]el) bezogen wurde, ahmt
wohl den Paarungsruf des Vogels nach (-b- zwi-
schen m und l ist Gleitlaut), wie auch ae. rāra-
dumle, rāradumbla im ersten Bestandteil an ae.
rārian ‚schreien‘ (→ rêren) angeglichen ist.
Sonst bezieht sich der erste Bestandteil der
Komposita auf den Nistplatz (ahd. rôra ‚Rohr‘
bzw. mit grammatischem Wechsel mndl. roes;
afries. hriād ‚Riet, Rohr, Schilf‘, nostfries. Rei-
derland), den Aufenthaltsort (horo ‚Schmutz,
Schlamm‘) und das zweite Element -tûchil in
hortûchil (tûchil ‚Taucher‘) auf die Freßge-
wohnheiten (s. d.). Die l-Bildungen ahd. dûmi-
lîn usw. zeigen das bei Tier- und auch bei Vo-
gelnamen häufige l-Suffix (vgl. mhd. gümpel
‚Gimpel‘ als Ableitung von gumpen ‚hüpfen‘)
und ahd. dûmilîn weiterhin das Diminutivsuffix
-în (vgl. ahd. fulîn ‚Füllen‘).
Schiller-Lübben, Mndd. Wb. III, 506; Verdam, Mndl.
handwb. 499; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 554 f.;
Vries, Ndls. et. wb. 584 f.; Holthausen, Afries. Wb.²
47; Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. II, 24;
Holthausen, Ae. et. Wb. 255; Bosworth-Toller, AS
Dict. 786; Krahe-Meid, Germ. Sprachwiss. III § 86, 2.
95, 2.