dansônAWB sw. v. II, Gl., Notker: ‚ziehen, hin-
und herstoßen, wegreißen, zögern, auf etwas
warten lassen, hinziehen, hinhalten, dehnen,
zusetzen, verleumden, trahere, protrahere‘
〈Var.: tanson Notker mit t aufgrund seines An-
lautgesetzes〉. — Mhd. dansen ‚ziehen, dehnen‘.
Ahd. Wb. II, 163; Splett, Ahd. Wb. I, 139; Schütz-
eichel⁴ 85; Starck-Wells 90; Graff V, 197; Schade 96;
Raven, Schw. Verben d. Ahd. II, 25; Sehrt-Legner,
Notker-Wortschatz 56; Lexer I, 410; Benecke I, 361;
Kluge²¹ 769 s. v. Tanz; Kluge²² 720 s. v. Tanz; Pfeifer,
Et. Wb. 1782.
Dem ahd. dansôn usw. stehen die Lautformen
mhd. tanzen ‚tanzen‘, nhd. tanzen (mhd. tanz,
nhd. Tanz) gegenüber, denen formal mndd.
dansen, danzen ‚tanzen, springen‘ (> aisl. dansa
sw. v. ‚tanzen‘ > finn. tanssia, lapp. [norw.]
dannsot, dannsit) (mndd. dans > aisl. dans,
danz m. ‚Tanz‘, nisl. dans ‚Tanz, Lied oder Me-
lodie, nach der getanzt wird‘, nnorw. dans; ält.
nschwed. danz, nschwed., ndän. dans), nost-
fries. dansen, saterländ. donsje ‚tanzen, sprin-
gen‘ (nostfries. dans ‚Tanz, Ball‘) entsprechen.
Bei diesen später belegten Verben handelt es
sich um höfische Modewörter des Rittertums,
die um 1200 unter flandrischer Vermittlung aus
afrz. danser (afrz. 12. Jh. danse [postverbales
Subst. aus afrz. danser] > engl. dance; nndl.
dans), im Hd. mit Verdeutschung des anlauten-
den t- (statt d- in nndl.-nndd. dans[en]) und
Entwicklung eines Übergangslautes zwischen n
und s (nds zu nz), entlehnt worden sind. Für die
roman. Verben italien. danzare (für dansare),
span., port., prov. dansar, frz. danser, walach.
dęntzuì (subst. italien. danza usw.) vermutet
man eine gallorom. Grundform *dantsāre, die
auf ahd. fränk. dansôn zurückgeht (anders Klu-
ge²² 721; Pfeifer, Et. Wb. 1782: die Herkunft
des frz. Wortes ist unsicher). In gallorom.
*dantsāre sei nach Verstummen des lat. -n- vor
-s- (vgl. mēsa für mensa) die Lautfolge -ns- in
der lat. Umgangssprache nicht mehr vorhanden,
an ihre Stelle trat -nts- (Diez, Et. Wb. d. rom.
Spr.⁵ 117; Gamillscheg, Et. Wb. d. frz. Spr.²
296). Die Verbindung mit ahd. dansôn paßt we-
gen der Bedeutung ‚ziehen‘ zu den damals übli-
chen Reigentänzen, bei denen die Tanzenden
sich an den Händen haltend bald nach rechts
und bald nach links zogen. Andere Arten des
Tanzes wurden durch germ. *laikan-, *saltōn-
(< lat. saltō ‚tanze‘, eigtl. ‚hüpfe‘) und got.
plinsjan (< aksl. plęsati ‚ὀρχεῖσθαι‘) bezeichnet.
Weniger wahrscheinlich sind die folgenden Deutun-
gen: Auf der Grundlage von lat. rotāre ‚(sich) kreisför-
mig herumdrehen‘, rotundāre ‚rund machen, abrun-
den‘ seien Formen wie vulg.lat. *retundāre, *rotantiā-
re, *retantiāre ‚drehen, tanzen‘ und *rotantia, *retan-
tia ‚Drehung, Tanz‘ gebildet worden, woraus im
Westroman. *redançare und *redança bzw. mit Abfall
von re- *dançare und *dança entstanden seien
(H. Meier—G. de Peña, Arch. f. d. St. d. neueren Spr.
118 [1967], 321 ff.). Auch die Verbindung mit aisl.
datta ‚schlagen, klopfen‘ (< urgerm. *dantō- ‚mit den
Füßen stampfen, tanzen‘), dessen rheinfrk. Entspre-
chung *danzôn zu afrz. dancier geführt habe
(P. W. Brosman, Gamillscheg-Festschrift 97), überzeugt
nicht, da für die roman. Verben der Bedeutung ‚tan-
zen‘ keine Grundbedeutung ‚mit den Füßen stampfen‘
erweisbar ist. Ebensowenig kann ein andfrk. *dintjan
‚sich hin und her bewegen‘ (vgl. mndl. deinsen, nndl.
deinzen ‚zurückweichen, -schrecken‘, nfries. dintje
‚leicht zittern‘, nisl. dynta ‚den Körper auf- und nie-
derbewegen‘), das im Ablaut zu andfrk. *dantjan steht
(J. Brüch, Zfrom. Ph. 56 [1936], 52) glaubhaft ge-
macht werden. Gleiches gilt für den Ansatz eines
andfrk. *dantisōn (Wartburg, Frz. et. Wb. XI, 2, 63).
Lautlich unhaltbar ist die Rückführung auf *þankja-
‚gefällig‘ (O. Haas, Orbis 13 [1964], 601 ff.). Wenig
wahrscheinlich ist auch F. Äpplis (Zfrom. Ph. Beiheft
[1925], 75) Herleitung aus mlat. *danetzāre ‚sich auf
einer Tenne belustigen‘, weil sich dieser Ansatz nicht
mit der Vorform des Wortes Tenne vereinbaren läßt;
wie auch A. Nordfelts (Studier i mod. språkvet. 11
[1939], 69 ff.) lautlich und morphologisch unbegrün-
deter Ansatz vulgärlat. *cadentia, rom. *chadance für
das postverbale frz. danse.
Fick (Germ.)⁴ 180; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb.
I, 1, 396; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. I, 484; Doorn-
kaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I, 280; Vries, A-
nord. et. Wb.² 73; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 966; Holt-
hausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 34; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 137; Torp, Nynorsk et. ordb. 56;
Hellquist, Svensk et. ordb.³ 135 f.; Fritzner, Ordb. o. d.
g. norske sprog I, 237; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 62;
Lehmann, Gothic Et. Dict. A-219; Seebold, Germ. st.
Verben 514 f.; Wißmann, Nomina Postverb. 22.
Die Vorform urgerm. *þansōn- steht im Ablaut-
verhältnis zu dem st. v. urgerm. *þinsan- ‚zie-
hen‘ (→ dinsan) und stellt ein Intensiv des Typs
ahd. zamôn ‚zähmen‘ neben zeman ‚geziemen,
passen‘ dar (s. d. und vgl. Krahe-Meid, Germ.
Sprachwiss. III § 183, 2).