deganAWB m. a-St. ‚Krieger, Soldat, Held, Ge-
folgsmann, Anhänger, Jünger, Diener, Beglei-
ter, masculus, miles, athleta, satelles‘ 〈Var.: the-
gan, thagan, thegon, thegen, degen, tegen〉. —
Mhd. degen, häufig degenkint, frühnhd. degen
‚athleta‘, nhd. Degen.
Ahd. degan bezeichnet den Mann (Abrogans Gl.
1, 206, 34 ‚masculus‘), insbesondere den jungen Mann
(Otfrid 3, 24, 98 fulen thegane vom toten Lazarus), das
männliche Kind, den Knaben, den Jüngling, mit dem
Nebenbegriff des Streitbaren und Männlichen, den
Gefolgsmann (Hildebr. 17 f. forn her ostar gi{h}〈w〉eit
... hina miti theotrihhe enti sinero degano filu). In der
christlichen Terminologie herrscht der Begriff der
Nachfolge und — vor allem unter Einfluß der ags. Mis-
sionssprache — des Dienens. Das Wort hat dann im
Hd. wie auch im Mndl. (s. u.) eine Bedeutungsentwick-
lung zu ‚Held‘ (Gl. 1, 172, 15 decan ‚herus‘ 8./9. Jh.)
‚Krieger, Soldat, Ritter‘ mitgemacht. Nach hoher Blü-
te in der Dichtersprache des Hochmittelalters wird de-
gen seit dem 15. Jh. äußerst selten. Durch Logau 1654
wird Lessing auf das Wort Degen aufmerksam ge-
macht (1772); durch Bodmer, Bürger, Wieland, Schil-
ler und Goethe wird es erneut zum Modewort. Mdartl.
erscheint degen in der Schweiz in der Bedeutung
‚zanksüchtiger Mensch‘: das ist ein rechter degen
(Schweiz. Id. XII, 1108).
Splett, Ahd. Wb. I, 127; Schützeichel⁴ 87; Starck-
Wells 92. 798; Graff V, 119 ff.; Schade 98; Gadow,
Ahd. Aratorgl. 45. 88 f. 92. 96. 106. 110. 148; Lühr,
Stud. z. Hildebrandlied 486 f.; Lexer II, 414; Benecke
I, 309; Diefenbach, Gl.-lat. germ. 57 (athleta); Dt.
Wb. II, 895 f.; Dt. Wb.² VI, 537 ff.; Kluge²¹ 125; Klu-
ge²² 131; Pfeifer, Et. Wb. 263.
Ahd. degan entsprechen as. thegan m. ‚Knabe,
Mann, Mann des Gefolges‘, mndd. degen m.
‚Knabe, Mann, Held, Kämpfer‘; mndl. degen,
deigen, dein m. ‚Knappe, Königssohn, Ritter,
Held‘ (im Nndl. ausgestorben); ae. ðeg(e)n, ðēn
m. ‚Diener, Gefolgsmann, Vornehmer, Held,
Krieger, Mann‘, me. þein ‚Mann, Diener, Sol-
dat‘, ne. thane (im 15.—16. Jh. als Variante von
thayn) ‚Lehnsmann‘ neben der von einigen mo-
dernen Historikern bevorzugten Lautform
thegn als Bezeichnung für einen Rang unterhalb
eines ealdorman oder eorl und oberhalb eines
ceorl ‚baron, knight‘; aisl. þegn m. ‚freier Un-
tertan, Knabe, Diener, Krieger, Ritter‘. Das
Wort ist im Got. nicht belegt.
Fick III (Germ.)⁴ 176 f.; Holthausen, As. Wb. 77;
Sehrt, Wb. z. Hel.² 593 f.; Berr, Et. Gl. to Hel. 404;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 405; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. I, 496; Verdam, Mndl. handwb.
131; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 109 f.; Vries, Ndls.
et. wb. 109; Holthausen, Ae. et. Wb. 362; Bosworth-
Toller, AS Dict. 1043 f.; Suppl. 728; Oxf. Dict. of Engl.
Et. 914 f.; Stratmann-Bradley, ME Dict.³ 631; OED²
XVII, 863. 887; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 432; Holt-
hausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 313; Fritzner, Ordb.
o. d. g. norske sprog III, 1012.
Die Vorform urgerm. *þena- < vorurgerm.
*teknó- ‚Geborenes‘ gehört als Part. in der Be-
deutung ‚Kind‘ zu der Wz. uridg. *tek- ‚zeugen,
gebären‘. Die Bedeutungsentwicklung von
‚Kind‘ zu ‚Diener‘ im Germ. entspricht der von
Knabe, Knappe, Knecht. Daß im Germ. das
Wort Degen isoliert stand, begünstigte die be-
sondere Bedeutungsentwicklung und das Auf-
kommen von verschiedenen Ersatzwörtern: ahd.
barn, kind (s. d. d.), ae. cild.
Fernzuhalten ist trotz Zupitza, Germ. Gutturale 76 f.
got. *þius m. ‚Knecht‘ (Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr.
497 f.). In ähnlicher Weise ist E. Karg-Gasterstädts,
PBB 66 (1942), 323 ff. Rückführung von ahd. degan
und diorna auf eine gemeinsame Wz. *teku̯- abzuleh-
nen; → dio.
Da die n-Gemination in *þena- im Germ. nicht ein-
getreten ist, hat neben dieser Form möglicherweise ein
dem gr. τέκνον (s. u.) entsprechendes *þeχna- bestan-
den, wobei das n-Suffix analogisch bewahrt wäre.
Wenn es sich bei anord. þjónn um eine alte Bildung
handelt (→ dionôn), könnte urgerm. *þena- auch
analogisch nach der Vorform von anord. þjónn m.
‚Diener, Sklave‘, *þeu̯-na- > *þeu̯na-, sein n-Suffix
bewahrt haben. Ferner wäre eine Beeinflussung durch
das Denominativ urgerm. *þenōjan- > ae. þegnian
‚dienen‘ möglich, sofern *þenōjan- tatsächlich eine
alte Bildung und nicht erst im Ae. entstanden ist (s.
Lühr, in Lautgeschichte 258; dies., Expressivität
334 f.).
Bis auf den Akzent in der Vorform entspricht
gr. τέκνον ‚Kind, Tierjunges, Sproß‘, zu τίκτω
< *τι-τκ-ω, τεκεῖν aorist, τέτοκα perf. ‚gebä-
ren, erzeugen‘ (τέκος n. ‚Kind, Tierjunges, Er-
zeugnis, Sproß‘, τόκος ‚Gebären, Nachkom-
menschaft, Zins‘); vgl. aind. tákma (-an-) n.
‚Abkömmling, Kind‘, nur Naighaṇṭuka 2, 2, wo
es tókman- = apatya- ‚Abkömmling‘ gleichge-
setzt wird. In Anbetracht dieser Beleglage ist die
Möglichkeit einer künstlichen Bildung für aind.
tákma nicht von der Hand zu weisen, „wenn-
gleich der Lexikograph ebensogut eine sprach-
wirkliche alte Bildung mitteilen kann“ (Mayrho-
fer, K. et. Wb. d. Aind. I, 466; doch ders., Et.
Wb. d. Altindoar. I, 611: Ebensowenig wie tók-
man gehöre aind. tákma zu gr. τέκνον; zu aind.
tókman- s. diorna).
Ob aind. takar- f. ‚ein bestimmter Teil der weiblichen
Genitalien‘, das H. Güntert, WuS 11 (1928), 60 an
ahd. degan usw. anschließt, zugehörig ist, ist höchst
unsicher (s. Mayrhofer, a. a. O.).
Nach W. Meid, IF 69 (1964), 245 reichen n-
Bildungen wie ahd. degan usw., got. un-aírkns
‚unselig‘, swikns ‚rein, unschuldig‘, aind. vkṇá-
‚zerrissen‘, rugṇá- ‚zerbrochen‘, vinná- (neben
vittá-) ‚gefunden‘, sanná- (neben sattá-) ‚ge-
setzt‘ in eine Zeit zurück, wo t-Bildungen von
Wurzeln auf Verschlußlaut vermieden wurden
(zum fast durchgängigen Auftreten des na-Suf-
fixes im Aind. nach Tektalen s. Wackernagel,
Aind. Gr. II, 2, 729 f.).
Walde-Pokorny I, 715; Pokorny 1057; Frisk, Gr. et.
Wb. II, 867.