dehein pron.: ‚(irgend)ein, kein, uter‘ 〈Var.:
thegein, theihein, thih(h)ein, thein, dehhein,
deein, dihhein, dichhein〉. — Mhd. deh-, dech-,
dekein (neben dihein, dichein, dühein, div-
hein) ‚kein, nullus, irgendein, ullus‘ (zum Ne-
beneinander der Bedeutungen ‚nullus‘ und ‚ul-
lus‘ vgl. afrz., prov. nul < lat. nullus ‚nullus,
ullus‘), frühnhd. dehein noch im 15. und
16. Jh. (bei Reuchlin), nhd. kein.
Das Pron. dehein ist nur hd. Es wird substanti-
visch und adjektivisch z. B. in verneinten Sätzen,
in Bedingungssätzen, in Vergleichssätzen nach
einem Kompar., in Fragesätzen verwendet. Das
für die Bedeutungsentwicklung zu ‚kein‘ not-
wendige ni, ne, en- in der Fügung ni usw. de-
hein blieb später wie im Falle von mhd. (en) niht
weg. Schon um 1200 findet sich allein stehendes
dehein, das über frühnhd. de-ckein (mit Beto-
nung auf der zweiten Silbe, ck im Silbenanlaut
und Synkope des ersten Vokals) zu kein (chein
‚irgendein‘ 2. Hälfte 11. Jh.) in den Bedeutungen
‚kein, irgendein‘ (in beiden Bedeutungen bis
zum 16. Jh.) wurde. Da vor dieser Zeit mhd. de-
hein und nehein (s. u.) bereits miteinander ver-
mengt wurden, kann auch frühnhd. ne-ckein mit
der Ausgangspunkt für nhd. kein gewesen sein.
As. nigēn, nigian, negēn, mndd. nigēn, gēn (neben ni-
chēn), mndl. gheen sind entweder auf urgerm. *ne-i/
e < vorurgerm. *ne-ghi/ ghe (vgl. gr. οὐ-χί, μη-χί
‚nicht‘) oder auf vorurgerm. *ne-ku̯é und urgerm. *ai-
na- ‚ein‘ zurückzuführen (R. Lühr, Mü. Stud. z.
Spr.wiss. 34 [1976], 89 Anm. 18; vgl. Kluge²² 365: g(h)
in mndd. nigēn, gēn, mndl. gheen ‚kein‘ beruhe auf
dem Satztiefton; ähnlich Franck, Afrk. Gr.² § 105. 2).
Die Entstehung von (ni) dehein ‚(non) ullus‘ gilt
als ungeklärt. Die Annahme, daß es sich bei
ahd. dehein um eine Zusammensetzung von
ahd. dih, deh und ein handelt (Lexer I, 415), ist
abzulehnen; denn ein dih, deh ist im Ahd. sonst
nicht nachweisbar. Auch eine Abschwächung
aus dohein ‚irgendein‘ (Notker, Weiß. Kat.)
(s. u.) ist wohl kaum eingetreten (anders Dt.
Wb. V, 457 ff.), da bereits für die Mons. Frg. die
e-vokalische Form belegt ist. (Mit der umge-
kehrten Entwicklung, also mit einer Schwä-
chung von e zu o, rechnet fälschlicherweise
Braune, Ahd. Gr.¹⁴ § 29 Anm. 3; s. Lühr, a. a. O.
80 ff.)
Einen zu ahd. dehein und dohein parallelen
Lautstand zeigen die Indefinitpron. ahd. nihein,
nehein, ‚kein, niemand‘ und nohein ‚kein‘
(s. d. d.); vgl. mhd. sihein, sichein, sohein, so-
chein ‚irgendeiner‘ in der Iwein Hs. A (Paul,
Mhd. Gr.²³ § 417). Von diesen Wörtern kann
doh- in ahd. dohein mit ahd. doh (s. d.), nih-,
neh- in ahd. nihein, nehein mit got. nih ‚und
nicht, auch nicht‘, anord. né ‚neque‘ (< uridg.
*ne-ku̯e; aind. ná ca ‚und nicht‘, lat. neque, osk.
nep) und noh- in ahd. nohein mit ahd. noh ‚ne-
que, und nicht, noch‘ (s. d.) verbunden werden,
wobei Umdeutung von ‚bis jetzt‘ zu ‚und nicht‘
vorliegt. Nach dem Nebeneinander von nihein
(nehein) und nohein könnte zu ahd. dohein ein
dihein, dehein (alle 9. Jh.) hinzugebildet worden
sein (s. Lühr, a. a. O.), was aufgrund der Gleich-
zeitigkeit der i- und o-Formen ahd. nih(h)ein
(9. Jh.) und noh(h)ein (bereits 8. Jh.; dagegen
neh[h]ein erst um 1000) möglich ist. Nachdem
mhd. dehein die Bedeutung ‚nicht ein, kein‘ an-
genommen hat, schwindet mhd. nehein bis zum
16. Jh. (mdartl. schweiz. nekein).
Splett, Ahd. Wb. I, 143. 172; Schützeichel⁴ 87. 197;
Starck-Wells 92; Graff I, 320 ff.; Schade 98; Heffner,
Word-Index 24; Sehrt-Legner, Notker-Wortschatz 63;
Williram (Seemüller) 78; Otfrid (Kelle) III, 599; Le-
xer, a. a. O.; Benecke I, 421; Dt. Wb. II, 901; Kluge²¹
363; Kluge²² 365; Pfeifer, Et. Wb. 823; Schweiz. Id.
III, 316; Wilmanns, Dt. Gr. II § 431; Behaghel, Dt.
Syntax I, 422 ff.; Horn, Sprachkörper und Sprachfunk-
tion 65 f.
Während O. Behaghel (Beihefte z. Z. d. allg. dt. Spr.ver-
eins 5 [1913], 180) wegen der frühen Zurückdrängung
von mhd. dehein und aus lautlichen Gründen die An-
nahme eines Zusammenfalls von neh(h)ein usw. und
dehein ablehnt, ist nach Pfeifer 823 die Lautform kein
auch aus neh(h)ein (mit verschobener Silbengrenze ne-
chein, nekein) herleitbar, was wohl zutrifft. Demge-
genüber analysiert Ph. Marcq (Ét. germ. 41 [1986],
6 ff.) dehein wenig überzeugend auf der Basis von der
+ hein, wobei dehein unter dem Einfluß von ni/ ne +
hein (< ni ein hein < ni ein h?n) entstanden sei und
hein mit got. -hun in unbestimmten Pronomina oder
Adverbien in Zusammenhang gebracht wird. Auch Th.
v. Grienbergers (Zfdt. Wortf. 9 [1907], 74) Gleichset-
zung von thih- in ahd. thihéin ‚irgendein‘ mit dem
„Lokaladv.“ got. þei, dessen ahd. Entsprechung (ge-
genüber der durch die gutturale Spirans geförderten
Umfärbung in thehéin, thohhéin) vortonige Kürzung
erfahren habe, ist problematisch, da h unerklärt
bleibt. Gleiches gilt für G. Bechs (Studia neoph. 35
[1963], 212 ff.) Ansatz *þes-h-ain (mit -h- < *ku̯e)
> *þehhain > ahd. dehhein; denn die Annahme einer
Lautentwicklung von sh > hh bleibt ohne Parallelen.
Unhaltbar ist Grimms, Dt. Gr. III, 35 ff., Erklärung
von dih- in dihein als Akk. des Personalpron. Ebenso
abzulehnen ist Horns, a. a. O., Herleitung von ahd. ni-
hein aus *nidehein.