denswurzAWB (?) mhd. st.f., nur zweimal in der-
selben Gl.-Hs. Gl. 3, 539, 46 [neben dieser und
der folgenden Gl. am Rande von jüngerer
Hand: ... drswortz ...]; 3, 544, 55 Cod. Wien
2524 fränk., 13. Jh. (die Parallelhandschrift
bietet toren [‚Dornstrauch, Brombeerstrauch‘]
‚ramnus‘ Rom. Pal. lat. 1259 obd., 13. Jh.):
‚Fetthenne, crassula‘ (Sedum telephium L.?);
‚Kreuzdorn(?), ramnus‘ (Rhamnus catharticus
L.? s. u.). Außer droswortz, drußworcz sind an-
dere mhd. Wörter für ‚crassula‘ z. B. swelwortz,
erdpheffer, fette henne. Die Pflanzenbezeichun-
gen nhd. Dinse und Roth-Dinse sind dem
mhd. denswurz entnommen.
Splett, Ahd. Wb. I, 139. 1164; Starck-Wells 94. 840;
Lexer I, 419; Benecke III, 898; Diefenbach, Gl. lat.-
germ. 155 (crassula); E. Björkman, Zfdt.Wortf. 3
(1902), 284; Fischer, Mittelalt. Pflanzenkunde 283 f.;
Graßmann, Dt. Pflanzennamen 94.
Ebenso wie für die dt. Pflanzenbezeichnung
Dickblatt und die lat. Bezeichnung crassula hat
man als Benennungsmotiv für denswurz die auf-
gedunsenen Blätter angesehen und nhd. gedun-
sen verglichen. Dagegen nimmt Marzell, Wb. d.
dt. Pflanzennamen I, 1215 f. an, daß denswurz
ein entstelltes druoswurz ist, da crassula in den
ahd. Gl. mit druoswurz ‚Braunwurz, Fetthenne‘
glossiert werde (unter den 36 Belegen von druos-
wurz allerdings nur zweimal: Gl. 3, 527, 42 cras-
sula maior; 552, 38 crassula). Doch steht einer-
seits ahd. druoswurz sonst zumeist für ‚mille-
morbia, maura, morella‘ und bezeichnet den
Knoten-Braunwurz (Scrophularia nodosa L.;
Marzell, a. a. O. I, 1215 f.). Andererseits ist —
obwohl denswurz nur zweimal in ein und dersel-
ben Hs. belegt ist — unwahrscheinlich, daß an
zwei verschiedenen Stellen druoswurz zu dens-
wurz umgestaltet wurde. Denn einmal glossiert
denswurz das Wort ramnus, das andere Mal
crassula.
Für ein sprachwirkliches denswurz spricht weiterhin
der Kontext der Belegstelle: Die Wiener Hs. hat an
der Stelle Gl. 3, 544, 55 anstelle von ramnus ein rauinus
(denswurz), wobei rauinus, wie die Glosse 38 phuton
rauinus hagedorn (mit phuton = gr. φυτόν) zeigt, tat-
sächlich für ramnus steht. Ferner erscheint zwischen
der Glosse phuton rauinus hagedorn und rauinus dens-
wurz die Glosse 49 raphanus (‚Hederich‘, eine Be-
zeichnung für ein seit der jüngeren Steinzeit in riesigen
Mengen auftretendes Ackerunkraut [Raphanus rapha-
nistrum L.]; s. Marzell, a. a. O. III, 1285) merretich.
Da rauinus ähnlich wie raphanus klingt, hat der
Schreiber möglicherweise ein raphanus denswurz mit
rauinus = ramnus in Verbindung gebracht und der
Glosse rauinus = ramnus das Wort denswurz im Sinne
von ‚üppig wucherndes Ackerunkraut‘ zugeordnet.
Der Anschluß des Part. Prät. gedunsen (s. o.)
paßt wegen der Blattgestalt der Fetthenne für
das Vorderglied von denswurz. Da das zugehö-
rige st. Verb im Ahd. und Mhd. nach der 3. st.
Kl. (→ dinsan) flektiert, geht dens- auf eine
Vorform *þansi- zurück; vgl. innerhalb der Sip-
pe von urgerm. *þensan- ‚ziehen‘ (Seebold,
Germ. st. Verben 514) die Ablautstufe (außer im
Prät. des st. Verbs) des sw. Verb ahd. dansôn
‚ziehen, zögern, dehnen‘, mhd. dansen ‚ziehen,
reißen‘. Weil ein Subst. *dans für das Vorder-
glied *þansi- sonst nicht nachweisbar und dens-
wurz in einer Zeit bezeugt ist, als Komposita
mit verbalem Vorderglied schon häufiger waren,
könnte ein Verbalstamm der 1. sw. Kl. das erste
Kompositionsglied bilden (Wilmanns, Dt. Gr. II
§ 543), und zwar ein dens- als Kontinuante eines
sw. Verbs der 1. Kl. *þans(i)jan- ‚sich ausdeh-
nen, schwellen‘, obgleich ein solcher Stamm
sonst nicht bezeugt ist. Als Bedeutung der Vor-
form *þansi-wurti- ergäbe sich dann ‚in Bezug
auf die Blätter aufgedunsenes Kraut‘ (‚Fett-
henne‘) bzw. ‚sich ausdehnendes Kraut‘ (‚Hede-
rich‘), wobei die unterschiedlichen Bedeutungen
von dinsan ‚ziehen, schleppen‘ und denswurz
‚Fetthenne‘, ‚üppig wucherndes Ackerunkraut‘
über die Bedeutungen ‚sich ausdehnen, womit
anfüllen‘ von mhd. densen vermittelbar wären
(R. Lühr, Sprachwissenschaft 15 [1990], 178 ff.).