derrenAWB sw. v. I, Otfrid, Notker und in Gl.:
‚dörren; trocknen, rösten, pandere, siccare,
torrere‘ 〈Var.: in bair. Hss. mit umlauthemmen-
dem r + Konsonant: Gl. 2, 332, 49 thárran Clm
14747, 10. Jh.; 1, 341, 26 darrfes Wien Cod.
1761, 10. Jh.; 3, 476, 7 darren Clm 17403,
13. Jh.; prät. tharta mit Rückumlaut; part. prät.
giderrit neben gedart usw.〉. — Mhd. derren,
darren (Genesis, Milstätter Hs., 12. Jh.), där-
ren (mit Sekundärumlaut), dirren (zur Schrei-
bung i für Umlaut-e im Md. s. Weinhold,
Mhd. Gr.² § 29) ‚dörren, austrocknen‘, nhd.
dörren (mit Rundung von e zu ö), aber z. B.
noch bei Henisch derren, darren neben dörren.
Die umlautlose Form erscheint im Nhd. in dem
Subst. Darre (neben Derre) (→ darra) und in
fachsprachlichen Ausdrücken wie Malz darren
(mit darren als denominalem Verb?; s. u.). Im
Nhd. bedeutet dörren neben ‚trocken machen,
austrocknen‘ (ält. nhd. neben dürren, dirren)
auch ‚ausdörren‘, was auf einen Zusammenfall
der Fortsetzung des transitiven derren und des
intransitiven dorren ‚trocken, dürr werden,
verdorren, vertrocknen‘ (→ dorrên) weist.
Splett, Ahd. Wb. I, 133; Schützeichel⁴ 89; Starck-
Wells 98. 799; Graff V, 199. 221; Schade 98. 100;
Sehrt-Legner, Notker-Wortschatz 102; Otfrid (Kelle)
III, 614; Braune, Ahd. Gr.¹⁴ § 27 Anm. 1; Raven,
Schw. Verben d. Ahd. I, 27 f. 29 f.; Lexer I, 420 f.; Be-
necke I, 322; Paul, Mhd. Gr.²³ § 41 Anm. 2, 1. 48, 1;
Diefenbach, Gl. lat.-germ. 46 (arefacere). 532 (siccare).
589 (torrere); Dt. Wb. II, 787. 1189. 1301 f. 1742 f.;
Kluge²² 152; Pfeifer, Et. Wb. 300.
In den dt. Dialekten findet sich die transitive Bedeu-
tung ‚trocken machen‘ auch bei den Verben els.,
schwäb. dürren, bad., rhein., südhess. dürren bzw.
schweiz. darren, tirol. darrn, dârn, pfälz., niederhess.,
siebenbürg.-sächs., hamb. darren ‚trocknen‘, schles-
wig-holst. darren, darnen ‚darren‘, meckl. darren ‚ge-
quollene Gerste zu Malz dörren‘, preuß. darren ‚Malz
und Flachs dörren‘, die Ableitungen von dem Adj. dürr
bzw. von dem Subst. Darre (s. o.) sind.
Schweiz. Id. XIII, 1016 ff.; Martin-Lienhart, Wb. d.
els. Mdaa. II, 707; Ochs, Bad. Wb. I, 511; Fischer,
Schwäb. Wb. II, 282; Schatz, Wb. d. tirol. Mdaa.
128 f.; Müller, Rhein. Wb. I, 1587; Christmann, Pfälz.
Wb. II, 121. 359 f.; Maurer-Mulch, Südhess. Wb. I,
1592. 1904; Crecelius, Oberhess. Wb. 315; Vilmar, Id.
von Kurhessen 66; Schullerus, Siebenbürg.-sächs. Wb.
II, 16; Scheel, Hamb. Wb. I, 661. 805; Mensing,
Schleswig-holst. Wb. I, 684; Wossidlo-Teuchert,
Meckl. Wb. II, 257 f. 426; Frischbier, Preuß. Wb. I,
133; Ziesemer, Preuß. Wb. I, 80; II, 24.
Germ. Verwandte zu ahd. derren sind mndd.
dörrn ‚trocknen lassen, verdorren lassen, dürr
machen‘; ae. ā-ðierran, ðirran, (ðyrran, s. u.)
‚trocknen, abwischen‘; aisl., nisl. þerra ‚trock-
nen‘; nnorw. terra; nschwed. dial. tärra < ur-
germ. *þarzijan-, dem Kausativ zu urgerm.
*þersan- ‚verdorren‘ (got. *gaþairsan st. v. ‚ver-
dorren‘ [nur akk. sg. f. part. prät. ga-þaursana
habands handu]). Ndän. tørre ‚trocknen, dör-
ren‘ und ält. ndän. thyrre, Ableitungen von
ndän. tør, ält. ndän. thyrr ‚trocken, dürr‘ (→
durri), haben die Fortsetzung von anord. þerra
‚trocknen‘ ersetzt. Auch das in der Poesie be-
zeugte ae. ðyrran ‚dörren, trocknen‘ ist wohl
nicht genau mit ahd. derren identisch, sondern
von dem adj. ðyrre ‚dürr‘ abgeleitet (zum „unfe-
sten“ y anstelle von ie im späteren Westsächs. s.
Sievers-Brunner, Ae. Gr.³ § 31). Demgegenüber
könnte nostfries. dāren ‚darren‘ von dem Subst.
Darre ausgegangen sein. Aus frk. *þarrjan ‚dör-
ren‘ stammt frz. tarir ‚trocken legen, vertrock-
nen, erschöpfen‘.
Fick III (Germ.)⁴ 183; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. I, 1, 458; Doornkaat Koolman, Wb. d. ost-
fries. Spr. I, 281; Holthausen, Ae. et. Wb. 365. 375;
Bosworth-Toller, AS Dict. 58. 1086; Suppl. 55. 792;
Vries, Anord. et. Wb.² 609; Holthausen, Vgl. Wb. d.
Awestnord. 314; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 1318;
Torp, Nynorsk et. ordb. 781; Fritzner, Ordb. o. d. g.
norske sprog III, 1015; Hellquist, Svensk et. ordb.³
1209; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 206. 493; Lehmann,
Gothic Et. Dict. G-151; Gamillscheg, Et. Wb. d. frz.
Spr.² 835.
Urgerm. *þarzijan- ‚trocken machen‘ entspre-
chen außerhalb des Germ.: lat. torrēre ‚dörren,
trocknen, entzünden‘, aind. tarṣáyati ‚läßt dur-
sten, schmachten‘, alb. ter ‚trockne an der Luft‘,
Verben, die von der Wz. uridg. *ters- ‚trocknen,
verdorren‘ abgeleitet sind. Die Ablautstufe des
st. Verbs got. *gaþairsan begegnet in gr. τέρσο-
μαι ‚werde trocken‘. Daß die e-Stufe im Griech.
alt ist, macht τερσῆναι ‚trocken machen, ab-
trocknen‘ (anstelle von *ταρσῆναι) wahrschein-
lich; vgl. ferner gr. τερσαίνω ‚mache trocken‘.
Arm. tՙaršami-, tՙaṙami- ‚verwelken‘ ist dagegen
ein Denominativ von *tharšam, *thaṙam ‚ver-
welkt‘ < *ts-; vgl. dazu arm. tՙaṙ ‚Stange zum
Trocknen von Trauben u. dgl.‘ (zu arm. erašt
‚Regenmangel‘, adj. ‚ohne Regen‘; → durst).
Vergleichbare Bildungen sind weiterhin air. tír
‚trocken‘, tírim ‚trockne‘; lat. terra f. ‚Erde‘,
osk. teer(úm), terúm ‚territorium‘, teras ‚terræ‘
(< *terso-, *tersā, älter *tērso-, *tērsā); air. tír
n. s-Stamm, später m. und f. ‚Erde, Land, Ge-
biet‘; akymr., korn., bret. tir ‚Land‘ (< *tersos
mit früher Entwicklung von *-ers- zu *-ēr-).
Leitet man air. tír aus einer Vorform *tēros her, wobei
der s-Stamm in lat. terrestris, terrēnus < *tēres-tri/ no-
(mit -rr- statt -ēr- nach terra) vorläge (J. Vendryes,
MSLP 13 [1905/06], 384 f.), so ergibt sich das Pro-
blem, daß die Wz. *ters- entweder aus einem s-Stamm
*ter[e]s- entwickelt wäre oder gegenüber dem Stamm
*ter-es- eine bloß verbale s-Erweiterung enthielte, was
wenig überzeugt.
Walde-Pokorny I, 737 f.; Pokorny 1078 f.; Fick I
(Idg.)⁴ 61. 444; Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. I, 525;
ders., Et. Wb. d. Altindoar. I, 635 f.; Boisacq, Dict. ét.
gr.⁴ 959; Frisk, Gr. et. Wb. 882; Chantraine, Dict. ét.
gr. 1108; Curtius, Grundzüge d. gr. Et.⁵ 224 f.; Walde-
Hofmann, Lat. et. Wb. II, 673 f. 694; Ernout-Meillet,
Dict. ét. lat.⁴ 696 f.; Vaniček, Et. Wb. der lat. Spr.
108 f.; K. F. Johansson, Zfvgl.Spr. 30 (1890), 425
Anm. 2; G. Ciardi-Dupré, BB 26 (1901), 204; Leu-
mann, Lat. Laut- und Formenlehre § 102; Hübsch-
mann, Arm. Gr. I, 442; Lidén, Arm. Stud. 45 f.; Klin-
genschmitt, Altarm. Verbum 99; Fraenkel, Lit. et. Wb.
1128; Fick II (Kelt.)⁴ 130; Vendryes, Lex. ét. de l’irl.
anc. T-74 f.; Dict. of Irish T-187; R. Thurneysen,
Zfvgl.Spr. 28 (1887), 147; W. Stokes, Zfvgl.Spr. 28
(1887), 292. — Frisks, a. a. O. Vermutung, daß gr. τέρ-
σομαι nicht unbedingt mit got. *gaþairsan gleichge-
setzt zu werden braucht, da das got. Part. Prät. auch
zu got. gaþaursnan ‚verdorren‘ gehören kann, ist un-
zutreffend, da von den Verben der 4. sw. Klasse kein
Part. Prät. gebildet wird (Braune, Got. Gr.¹⁹ § 195).
Auch Chantraine, a. a. O. kennt die Verbindung des
gr. mit dem got. Verb nicht an.