dingenAWBEWA sw. v. I, Otfrid, Notker, Bittgesang
und in Gl.: ‚hoffen, vertrauen, streben nach,
etwas erhoffen, sperare; etwas gerichtlich
durchsetzen, conducere, convenire‘; dingônAWB
sw. v. II, Otfrid, Notker und in Gl.: ‚sprechen,
(gerichtlich) verhandeln, Gericht halten, dis-
ceptare, iudicare, contionari, pacisci‘. Die frü-
hesten Belege von dingen (bei Otfrid) zeigen
eine Bedeutung, die nicht von ding im allge-
meinen, sondern von der verlangten Entschei-
dung der Gerichtshandlung ausging (vgl.
E. Karg-Gasterstädt, Sitz.ber. d. kgl. Sächs.
Akad. d. Wiss. 104, 2, 15 ff.). Die Bedeutung
‚etwas gerichtlich durchsetzen‘ kommt erst
später in den Glossen vor, wo die Endung we-
gen der Schwächung unbetonter Silben un-
deutlich geworden war und die zwei schwa-
chen Verben, dingen, dingôn, so leicht ver-
wechselt werden konnten. Mhd. gibt es noch
zwei Verben, die dingen lauten: 1. ‚denken,
hoffen, Zuversicht haben‘, auch mit ge-, und
2. ‚Gericht halten, vor Gericht verhandeln‘,
auch mit be-, er-, ge-, hinder-, ver-; nhd. din-
gen (seit dem 17. Jh. stark geworden), bedin-
gen (beides zu mhd. dingen²; dingen¹ ist aus-
gestorben).
Splett, Ahd. Wb. I, 137; Schützeichel⁴ 90; Starck-
Wells 100 f. 799 (die meisten Belege sind sowohl unter
dingen als auch unter dingôn angeführt). 840; Raven,
Schw. Verben d. Ahd. I, 28; II, 26; Lexer I, 437; Be-
necke I, 337; Dt. Wb.² IV, 1091 ff.; Kluge²² 67. 145.
Ahd. dingen hat wenige Entsprechungen in den
germanischen Sprachen: mndl., nndl. dingen
‚streben nach‘; ae. þingan ‚einreden, bestim-
men‘. Ahd. dingôn ist aber im Germ. weit ver-
breitet: as. thingōn, mndd. dingen; mndl. nndl.
dingen; afries. thingia, nostfries. dingen, nwest-
fries. tingen; ae. þingian, me. þingen; anord.
þinga, nnorw. nschwed. tinga, ndän. tinge.
Holthausen, As. Wb. 79; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. I, 1, 428 f.; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. I,
599 f.; Verdam, Mndl. handwb. 137; Verwijs-Verdam,
Mndl. wb. II, 196 ff.; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 118;
Vries, Ndls. et. wb. 118; Wb. d. ndl. taal III, 2, 2635;
Holthausen, Afries. Wb.² 111; Richthofen, Afries.
Wb. 1074; Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr.
I, 298 f.; Dijkstra, Friesch Wb. III, 286; Holthausen,
Ae. et. Wb. 366; Bosworth-Toller, AS Dict. 1061;
Stratmann-Bradley, ME Dict.³ 634; OED² XVII,
944; Vries, Anord. et. Wb.² 611; Holthausen, Vgl.
Wb. d. Awestnord. 315; Falk-Torp, Norw.-dän. et.
Wb. 1236; Torp, Nynorsk et. ordb. 787; Hellquist,
Svensk et. ordb.³ 1187.
Zur weiteren Etym. s. ding. Im folgenden wer-
den die zugehörigen Präfixverben, nach dem
Präfix geordnet, alphabetisch angeführt. Eine
Unterscheidung nach dem Basisverb dingen
oder dingôn erfolgt nicht, da sowohl von der
Lautung als auch von der Bedeutung her oftmals
nicht entschieden werden kann, zu welchem Ba-
sisverb die einzelnen Belege gehören.