diobAWB m. a-St.: ‚Dieb, Räuber, fur, latro‘
〈Var.: thiob, thiup, diub, deiob, dieb〉. — Mhd.
diep, -bes, diup, frühnhd. dieb, deub, nhd.
Dieb.
Splett, Ahd. Wb. I, 140; Schützeichel⁴ 90; Starck-
Wells 101. 800; Graff V, 97; Schade 105; Lexer I, 428;
Benecke I, 324; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 252 (fur).
320 (latro); Dt. Wb. II, 1085; Dt. Wb.² VI, 925 ff.;
Kluge²¹ 131; Kluge²² 142; Pfeifer, Et. Wb. 282.
Die germ. Entsprechungen sind: as. thiof,
mndd. dēf, dief, deif; mndl., nndl. dief; afries.
thiāf, nostfries. dēf; ae. ðēof, me. þēof, thēf,
ne. thief; anord. þjófr, in PN wie Eyþjófr,
Geirþjófr, nisl. þjófur, nnorw., ndän. tyv,
nschwed. tjuv; got. þiufs (Hs. þiubs) < urgerm.
*þeua- m.
Fick III (Germ.)⁴ 187; Holthausen, As. Wb. 78; Sehrt,
Wb. z. Hel.² 605 f.; Berr, Et. Gl. to Hel. 408 f.; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 403; Schiller-Lüb-
ben, Mndd. Wb. I, 512; Verdam, Mndl. handwb. 134;
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 115; Vries, Ndls. et. wb.
115; Holthausen, Afries. Wb.² 110; Richthofen, Afries.
Wb. 1071; Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr.
I, 285; Holthausen, Ae. et. Wb. 363; Stratmann-Brad-
ley, ME Dict.³ 631; Oxf. Dict. of Engl. Et. 916; OED²
XVII, 934; Vries, Anord. et. Wb.² 613. 616; Jóhan-
nesson, Isl. et. Wb. 431; Holthausen, Vgl. Wb. d.
Awestnord. 316; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 1268.
1310 f.; Torp, Nynorsk et. ordb. 792; Hellquist, Svensk
et. ordb.³ 1195; Naumann, Anord. Namenstudien 110;
Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 497; Lehmann, Gothic Et.
Dict. þ-43; H. H. Munske, Der germ. Rechtswortschatz
im Bereich der Missetaten I: Die Terminologie der älte-
ren wgerm. Rechtsquellen (Berlin/New York, 1973),
262 f.
Sichere außergerm. Anschlüsse fehlen. Am
überzeugendsten ist noch der Anschluß an lit.
tpti (tupiù, tūpiau) ‚sich niederkauern, sich in
die Knie setzen‘, tupti (tupiù) ‚hocken, kauern,
in den Knien sitzen‘, lett. tupt, tupju/ tupstu/
tūpu ‚hocken, kauern‘ und ferner möglicherwei-
se an das nur Ilias 24, 163 belegte Adv. gr. ἐν-
τυπάς (von Priamus), sofern die im Hinblick auf
lit. tpti vorgenommene Bedeutungsbestimmung
‚hockend‘ zutreffend ist und nicht die Bedeu-
tung ‚fest eingeschlagen‘, d. h. so daß sich die
Umrisse der Glieder und des Hauptes im Ge-
wand ausdrücken (zu gr. τύπτω ‚schlage‘), wie
sie die Scholien nahelegen, vorliegt. Die Erklä-
rungsversuche bei Hesych zeigen, daß die Be-
deutung sowohl von ἐντυπάς als auch von der
Ableitung ἐντυπαδία in der Antike strittig war.
Fraglich ist die Zugehörigkeit auch von air. téol
‚Dieb‘, das zwar auf ein *teu̯plo- zurückgeführt
werden kann (Wh. Stokes, IF 12 [1901], 192 f.;
ders., Zfvgl. Spr. 40 [1905—06], 246; danach
C. C. Uhlenbeck, PBB 30 [1905], 315), aber
sich eher zu air. tlena- ‚wegnehmen, stehlen‘
stellt (Pedersen, Vgl. Gr. d. kelt. Spr. II, 649:
air. téol < *tetlu-). Die sich sicher aus dem Balt.
ergebende Wz. *teu̯p- ‚sich niederkauern, hok-
ken‘ begegnet im Germ. auch sonst, und zwar in
ahd. dofta ‚Ruderbank‘ (s. d.) und in dem aus
dem Nd. stammenden Wort nhd. Ducht f. ‚dss.‘
(< urgerm. *þuftōn-), eigentlich ‚Bank, auf der
man hockt‘. Ist das Wort Dieb zugehörig, ist
eine germ. Wz. *þeuf- (zu Ableitungen mit der
Fortsetzung von *f s. diuba; zu *-- s. u.) in der
Bedeutung ‚kauern (um sich zu verbergen)‘ zu
postulieren, die sich über ‚verstohlen handeln‘
(vgl. got. adv. þiubo ‚heimlich‘ als Gegensatz-
bildung zu got. andaugiba ‚offen‘) beim Subst.
zu ‚der heimlich etwas wegnimmt‘ entwickelt
hat; vgl. air. táid, aind. (s)tāyú- ‚Dieb‘ (zu aksl.
tajiti, tajǫ ‚κρύπτω‘, taji ‚heimlich‘, aind. stāyáti
‚ist verstohlen‘). Die Vorform vorurgerm. *teu̯-
pó- mit Akzent auf dem Suffix erklärt sich wohl
dadurch, daß neben einem Nomen agentis vor-
urgerm. *téu̯po- ein Adj. *teu̯pó- bestand, das
wiederum substantiviert werden konnte; zur un-
terschiedlichen Betonung von Adjektiven und
Substantiven im Idg. vgl. gr. λεύκη ‚weißer Aus-
schlag‘ gegenüber λευκός ‚hell, klar, weiß‘; aind.
kṣṇā ‚die Schwarze‘ gegenüber kṣṇá- ‚schwarz‘
(Lühr, Expressivität 319).
Urbalt. *ū deutet nicht unbedingt auf eine Wz. *teu̯ǝp-
[**teu̯Hp-]; wie im Germ. kann auch im Balt. *ū ana-
logisch entstanden sein (s. Stang, Vgl. Gr. d. balt. Spr.
121 ff.; zum Germ. s. Lühr, a. a. O. 257).
Walde-Pokorny I, 714; Pokorny 1085; Boisacq, Dict.
ét. gr.⁴ 259. 994 f.; Frisk, Gr. et. Wb. II, 525. 949 f.;
Chantraine, Dict. ét. gr. 1147 f.; Schwyzer, Gr. Gram.²
631 (zu den seltenen Adverbien auf -ας); Fraenkel,
Lit. et. Wb. 1141 f. 1067; Mühlenbach-Endzelin,
Lett.-dt. Wb. IV, 267; Vendryes, Lex. ét. de l’irl. anc.
T-7. 52. 78 f; Dict. of Irish T-149; C. C. Uhlenbeck,
PBB 27 (1902), 133; Buck, Dict. of Sel. Syn. 790 f.;
K. Matzel, PBB 97 (Tübingen, 1975), 114; P. Scardi-
gli-T. Gervasi, Avviamento all’etimologia Inglese e Te-
desca (Firenze, 1978), 297. A. Senn, JEGP 32 (1933),
512 stellt auch lit. taupýti (-paũ, -piaũ) ‚schonen,
knappen, sparen, sich in acht nehmen‘, taupùs ‚spar-
sam‘ zu der Wz. *teu̯p- ‚sich ducken‘.
Semantisch wenig einleuchtend ist L. Meyers (Gött.
Gel. Nachrichten [1906], 185) Verbindung mit gr. τυ-
φλός ‚blind, dunkel, verstopft‘, das viel eher als mit
dem Wort Dieb (‚Dieb‘ als ‚der nicht Gesehene‘) unter
einer Grundbedeutung ‚nebelig, umnebelt, vom Geist
und den Sinnen‘ mit ahd. toub ‚taub, stumpfsinnig,
unsinnig‘ (s. d.) zu verbinden ist. Ferner überzeugen
nicht Grienbergers (Unters. z. got. Wortkunde 215)
Anschluß an gr. τύπτω ‚schlage‘ und Ch. Bartholomaes
(IF 9 [1898], 270) Hinweis auf altav. tǝuuiš, das nicht
‚Diebstahl‘, sondern ‚Rohheit, Gewalttätigkeit‘ (Bar-
tholomae, Airan. Wb. 649) bedeutet und dessen Wz.
so nicht als unerweiterte Variante von *teu̯p- ‚stehlen‘
betrachtet werden kann. F. Kauffmann, Dt. Altertums-
kunde I (München, 1913), 66 f. Anm. 5 (Vries, Ndls.
et. wb. 115) lehnt den Zusammenhang mit lit. tpti ab
und betrachtet das Wort Dieb als vor-idg. Substrat-
wort, was aber in Anbetracht der germ. Lautstruktur
des Wortes unwahrscheinlich ist (R. Much, ZfdA. 37
[1915], 74; s. auch G. Neumann, Substrate im Germa-
nischen? Nachr. v. d. Ges. d. Wiss. zu Gött. 4 [1971],
83).