diochoAWB m. n-St., nur in zwei bair.-alem.
Gl.-Hss. aus dem 11. Jh. (Paris Nouv. acquis.
lat. 241, Clm 14395) 2, 466, 43 diochun (dioc
auf Rasur in einer Hs.): Catamitum, puerum,
kislafun; 2, 469, 65 diochint: Attin ‚Schlafge-
nosse, catamitus, attis‘. Da diochun die lectio
difficilior ist, ist anzunehmen, daß diochint mit
chint ‚puer‘ im Hinterglied eine Umdeutung
von diochun ist (Steinmeyer-Sievers, Ahd. Gl.
2, 469, 65 Anm. 16).
Splett, Ahd. Wb. I, 141; Starck-Wells 102; Graff V,
118; Schade 104; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 106 (cata-
mitus).
Entsprechungen für das etymologisch schwieri-
ge Wort fehlen. Von den lat. Lemmata catamitus
und attis erhält man keine Hinweise für die ety-
mologische Deutung (Attis Name eines phrygi-
schen jungen Hirten, den die Kybele liebte und
unter der Bedingung einer beständigen Keusch-
heit zu ihrem Priester machte; als er diese ver-
letzte, verfiel er in Raserei und entmannte sich
selbst; Catamitus lat. Name des Ganymed, des
Mundschenken und Lieblings des Jupiter; Geor-
ges, Ausführl. lat.-dt. Handwb. I, 693. 1028).
Der Anschluß an ahd. dioh ‚Schenkel‘ (→ dioh)
führt ebensowenig weiter wie die Verbindung
mit ahd. *dio ‚Diener‘ > ‚Knabe‘ (→ *dio), da
bei der ersten Verbindung — von den unter-
schiedlichen zugrundeliegenden Tektalen abge-
sehen (urgerm. *þeukan- : *þeuχa-; s. u.) — eine
nicht weiter stützbare Bedeutungsentwicklung
(‚der durch seine Schenkel, sein Gesäß Charak-
terisierte‘ für einen Schlafgenossen?) und beim
zweiten Anschluß eine Wortbildung wie *þewa-
+ *ka-n-Suffix angenommen werden müßte,
die *dewacho und nicht diocho ergeben hätte.
Möglich erscheint allenfalls der Anschluß an
schwäb. diechen ‚still wohin schleichen‘, sofern
für dieses Verb ein bereits ahd. sw. Verb *diu-
chen, *diochôn vorausgesetzt werden darf. Von
diesem Verb könnte ein n-Stamm diocho ‚der
heimlich [zum Beischlaf] wohin schleicht‘(?) >
‚Schlafgenosse‘ abgeleitet worden sein.
Die etymologische Deutung dieses Verbs berei-
tet allerdings Schwierigkeiten. Wollte man — da
auch sonst ein Nebeneinander von einer Wort-
sippe zugehörigen Wörtern für ‚Schenkel‘ und
‚gehen‘ begegnet (aind. jáṅghā ‚unteres Bein,
Unterschenkel‘, ahd. gangan; s. d.) — einen An-
schluß an ahd. dioh ‚Schenkel‘ vornehmen, so
wäre zu postulieren, daß bei der Verbalablei-
tung der auslautende Reibelaut χ in den Inlaut
nach Vokal übernommen wurde; vgl. das Dimi-
nutiv mhd. diechel ‚kleiner Oberschenkel‘ von
diech (die Annahme einer westgerm. Konsonan-
tengemination kommt im Falle von *h nach Di-
phthong nicht in Frage), ferner Schreibungen
wie ahd. tuerchun zu dwer ‚schräg‘ (s. d.;
Schatz, Ahd. Gr. § 245). Auffallend ist jedoch,
daß andere Verben der Bedeutung ‚schleichen‘
mit einer ähnlichen Wurzelstruktur auf einen
Wurzelvokal *ī deuten: mhd. tîchen, teich st. v.
I ‚schleichen, lauern‘, bair. deichen ‚langsam ge-
hen‘, nhd. dial. deichen ‚langsam gehen, schlei-
chen‘, erdeichen ‚erschleichen, erwischen, ertap-
pen‘ (Benecke III, 34; Dt. Wb. II, 906; III, 754;
Schmeller, Bayer. Wb.² I, 965).
Trifft die etymologische Verbindung von schwäb. die-
chen mit diech ‚Schenkel‘ zu, so kann dieses Verb nicht
zusammen mit schwäb. dogen ‚gebückt‘ von einem
st. v. mhd. *diehen hergeleitet werden (so Fischer,
Schwäb. Wb. II, 195. 247).