diuAWB f. jō-, i-St., Mons. Frag., Tatian, Ot-
frid, Notker und in Gl. (einmal bei Notker für
‚famula‘; in gotes diu für Maria bei Tatian, Ot-
frid, Notker): ‚Magd, Dienerin, ancilla‘. In
der Form thiu, diu erscheint das Wort als
Nom. (Gl. 2, 721, 29 Einsiedeln cod. 365 [220],
11. Jh.) und Akk. (Notker). Vom 11. Jh. an
tauchen im Ahd. Formen nach der jō-Deklina-
tion auf, z. B. gen. sg. diuwa, nom. pl. diuuâ,
gen.pl. diuuôn Notker. Sonst ist das Wort in
die i-Deklination übergegangen: gen. sg.
thiuui Tatian, dat. sg. thiuui, thiuwi Otfrid
(R. Kögel, PBB 9 [1884], 538; Braune, Ahd.
Gr.¹⁴ § 210 Anm. 4). — Mhd. diu, diuwe st. f.
‚Leibeigene, Dienerin, Magd‘.
Splett, Ahd. Wb. I, 139; Schützeichel⁴ 91; Starck-
Wells 103. 800. 841; Graff V, 88; Schade 105; Tatian
471; Sehrt-Legner, Notker-Wortschatz 111 f.; Mons.
Frg. 156; Otfrid (Kelle) III, 618; Otfrid (Piper) II,
523; Lexer I, 441; Benecke I, 368; E. Karg-Gaster-
städt, PBB 66 (1942), 308 ff.
Aus den übrigen germ. Sprachen gehören hier-
her: aostndfrk. thiuwa st. sw. f.; as. thiu, thiwi f.
‚Magd‘; ae. ðiowu, ðeowu f. ō-St. ‚Magd‘; ae.
ðeowe (erweitert zum sw. f.), das Motionsfem.
zu ae. ðeo(w) ‚Diener, Knecht‘; aisl. þý f. ‚Skla-
vin, Magd‘, þír f. PN, Name einer Sklavin (<
*þewīR), das Motionsfem. zu dem PN-Glied
aisl. -þér, -þír ‚Diener‘; norw. dial. ty; got. þi-
wi f. ‚Magd‘, das Motionsfem. zu *þius m.
‚Knecht‘ (vgl. got. mawi, gen. maujos ‚Mäd-
chen‘ zu magus ‚Knabe‘). Die Vorform des
Nom. ahd. diu, urgerm. *þewī, stellt ein die
Zugehörigkeit ausdrückendes Motionsfem. auf
-ī zu dem Mask. urgerm. *þewa- ‚Diener‘, ahd.
*dio dar (→ *dio adj.). Da die Bildeweise der
Motionsfem. im Germ. mit der jō-Deklination
verschmolzen ist (Krahe-Meid, Germ. Sprach-
wiss. III § 71), kommen nicht nur im Ahd.
(s. o.), sondern auch im Aostndfrk., As., Ae. und
Anord. Formen nach der jō(n)-Deklination vor:
nom. sg. aostndfrk. thiuwa, as. thiuua; ae.
northumbr. ðiua; aisl. þý (< *þiujō), gen. sg.
run. norw. þiujōR Tune 5. Jh.
Vorurgerm. *teku̯-u̯ stellt sich zu vorurgerm.
*teku̯-ó- oder *teku̯-u̯ó-. Als Ausgangspunkt für
ahd. diu erwägt K. Brugmann, IF 19 (1906),
381 daneben ein Mask. vorurgerm. *teku̯-ú-
(Walde-Pokorny I, 716; Pokorny 1059 jedoch:
*tekú-s), das — vom Akzent abgesehen — mit
aind. táku- ‚eilend, rasch, regsam‘ identisch wä-
re, und weist auf das Nebeneinander von aind.
yahv f. ‚Tochter‘ und yahú- ‚jung, jugendkräf-
tig, Sohn‘ hin. Eine Basis *teku̯-ú- ist aber für
das Germ. weniger wahrscheinlich, da im Ge-
gensatz zu dem o-Stamm bei diesem Wort im
Germ. kein u-St. fortgesetzt ist.
Sehrt, Wb. z. Hel.² 607 f.; Holthausen, Ae. et. Wb.
363; Sievers-Brunner, Ae. Gr.³ § 258 Anm. 4; OED²
XVII, 904; Vries, Anord. et. Wb.² 611. 629; Jóhan-
nesson, Isl. et. Wb. 433; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr.
499; Lehmann, Gothic Et. Dict. þ-45.
Verfehlt Lexer a. a. O.: diu usw. zu der in degan, dîhan
(s. d. d.) vorliegenden Wz.
S. auch *dio.