dorrênAWB sw. v. III, Gl., Tatian, Otfrid, Not-
ker: ‚verdorren, dürr werden, vertrocknen, er-
starren, verwelken, dörren, arefacere, desicca-
re, arescere‘. — Mhd. dorren ‚dürre werden, ver-
dorren‘, nhd. dorren; verdorren ‚dürr, trocken
werden‘ neben ‚dürr, trocken machen‘ durch
Vermischung mit verdörren (seit dem 16. Jh.).
Splett, Ahd. Wb. I, 133; Schützeichel⁴ 92; Starck-
Wells 105; Graff V, 201 f.; Schade 108; Lexer I, 454;
Benecke I, 322; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 47 (aresce-
re); Dt. Wb. II, 1301 f.; Kluge²¹ 139; Kluge²² 152;
Pfeifer, Et. Wb. 300; Wilmanns, Dt. Gr. II § 121, 2;
Raven, Schw. Verben d. Ahd. II, 209 f.; T. E. Karsten,
Neuphil. Mitt. 13 (1911), 3.
In den dt. Dialekten sind die neben dorren bezeugten
Verben elsäss., bad., schwäb., rhein., südhess. dürren,
lüneb. durr’n ‚dürr werden, verdorren‘, schleswig-
holst. durren ‚kränkeln, siechen‘ Ableitungen von
dürr. Daneben kann das transitive Verb dörren ‚trok-
ken machen‘ (→ derren) intransitiv verwendet worden
sein, wie bad., schwäb., pfälz. dörren ‚dürr werden‘
zeigen. Auch Ableitungen von dem Subst. Darre (→
darra) liegen unter Umständen in einigen Fällen vor;
vgl. die Lautformen schweiz. darren ‚dürr werden‘, ti-
rol. darrn, dâ⋅ng, dârn, darrε, gεdacht, tärren ‚dörren‘,
preuß. darren ‚an der Darre (Schwindsucht) leiden‘.
Schweiz. Id. XIII, 1019 f. 1256 ff.; Martin-Lienhart,
Wb. d. els. Mdaa. II, 707; Ochs, Bad. Wb. I, 427. 511;
Fischer, Schwäb. Wb. II, 282. 509; Schatz, Wb. d. ti-
rol. Mdaa. 126. 128 f. 132; Müller, Rhein. Wb. I,
1587; Christmann, Pfälz. Wb. II, 360; Maurer-Mulch,
Südhess. Wb. I, 1592. 1904; Kück, Lüneb. Wb. I, 394;
Mensing, Schleswig-holst. Wb. I, 920; Frischbier,
Preuß. Wb. I, 133; Ziesemer, Preuß. Wb. II, 24.
Außerhalb des Hd. sind vergleichbar: as. thor-
ron ‚verschwinden, vergehen‘, mndd. dorren
‚dürr werden, verschmachten‘; mndl. dorren,
darren, derren ‚verdorren, austrocknen‘, nndl.
(ver)dorren; nostfries. dāren, darren, dörren
‚austrocknen‘; adän. torre, südschwed. dial. tor-
ra; und ferner aisl. þorna ‚verdorren‘, nnorw.
torna (davon postverbal anord. þorn m. ‚Darr-
ofen‘, nnorw. torn ‚Einrichtung, um Malz zu
trocknen‘); got. ga-þaúrsnan ‚verdorren, ver-
trocknen, ξηραίνεσθαι‘; nnorw. dial. auch tusna.
Während ahd. dorrên auf einem Verb der 3. sw.
Kl. urgerm. *þurzējan-, einer Ableitung auf der
Grundlage von urgerm. *þurzu- ‚dürr‘, beruht,
ist im Falle von as. thorron, mndd., mndl., nndl.
dorren (adän. torre, südschwed. dial. torra) —
wie in den nordseegerm. Sprachen häufig —
Übertritt in die 2. sw. Kl. erfolgt (s. Lühr, Stud.
z. Hildebrandlied 604; Karsten, ê-Verba im
Germ. 244. 250; H. M. Flasdieck, Anglia 59
[1935], 136. 152).
Auf Vermengung mit der Kontinuante des Kausativs
urgerm. *þarzijan- (→ derren) könnten die Varianten
mndl. darren, derren (Kiliaan derren, darren, daren
‚arefieri‘) ‚verdorren, austrocknen‘, nostfries. dāren
‚darren, dörren, austrocknen‘ deuten. Doch wird im
Mndl. o vor rr zu a, weiterhin kann aus a vor rr ein e
hervorgehen (→ dorf und Franck, Mndl. Gr. § 47. 65).
Möglicherweise handelt es sich aber auch um Ablei-
tungen von dem Subst. darre ‚Darre‘; vgl. mndd. dā-
ren, dēren, dergen ‚dörren, darren‘.
Gegenüber ahd. dorrên und as. thorron gehen
aisl. þorna und got. ga-þaúrsnan, nnorw. dial.
tusna auf ein Verb der 4. sw. Kl., also auf ein
*þurznōn- bzw. *þursnōn- zurück, ablautende
primäre Varianten zu dem Kausativ urgerm.
*þarzijan- (→ derren) und zu got. ga-þairsan
‚verdorren‘ < uridg. *ters- ‚trocknen, verdor-
ren‘.
Nach Torp, Nynorsk et. ordb. 797 und Vries, Anord.
et. Wb.² 617 sind die Vorformen von aisl. þorna und
nnorw. torre m. ‚Durst‘ zu einem verlorenen Part.
*þorrinn (vgl. got. gaþaursana) gebildet. Da aber das
Verb der 4. sw. Kl. got. ga-þaursnan in Ablautstufe
und n-Suffix entspricht und allein das Anord. und das
Got. die 4. sw. Kl. bewahrt haben, ist aisl. þorna — von
dem stimmhaften z der Vorform abgesehen — eine mit
dem got. Verb identische Bildung.
Fick III (Germ.)⁴ 183; Holthausen, As. Wb. 79; Sehrt,
Wb. z. Hel.² 614; Berr, Et. Gl. to Hel. 411; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 399. 458; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. I, 553; Verdam, Mndl. handwb.
129. 133. 149; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 127; Vries,
Ndls. et. wb. 128; Doornkaat Koolman, Wb. d. ost-
fries. Spr. I, 281; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 445; Holt-
hausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 317; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 1318; Fritzner, Ordb. o. d. g. nors-
ke sprog III, 1033; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 1209;
Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 206; Lehmann, Gothic Et.
Dict. G-70. þ-25; Kieckers, Handb. d. vgl. got. Gr.
§ 156; Sundén, Erdmann (A.)-Festschrift 305.