drôskaAWB f. n- (oder ō-)St., nur in Gl. vom
9./10. Jh. an: ‚Drossel, turdus, turdella‘; drô-
skalaAWB f. ō(n)-St. ‚Drossel, Amsel, Feigenfres-
ser, turdela, merula, ficedula‘ 〈Var.: th-, -u-,
-sch-, -sg-, -ila, -ela〉. — Mhd. drôschel, dro-
schel, drostel, trostel ‚Drossel‘, nhd. Drossel.
Splett, Ahd. Wb. I, 153; Starck-Wells 108. 801. 841;
Graff V, 265; Schade 112; Lexer I, 468; Benecke I,
399; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 602 (turdella); Dt.
Wb. II, 1435; Dt. Wb.² VI, 1421 f.; Kluge²¹ 144; Klu-
ge²² 157 f.; Pfeifer, Et. Wb. 310 f.
Das Wort erscheint in den nhd. Dialekten als: schweiz.
tröschlen; els. drostle, drostel, drusel, drotschel; bad.
drossel, drouš(d)l, drošl; schwäb. droštlǝ; vorarlberg.
troššlǝ, troštlǝ; bair. drōschel; tirol. drostl, droastl,
troaschl; steir. dröschling; lothr., rhein. droschel; pfälz.
druschdel; nassau. dru(n)schel, dröuschel; oberhess.,
südhess. droschel, drouschel; thür. drósdel; schles. dros-
sel; westfäl. dråssel; lüneburg. droußl.
Schweiz. Id. XIV, 1369 ff.; Martin-Lienhart, Wb. d.
els. Mdaa. II, 766; Ochs, Bad. Wb. I, 569; Fischer,
Schwäb. Wb. II, 405 f.; Jutz, Vorarlberg. Wb. I, 625 f.;
Schmeller, Bayer. Wb.² I, 570; Schöpf, Tirol. Id. 91 f.;
Schatz, Wb. d. tirol. Mdaa. 136; Unger-Khull, Steir.
Wortschatz 175; Follmann, Wb. d. dt.-lothr. Mdaa.
106; Müller, Rhein. Wb. I, 1506 f.; Christmann, Pfälz.
Wb. II, 547; Kehrein, Volksspr. u. Wb. von Nassau
118; Maurer-Mulch, Südhess. Wb. I, 1761; Crecelius,
Oberhess. Wb. 302; Hertel, Thür. Spr.schatz 85; Mitz-
ka, Schles. Wb. I, 214; Woeste, Wb. d. westf. Mda. 57.
59; Kück, Lüneb. Wb. I, 375.
Zu ahd. drôska < *þrauskōn- stellen sich: ae.
ðrǣsce sw. f. < *þrausk(i)jōn-, ae. ðrȳsce, später
ðryssce sw. f. < *þrūsk(i)jōn-, ne. thrush (mit u
aus y wie auch sonst gelegentlich); und ein Di-
minutiva bildendes l-Suffix wie in ahd. drôskala
< *þrauskalō(n) und ne. dial. thrushel (Diminu-
tiv zu ne. thrush), aber eine Vorform *þrusta-
lō(n)- mit *-st- findet sich in ae. ðrostle, me.
þrostle, þrustle, ne. throstle. Ein l-Suffix er-
scheint auch in as. thrōsla f. ‚Drossel‘, mndd.
drōsle, drōssel(e) f. (> ndän. drossel), westfäl.
dråssl, meckl. draussel, nndd. drausele; mndl.
drossel, droossel m., wobei für as. thrōsla, west-
fäl. dråssl, meckl. draussel, nndd. drausele ent-
weder eine Ableitung von der Wz. *þrem-
‚springen‘ und so eine Vorform *þramstala-
oder — wahrscheinlicher — Kontamination von
*þrustalō(n-) und *amslōn- > nordseegerm.
*ōslōn- (ae. ōsle; ahd. amsla ‚Amsel‘; s. d.) erwo-
gen wird. Wieder anders gebildet sind: aisl.
þrǫstr m. ‚Drossel‘, nisl. þröstur, nnorw. trost,
trast, ndän. trost, nschwed. trast < *þrastu-.
Für den Wechsel *sk/ st in den Lautfolgen
*-skō(n-) (ahd. drôska) bzw. *-stalō(n-) (ae.
ðrostle) / *-stu- (aisl. þrǫstr) könnte man wegen
des dentalen Anlauts *þr- eine erst im Germ.
eingetretene Dissimilation von *st zu *sk erwä-
gen. Da jedoch das Wort ‚Drossel‘ in den idg.
Sprachen auch sonst ein Nebeneinander von *s
+ Tektal bzw. Dental im Wurzelauslaut auf-
weist, ist die Dissimilation möglicherweise be-
reits in der Vorstufe des Germ. erfolgt (s. u.).
Fick III (Germ.)⁴ 192; Holthausen, As. Wb. 79;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 486; Verdam,
Mndl. handwb. 154; Holthausen, Ae. et. Wb. 368.
370 f.; Bosworth-Toller, AS Dict. 1065. 1072. 1074;
Suppl. 730; Stratmann-Bradley, ME Dict.³ 638; Oxf.
Dict. of Engl. Et. 920 f.; OED² XVIII, 8 (throstle). 26
(thrush¹); Vries, Anord. et. Wb.² 625 (doch unrichtig:
ahd. drosca < *trozgos); Jóhannesson, Isl. et. Wb.
462; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 321; Falk-
Torp, Norw.-dän. et. Wb. 1184. 1288; Torp, Nynorsk
et. ordb. 801; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 1216 f.;
Hoops Reallex. I, 491; Suolahti, Dt. Vogelnamen 51 ff.
— F. Holthausen, Zfvgl.Spr. 71 (1953—54), 50 f. postu-
liert für die germ. Wörter für ‚Drossel‘ wenig plausibel
einen Ablaut *a : ā : ō neben * : au.
Die Vorform des Wortes ‚Drossel‘ ist von einer
Nachahmung des Vogelrufs, *(s)tzd-, herleit-
bar, einer Lautung, die sekundär in das Ablaut-
system eingepaßt und bei der *-d wegen der an-
lautenden Dentalverbindung zu *-g/ k dissimi-
liert worden sein kann. Denkbar ist aber auch,
daß der Vogelruf voreinzelsprachlich oder ein-
zelsprachlich immer wieder neu zur Bezeich-
nung des Vogels verwendet wurde und keine ge-
meinsame Vorform vorliegt.
Versucht man, die unterschiedlichen Lautungen
aus den idg. Sprachen aufeinander zu beziehen,
so ergeben sich im wesentlichen die Vorformen
*tzdo-, *(s)torzdo-, *trozd-o/ i-: lat. turdus, -ī
m. ‚Drossel, Krammetsvogel; ein Fisch‘ (<
*tzdo- mit dialektalem ur anstelle von or? mit
lautgesetzlicher Entwicklung? oder mit Umbil-
dung von *trozdos nach sturnus ‚Star‘ zu *torz-
dos?), turdēla, -ae f. ‚Drossel‘ (mit Diminutiv-
suffix wie in ahd. drôskala), neben aus dem Ahd.
entlehnten vulg.lat. drosca, -ae f. ‚ein Singvogel‘;
mir. truid, druit f. (gen. truidi), nir. truid, druid
‚Star‘ (< *trozdi-) (aus dem Ir. entlehnt:
mkymr. trydw, drydw [drudw mit Umgestal-
tung nach drud ‚toll‘], bret. dred, tred [alter
pl.], akorn. troet m., nkorn. tros, mkorn. trozan
f.); daneben abret. tra(s)cl, mbret. drasgl, nbret.
drask(l) m., nkymr. tresglen ‚Drossel‘ (< *tro-
sklo-); russ. drozd, gen. drozdá (< *drozdo- <
*trozdo- mit Vorwegnahme der für den Inlaut
erforderten Artikulationsart in den Anlaut im
Slav.?); apreuß. tresde (< *trazdē-? oder als
‚Plapperer‘ zu lett. tresêt ‚sprechen‘?); mit n-Er-
weiterung bulg. drózen, ält. tschech. droz(e)n
(< *drozdьnъ); daneben mbulg. drozgъ, serbo-
kroat. drôzak, drôzga, sloven. drôzg (<
*drozg-); und ferner mit der Fortsetzung einer
Lautung sk- sloven. dȓšč ‚Krammetsvogel‘ (<
*drъsk- oder *dьrsk-), Lautformen, die aller-
dings nach sloven. dskati ‚schnarren‘ umgebil-
det sein können. Bildungen mit s-mobile sind:
lit. strãzdas ‚Drossel, turdus‘, lett. strazds ‚Dros-
sel, Amsel‘ (aus dem Balt.: finn. rastas ‚Drossel‘
mit -st- für balt. -zd-, wotjak. rasas, estn. rǟ-
stas), russ. strozd ‚Amsel‘ (< *strozdo-).
Die germ. Lautungen mit *au und *u wurden
auf den Einfluß einer Schallsippe mit *u, wie in
gr. τρύζω ‚girre‘, τρῡγών ‚Turteltaube‘, poln.
trukać ‚dss.‘ zurückgeführt. Geht man aber zu-
nächst allein von *tzdo- und der in das Ablaut-
system eingepaßten Lautung *(s)torzdo- aus, so
sind die germ. u-Lautungen von *tzdo- >
*þrusta- herleitbar, wozu als neue Vollstufe ein
*þrausta- und dazu wiederum als neue
Schwundstufe ein *þrūsta- gebildet werden
konnten.
Eine mit urgerm. *þrausta- im Ablaut übereinstim-
mende Bildung sieht man in gr. στροῦθος, στρουθός
m.f. ‚Sperling, kleiner Vogel überhaupt; Strauß‘ (auch
Name eines Plattfisches); vgl. in vorurgerm. Lautbild
umgesetztes *trou̯zdā(n-) mit Dissimilation > *trou̯z-
gā(n-) (ahd. drôsca) und *trozdu- (aisl. þrǫstr). Doch
sind die gr. Wörter wegen -θ- allenfalls von einer Vor-
form *strou̯zdho- (zu -θ- vgl. gr. ὄρνῑ-θ-) mit Dissimi-
lation von *σ herzuleiten (vgl. gr. μισθός ‚Lohn, Sold‘
< *mizdho-), wobei die zdh-Verbindung im West-
germ. *rd (> ahd. rt) ergeben hätte (ae. meord ‚Beloh-
nung, Bezahlung‘; → mieta); vgl. ahd. ort ‚Spitze‘
(< *ud-z-dh-o- [**ud-z-dhH₁-o-] ‚emporgerichtet‘
(Lühr, Stud. z. Hildebrandlied 595 Anm. 2).
Walde-Pokorny I, 761 f.; Pokorny 1096; Fick I (Idg.)⁴
449; Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. I, 486 (nur einmal
Atharva-Veda aind. tardá- wahrscheinlich ‚ein be-
stimmtes Insekt‘ und so zu aind. tṇátti ‚spaltet,
durchbohrt‘, nach anderen jedoch ‚ein Vogel‘ und so
zu lat. turdus); ders., Et. Wb. d. Altindoar. I, 633 f.;
Boisacq, Dict. ét. gr.⁴ 920; Frisk, Gr. et. Wb. II, 811;
Chantraine, Dict. ét. gr. 1065; F. Solmsen, IF 13
(1920—23), 138 f. wie bereits A. Bezzenberger, BB 4
(1878), 346: Verbindung von ahd. drôsca und gr.
στροῦθος, στρουθός als Bildungen mit k- bzw. dh-Suf-
fix (doch s. o.); Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. I, 374;
II, 718; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 708; Berneker,
Slav. et. Wb. 227 f.; Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 327;
Miklosich, Et. Wb. d. slav. Spr. 57; Vasmer, Russ. et.
Wb. I, 372; F. Solmsen, Zfvgl.Spr. 37 (1904), 579;
Fraenkel, Lit. et. Wb. 920; Mühlenbach-Endzelin,
Lett.-dt. Wb. III, 1083; IV, 231 f.; V. Thomsen, Berö-
ringer mellem de finske og de baltiske (litauisk-lettiske)
Sprog (Kopenhagen, 1890), 220; E. Niemen, Finn.-
Ugr. Forsch. 22 (1934), 28; Trautmann, Apreuß.
Spr.denkm. 450; Fick II (Kelt.)⁴ 139; Vendryes, Lex.
ét. de l’irl. anc. T-155; Dict. of Irish D-414; T-328;
Dict. of Welsh 1087. 1092; Ernault, Gl. moyen-breton
196; Fleuriot, Dict. des gl. en vieux breton 323; Peder-
sen, Vgl. Gr. d. kelt. Spr. I, 113 (unrichtig: *-dd[h]- >
kymr. -d usw.). 385; J. Scheftelowitz, IF 33 (1913—
14), 156.
Suolahtis, a. a. O. 52 f. Annahme, daß die balt.-slav.
Wörter aus dem Germ. entlehnt seien (ebenso A. Wal-
de, Zfvgl.Spr. 34 [1897], 516), ist unwahrscheinlich. —
Auch J. Scheftelowitz, a. a. O. 162 f. bringt ahd. drôska
unmittelbar mit gr. στροῦθος in Verbindung (s. o.). An
eine onomatopoetische Wz. *strou̯- sei im Germ. ein
sk-Suffix getreten. Ahd. drôska ist aber von ae. ðrostle,
aisl. þrǫstr sicher nicht zu trennen. — Nicht mit einer
Dissimilation von *st zu *sk in den germ. Wörtern,
sondern mit Reimwortbildungen rechnet H. Güntert,
Über Reimwortbildungen im Arischen und Altgriech.
(Heidelberg, 1914), 195 (J. de Vries, PBB 80 [1958],
14: Die Lautvarianten beim Wort ‚Drossel‘ seien eher
auf die affektive Einstellung zu diesen Vögeln zurück-
zuführen). Dagegen nimmt Seebold (Kluge²², a. a. O.)
eine „sk-Erweiterung“ an. Zu westidg. *tr(o)zdo-
‚Drossel‘, das mit *storen- ‚Star‘ verwandt sei, gehöre
außerdem die Lautung *ter- zur Bezeichnung von
Hühnervögeln, Tauben u. ä. Zugrunde liege eine
Schallwz. *ter-, die die regelmäßigen, nicht melodi-
schen Laute dieser Vögel bezeichne: *storen- ‚Star‘,
eigtl. ‚Schmatzer‘ und *tr(o)z-d- als Ableitung „von ei-
nem s-Stamm **teros- ‚das Gackern, Schmatzen
usw.‘“ mit *d zu *dō- ‚geben‘, also ‚Schmatzlaut-Ge-
ber‘, ‚Drossel‘, insgesamt wenig überzeugende Speku-
lationen, wie auch Spechts, Ursprung d. idg. Dekl. 49
Verbindung dieser Wörter unter einer gemeinsamen
Wz. „*(s)ter-, die durch e/ o-, u- oder n-Stamm er-
weitert und dazu durch das Suffix s vermehrt“ sei.
Ebenso spekulativ ist E. P. Hamps (in Papers from the
Parasession on the Lexicon. Hrsg. v. D. Farkas/W.
M. Jacobsen/K. W. Todrys [Chicago, 1978], 187 f.;
ders., Zfvgl.Spr. 95 [1981], 81) Rückführung der An-
lautvariation (auch nkymr. drudw ‚Star‘) auf ein Wur-
zelnomen *(z)drozdh- (mit Berücksichtigung von alb.
tordik ‚Drossel‘). Zustimmend Seebold (Kluge²²,
a. a. O.): „In der Tat könnte mit *s-der-en ‚Star‘ neben
*s-dr-os/z-d(h)- auszukommen sein.“ Unhaltbar ist
auch F. Bechtels, BB 10 (1886), 286 f. Verbindung des
germ. Wortes ‚Drossel‘ mit griech. τρίζω, perf. (mit
Präsensbedeutung) τέτρīγα ‚schwirre, knirsche, knar-
re‘ (< *τρισγ-); vgl. toch. A trisk- ‚dröhnen‘.