drawa f. ō-, n-St., nur Otfrid (thrauua),
Gl. 1, 297, 17 (Paris Lat. 2685 mfrk., 9. Jh.);
2, 242, 35 (Karlsruhe St. Peter perg. 87 frk.,
11. Jh.): ‚Drohung, minae‘; drewa, drouwa f.
jō-, jōn-St., Gl. 2, 145, 68 (Frankfurt Ms.
Barth. 64 [Ausst. 17] dreuuom: ofrk., 9. Jh.;
487, 66 (St. Gallen 134 dreuuva: alem., 10. Jh.),
Bened.regel (drouua), Notker (dróuua): ‚Dro-
hung‘ (drouwūn tuon ‚drohen‘) 〈Var.: t-〉; drôa
f. ō-, n-St., Gl. 1, 695, 22; 2, 401, 46. 420, 30.
50. 618, 13. 741, 12; 4, 220, 40 〈Var.: t- Notker,
Ps.gl.〉: ‚Drohung, Tadel, minae, animadver-
sio‘, auch ‚Last?, Leid?, onus?‘ (s. u.). — Mhd.
drouwe, drô, dreuwe st.f. ‚Drohung‘, ält. nhd.
16./18. Jh. drohe, dräue, nhd. dial. 20. Jh. dro-
he.
Ahd. drôa, mhd. drô, ält. nhd. drohe (mit Deh-
nungs-h zuerst im 16. Jh.) sind Kontraktions-
formen zu ahd. drawa, mhd. drouwe mit Kon-
traktion von aw > ō; vgl. frô neben frao (s. d.),
wobei ält. nhd. drohe durch Drohung, eine Ab-
leitung von dem Verb drohen, ersetzt worden
ist. Die Lautform ahd. drouwa deutet zusam-
men mit mndd. drouw(e) (s. u.) möglicherweise
auf einen neben dem ō(n)-Stamm stehenden
jō(n)-Stamm (< westgerm. *þrawwjō[n-] <
*þrawjō[n]-), in dem die aus *aww entstandene
Lautfolge *auw > *ouw nicht umgelautet wird.
Doch kann -ouw- im Ahd. ebenso wie die e-
Lautung -ew- durch Anlehnung an das Verb
ahd., mhd. drouwen, drewen ‚drohen‘, nhd.
veraltet dräuen (→ drewen) zustande gekommen
sein. Wegen der Bedeutungen ‚Last, Leid, onus‘
braucht für die Schreibung droa (= drôwa)
nicht unbedingt eine Vorform *þrōwō (so Dt.
Wb.² VI, 1413) angenommen zu werden, denn
die Bedeutung ‚Leid‘ findet sich auch bei der as.
Entsprechung (s. u.); zur Kontraktion von ō <
aw s. o. Da jedoch im Ahd. ein ō-stufiges Verb
in druoên ‚leiden‘ (s. d.) vorhanden ist, ist der
Ansatz eines neben ahd. drawa stehenden Subst.
druoa (> droa mit Schreibung o für uo) wohl
doch nicht ganz auszuschließen (→ druoa). An-
ders zu beurteilen ist Gl. 2, 585, 25 thrégon ‚mi-
nis‘ (→ drewen).
Splett, Ahd. Wb. I, 148; Schützeichel⁴ 92; Starck-
Wells 106. 800; Graff V, 246 f.; Schade 112; Lexer I,
469; Benecke I, 399; Dt. Wb. II, 1342; Dt. Wb.² VI,
a. a. O.; Braune, Ahd. Gr.¹⁴ § 45 Anm. 3. 114. 208
Anm. 5.
Ahd. drawa entsprechen: as. thrā- in thrāwerk
st.n. ‚Leid, Pein‘ (ae. ðrēaweorc) mit Schwund
von -w und Ersatzdehnung, mndd. drawe (>
lett. drāva, drāve ‚Rüge, Drohung‘); ae. ðrēa
(mit -ēa- < *-a + u < *-awu), ðrawu (mit Re-
stitution von -w- nach den Casus obliqui)
m. f. n. ‚Drohung, Tadel, Züchtigung; Unglück‘,
me. um 1200 þrowe (mit Umbildung nach ae.
ðrōwian ‚dulden, erleiden, büßen‘; → druoen),
northumbr. þraw(e), ne. dial. thraw; aisl. þrá f.
‚Sehnsucht, Verlangen‘ (líkþrá ‚Aussatz‘,
aschwed. līkthrāsōtt; → druoên), nisl. þrá,
nnorw. traa, ndän. trå, nschwed. dial. tråe, åtrå,
ndän. attrå ‚Verlangen, Begierde‘ (< *at-traa
oder *aatraa mit der Fortsetzung von at ‚bei,
zu, gegen, nach‘ bzw. anord. á ‚an, in, auf‘ im
Vorderglied; → az, ana) (aus dem Nordgerm.:
me. þrā, þrō, ne. throe ‚Schmerz‘ oder vom A-
nord. unabhängig und Beeinflussung durch woe
‚Weh‘?): < urgerm. *þraw-a/ ō(n)-. Demgegen-
über hat der jōn-St.(?) ahd. drouwa keine Ent-
sprechung. Die Bedeutungen ‚Drohung‘ und
‚Leid‘, ‚Verlangen‘ sind über ‚Bedrückung‘ im
aktivischen und passivischen Sinn vermittelbar.
Fick, III (Germ.)⁴ 193; Holthausen, As. Wb. 79;
Sehrt, Wb. z. Hel.² 614; Holthausen, As. El.buch
§ 167, Anm. 1; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1,
487; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. I, 585 f.; Holthau-
sen, Ae. et. Wb. 368; Bosworth-Toller, AS Dict. 1066;
Suppl. 730; Stratmann-Bradley, ME Dict.³ 636;
OED² XVIII, 4; Oxf. Dict. of Engl. Et. 920; Sievers-
Brunner, Ae. Gr.³ § 128; Björkman, Scand. Loanwords
106; Vries, Anord. et. Wb.² 618 f.; Jóhannesson, Isl. et.
Wb. 441; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 318;
Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 36. 1276 f.; Ordb. o. d.
danske sprog I, 945 f.; XXIV, 301 f.; Torp, Nynorsk et.
ordb. 802; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 1230. 1428.
Aisl. þrá n. ‚Trotz, Widerspenstigkeit‘ ist von þrá
‚Sehnsucht, Verlangen‘ zu trennen und zu aisl. þrár
adj. ‚hartnäckig, ausdauernd; Zwergenname‘, nisl.
þrár, nnorw. traa ‚störrisch, ausdauernd‘, nschwed.
dial. trå, ält. ndän. traa ‚ausdauernd, rechthaberisch‘
(< urgerm. *þranχa-) zu stellen (anders Walde-Po-
korny I, 731; Pokorny 1073; Holthausen, Vgl. Wb. d.
Awestnord. 318). Es handelt sich um eine ablautende
Form zu got. þreihan, aisl. þryngva, þryngja, ahd.
dringan ‚drängen‘ (s. d.) (Falk-Torp, a. a. O. 1276 f.;
Vries, Anord. et. Wb.² 619).
Da das Subst. *þraw-a/ ō(n-) eine weitere Ver-
breitung als das Verb *þraw-jan/ ō(ja)n- ‚dro-
hen‘ (→ drewen) hat, bildet das Subst. die Basis
für das Verb (Krahe-Meid, Germ. Sprachwiss.
III § 185bγ). Außerhalb des Germ. schließen
sich an: gr. τρω ‚reibe auf, erschöpfe‘ (<
*trūi̯ō) (Hesych τερύσκετο ⋅ ἐτείρετο, τρύσκει ⋅
τρύχει, ξηραίνει); aksl. tryjǫ, tryti ‚terere‘ (<
*trūi̯ō), trovǫ, truti ‚verbrauche, ἀναλίσκω‘
(zur Bildeweise s. Ch. Koch, Das morph. System
des aksl. Verbums [München, 1990] I, 383; II,
694 f.); ablautend Kausativ aksl. traviti ‚verzeh-
ren, σιτεῖσθαι‘, russ. travít’ ‚vernichten, hetzen,
jagen, verdauen‘ (< *treu̯ō: *trōu̯ei̯ō); lit. trun-
ti (-niù, prät. -njau) ‚faulen, modern, verwe-
sen‘, lett. trunêt, (-u, -ẽju) ‚verwittern, modern,
faul werden (von Bäumen)‘, eigtl. ‚aufgerieben
werden‘; abret. toreusit ‚attrivit‘ (< *torōu̯-; s.
Fleuriot, Dict. des gl. en vieux breton 316);
mbret. tarauat ‚reiben‘.
Die zugrunde liegende Wz. *treu̯(ǝ)- [**treu̯-
(H)-]/*teru- [**ter(H₃)u-] ist eine u-Erweite-
rung der Wz. *terǝ- [**terH₃-] ‚aufreiben‘; zu
**H₃ vgl. gr. τιτρώσκω ‚verwunde‘ (M. Peters, in
Lautgeschichte und Etymologie 329 Anm. 4);
hierher möglicherweise auch aind. táruṇa-
‚jung, zart, frisch‘, av. tauruna- ‚jung‘, m. ‚Kna-
be‘ (< *téru-no-); gr. Hesych τέρυ ⋅ ἀσθενές,
λεπτόν. Sofern ein Zusammenhang mit der in
ahd. drâen vorliegenden Wz. *trē- [**treH₁-],
die allerdings **H₁ aufweist (→ drâen), besteht,
hat eine Bedeutungsentwicklung von ‚drehend
reiben, quetschen‘ zu ‚bedrängen, drohen‘ und
‚aufgerieben werden‘ stattgefunden; vgl. die
Grundbedeutung ‚aufgerieben‘ der von der Wz.
*terǝ- [**terH₃-] bzw. *trei̯ǝ- [**trei̯H-] ‚rei-
ben‘ abgeleiteten Wörter aind. turá- ‚krank,
wund‘ < *tṝ-ó- [**tṛH₃-ó-] bzw. mir. trēith
‚schwach‘.
Ob ae. geðrȳn ‚drücken, binden‘, geðrūen ‚geschmie-
det‘ Parallelen für den Bedeutungswandel von ‚reiben‘
zu ‚quetschen, drücken‘ sind, ist fraglich, da die Zuge-
hörigkeit dieser Wörter zur Sippe von ahd. drawa
nicht geklärt ist (Holthausen, Ae. et. Wb. 370 f.).
Walde-Pokorny I, 729 ff.; Pokorny 1072 f.; Mayrho-
fer, K. et. Wb. d. Aind. I, 483. 514; ders., Et. Wb. d.
Altindoar. I, 632. 656; Boisacq, Dict. ét. gr.⁴ 95. 988;
Frisk, Gr. et. Wb. I, 177; II, 883. 938; Chantraine,
Dict. ét. gr. 132. 1106 f. 1141; Beekes, Develop. of PIE
Laryngeals 178; F. Froehde, BB 20 (1894), 218;
H. Ehrlich, Zfvgl.Spr. 39 (1906), 570; Bechtel, Lexilo-
gus 72; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. II, 672 f.;
Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 327. 330; Miklosich, Et.
Wb. d. slav. Spr. 363 f.; Sadnik-Aitzetmüller, Handwb.
z. d. aksl. Texten 138; Vasmer, Russ. et. Wb. III,
130 f.; Fraenkel, Lit. et. Wb. 1132; Vendryes, Lex. ét.
de l’irl. anc. T-134; H. Pedersen, Rev. celt. 34 (1913),
449; ders., Vgl. Gr. d. kelt. Spr. II, 374; J. Loth, Rev.
celt. 37 (1917—19), 47 f.; Joh. Schmidt, Idg. Vokalismus
267. — Gr. ἀτειρής ‚unversehrt, hart‘ ist zugehörig,
wenn < *ἀ-τερϝ-ής ‚unverwüstlich‘; doch vgl. die wei-
teren Herleitungen: *ἀ-τερσής zu τέρσομαι ‚werde
trocken‘ (J. Wackernagel, Kleine Schriften I [Göttin-
gen, 1953], 775 ff.); *ἀ-τερσ-i̯ής (Brugmann-Thumb,
Griech. Gram.⁴ 148); ἀτερi̯-ής zu lat. trīvī (F. Specht,
Zfvgl.Spr. 66 [1939], 212). Unwahrscheinlich sind die
bei Walde-Hofmann, a. a. O. II, 695. 711 angeführten
Verbindungen mit lat. torvus ‚wild, finster, grimmig‘
und lat. trux, -cis ‚rauh, stachlig zum Anfühlen,
durchbohrend‘ (Pokorny 1077. 1102). Wegen des ab-
weichenden Anlauts bleibt auch lit. draũsti (draudžiù)
‚(ver)wehren, abschrecken‘ fern (Fraenkel, a. a. O.
107; anders E. Zupitza, BB 25 [1899], 100). Fern
bleibt toch. A tsru ‚wenig‘ (→ dost¹).
S. auch drewen.