dringanAWB st. v. III, seit dem 8. Jh.: ‚bedrän-
gen; (hinaus)treiben, vertreiben, erdrücken,
pressen, zusammenbinden, zusammendrän-
gen, comprimere, glomere, stipare‘ 〈Var.: th-,
-en〉. — Mhd. dringen, nhd. dringen.
Splett, Ahd. Wb. I, 152; Schützeichel⁴ 93; Starck-
Wells 107; Graff V, 261; Schade 111; Lexer I, 464;
Benecke I, 393; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 138 (com-
primere); Dt. Wb. II, 1413 ff.; Dt. Wb.² VI, 1395 ff.;
Kluge²¹ 143; Kluge²² 155; Pfeifer, Et. Wb. 308.
Entsprechungen in den germ. Sprachen sind die
st. Verben III: as. thringan, mndd. dringen (ver-
einzelt sw. v.); mndl. dringen; nostfries. dringen;
ae. ðringan, me. thringen, ne. dial., veraltet
thring ‚dringen, drängen‘; aisl. þryngva (v-präs.
wohl nach þrǫngr ‚eng‘ = lit. trankùs; dazu
Lühr, Expressivität 124. 126. 169; F. Heider-
manns, Zfvgl.Spr. 99 [1986], 296 f.), þryngja,
þrǫng ‚drängen, zwingen‘ und (mit Stammvokal
des Kausativs oder mit Verallgemeinerung von
*ø wie in aisl. präs. þrøng[r] neben þryng[r]; s.
Noreen, Aisl. Gr.⁴ § 493 Anm.) nnorw. dial.
trenga ‚bedürfen‘ (< ‚drängen‘ [s. B. Jēgers,
Zfvgl.Spr. 80 (1965), 58]); dagegen als sw. Ver-
ben: nnorw. dial. trengja, aschwed. þrængia,
nschwed. tränga ‚dringen‘, ndän. trænge ‚drän-
gen, bedürfen‘ wie ahd., mhd. drengen < ur-
germ. *þrangijan- ‚drängen‘; vgl. aisl. þrøngva
und die st. Verben I as. githrīhan ‚bedrängen‘,
got. þreihan ‚drängen, θλίβειν‘. Die zugrunde
liegenden Vorformen urgerm. präs. *þrinχan-
(< *þrenχan-) > *þrīχan-, prät.sg. *þranχ, pl.
*þrungum, part. prät. *þrungan sind in der
Weise ausgeglichen worden, daß im größten
Teil des Westgerm. und im Nordgerm. die Lau-
tungen mit *-ng- und im Got. und As. (mit Ab-
lautentgleisung) die mit *-nχ- > -h- (mit Er-
satzdehnung des vorausgehenden Vokals) ver-
allgemeinert worden sind. Doch finden sich
auch außerhalb des st. Verbs Lautungen mit der
Fortsetzung von *-nχ-: awn. sw. v. þræta ‚strei-
ten, zanken‘ (< *þranχatjan-, eigtl. ‚sich drän-
gen‘); mhd. drîhe ‚Stricknadel‘ < *þrenχō (s. d.)
(drîhen sw. v. ‚stricken‘); as. thrīst(i), mndd.
drīst (> nhd. dreist), ae. þrīste ‚dreist, kühn‘ (<
*þrenχstija- eigtl. ‚zudringlich‘); vgl. auch aisl.
þrá ‚Trotz, Widerspenstigkeit‘ < *þranχα- (→
drawa).
Die Annahme (Fick III [Germ.]⁴ 190), daß in got.
þreihan zwei Verben enthalten sind, urgerm. *þrin-
χan- (< *þrenχ-) und *þrīχan-, wobei auf *þrīχan-
got. dat. sg. faíhu-þraíhna neben faíhuþra (als Rand-
glosse zu mammonin) und ferner as. þrēga ‚Drohung‘,
þrēgian, mndd. drēgen, mndl., nndl. dreigen ‚drohen‘
weisen würden (F. A. Wood, Mod. Philol. 5 [1907—08],
267 f.), erübrigt sich, da got. faíhu-þraíhn(s) im Sinne
von ‚Vieh-, Geldsammlung‘ verstanden werden kann
(Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 137. 501 f.; Lehmann,
Gothic Et. Dict. þ-53); zu as. þrēga usw. s. drewen.
Seebold, Germ. st. Verben 320 f.; Holthausen, As. Wb.
79; Sehrt, Wb. z. Hel.² 615; Berr, Et. Gl. to Hel.
413 f.; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 479;
Schiller-Lübben, Mndd. Wb. I, 571; Verdam, Mndl.
handwb. 152; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 135; Vries,
Ndls. et. wb. 131; Doornkaat Koolman, Wb. d. ost-
fries. Spr. I, 334; Holthausen, Ae. et. Wb. 369; Bos-
worth-Toller, AS Dict. 1070; Suppl. 730; Stratmann-
Bradley, ME Dict.³ 637; OED² XVII, 1013; Oxf.
Dict. of Engl. Et. 920; Vries, Anord. et. Wb.² 624 f.;
Jóhannesson, Isl. et. Wb. 461; Holthausen, Vgl. Wb.
d. Awestnord. 321; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb.
1293 f.; Torp, Nynorsk et. ordb. 804; Hellquist, Svensk
et. ordb.³ 1235; ders., Ark. f. nord. fil. 11 (1895),
348 ff.; H. Krahe, PBB 71 (1949), 243 f.; Zupitza,
Germ. Gutturale 70 f.
Von den außergerm. Verwandten lassen sich be-
deutungsmäßig anschließen: av. part. gen. pl.
θraχtanąm ‚zusammengedrängt, eng aufge-
schlossen‘ (von der Schlachtreihe) (< *trkto-);
aksl. trǫtъ ‚φάλαγξ, κουστωδία‘, aruss. trutъ,
trutь ‚Menge‘ (< *tronkto- ‚Zusammenge-
drängtes‘). Die Bedeutung ‚zusammengedrängt‘
kann eine Entwicklung zu ‚Stumpf‘ und dann zu
‚verstümmelt‘ erfahren: gall. trincos ‚eine Art
Gladiatoren‘; lat. truncus ‚Baumstamm, Rumpf;
verstümmelt, der Äste oder Glieder beraubt‘;
apreuß. part. perf. pass. akk. sg. pertrincktan ‚ver-
stockt‘; nkymr. trwch ‚verstümmelt‘, nbret.
trouc’ha ‚abschneiden‘ (< *troknó- mit Dissimi-
lation aus tronk-nó-? oder *tronk-so-?). Weiter-
hin sind neben ‚drängen‘ Bedeutungen wie ‚(lär-
mend) stoßen‘ möglich: lit. treñkti, -kiù, -kiaũ
‚dröhnend stoßen, schleudern, schmettern‘,
trankýti, -kaũ, -kiaũ ‚mehrfach dröhnend sto-
ßen, klopfen, pochen‘, trañksmas ‚Knall, Ge-
räusch‘, trinkti, trìnku, -kjau ‚fortgesetzt
dröhnen, poltern‘, lett. trìekt, -cu ‚(zer)stoßen,
-schlagen, zerquetschen‘, truoksnis ‚Lärm, Ge-
polter‘, apreuß. trencke ‚stoß an‘; russ. trutít’
‚drücken, stoßen‘, aruss. potručati ‚schlagen‘,
serb. trȕćiti ‚schmeißen‘. Schließlich können aus
einer Bedeutung wie ‚drängen‘ Bedeutungen wie
‚wünschen‘ (< ‚es drängt mich‘; vgl. die Bedeu-
tung von Drang, das erst im Mhd. zu dringen
gebildet wurde) und ‚verlassen‘ (< ‚abgedrängt
werden‘) hervorgehen: air. *di-fo-tracc- ‚wün-
schen‘ (z. B. d-a-du-thraccar ‚ich wünsche es‘,
Verbalnomen dúthracht ‚Verlangen‘) bzw. air.,
mir. tréicid (< *tranki̯e/ o-) ‚verläßt, weicht‘,
nkymr. trengi ‚vergehen, sterben‘, tranc, pl.
trangau ‚Abschied, Tod, Ende‘ (vgl. anord. þró-
ta ‚aufhören‘, eigtl. ‚abgedrängt werden‘, zu lat.
trūdere ‚stoßen, drängen‘). Zugrunde liegt die
Wz. uridg. *trenk- ‚stoßen (auch dröhnend),
zusammendrängen, bedrängen‘.
Walde-Pokorny I, 758 f.; Pokorny 1093; Bartholo-
mae, Airan. Wb. 801; ders., Zfdt. Wortf. 4 (1903),
252; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. II, 693 (die
Grundbedeutung der Sippe von dringan sei ‚zusam-
menwinden, drehen‘, nicht ‚dröhnend stoßen‘). 710 f.;
Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 704 f. (ebenso zweifelnd
zu der Verbindung von lat. truncus mit lit. treñkti);
Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 328 f.; Sadnik-Aitzetmül-
ler, Handwb. z. d. aksl. Texten 139. 322 (doch aksl.
trǫtъ zur Wz. *ster- ‚ausbreiten, ausstreuen‘ in aksl.
strana ‚Seite, Land‘); Vasmer, Russ. et. Wb. III, 144 f.;
Fraenkel, Lit. et. Wb. 1111. 1118. 1124; A. Senn,
JEGP 32 (1933), 512 f.; Mühlenbach-Endzelin, Lett.-
dt. Wb. IV, 234; Trautmann, Apreuß. Spr.denkm. 397;
Fick II (Kelt.)⁴ 136 (jedoch air. di-fo-tracc- ‚wün-
schen‘ < *trakkō < *traknō); Vendryes, Lex. ét. de
l’irl. anc. T-120 f. 132 f.; ders., Rev. celt. 39 (1922),
404 f.; Dict. of Irish D-280 f. 458 f.; T-291; E. Zupitza,
Zfvgl.Spr. 36 (1900), 56; J. Strachan, BB 20 (1884),
30 Anm. 5 (weniger wahrscheinlich Joh. Schmidt, Idg.
Vokalismus 53; Fick I (Idg.)⁴ 60; H. Pedersen, IF 2
[1893], 290: ahd. dringan usw. zu lat. torquēre ‚dre-
hen, winden‘); P. Scardigli-T. Gervasi, Avviamento
all’etimologia Inglese e Tedesca (Firenze, 1978) 300.
S. auch drangôn.