dweranAWB st. v. IV, nur in Gl. und bei Notker:
‚mengen, durcheinanderwirbeln, mischen, ver-
wirren, aufwühlen, confundere‘ 〈Var.: Notker
tweren; Gl. 2, 333, 1 part. prät. kaduoran〉; gi-
dweranAWB st. v. IV, Gl., Otfrid, Notker: ‚durch-
einanderwirbeln‘ 〈Var.: Otfrid githw-, Notker
getweren〉. — Mhd. dwern, twern st. v. ‚herum-
drehen, bohren, quirlen, rühren, mischen‘.
Das Wort ist dialektal heute fast ausschließlich
im Obd. lebendig: schwäb. zwären ‚eine Flüs-
sigkeit umrühren, bes. Mehl zu einem Brei‘;
bair. zweren ‚herumdrehen, rühren, quirlen‘.
Splett, Ahd. Wb. I, 160; Schützeichel⁴ 96; Starck-
Wells 113; Graff V, 278; Schade 121; Lexer II, 1600;
Benecke III, 165; Dt. Wb. VII, 2358 f.; XVI, 954.
1094. — Schmidt, Schwäb. Wb. 553; Schmeller, Bayer.
Wb.² II, 1180.
Ahd. (gi)dweran entspricht ae. geðweran st. v.
‚rühren; schlagen, hämmern, schmieden, erwei-
chen‘ (z. B. geðwer to buteran ‚rühre [den Rahm]
zu Butter‘; vgl. auch geðworen neben geðuren
‚gedrückt, geschlagen‘); nnorw. tvera st. v.
‚zwirnen, drehen‘ (nschwed. dial. tvära, ndän.
tvære sw. v. ‚umdrehen‘): < urgerm. *þweran-.
Von der Entsprechung des Adj. ahd. dwerah ‚quer,
von der Seite, seitwärts‘ (s. d.) abgeleitet und damit de-
nominale Verben sind: mhd. twerhen ‚mit queren,
schiefen Worten anfahren‘, nhd. queren sw. v. berg-
männ. ‚quer durchfahren‘, leipziger. ‚immer (quer) im
Wege stehen, hin und her laufen‘; mndd. dwēren ‚in
die Quere laufen‘, nostfries. dwären, dweren ‚queren,
drehen, kehren, beugen, krümmen‘; ae. ðwēorian ‚sich
widersetzen, durchqueren, entgegen sein‘; aisl. þve-
rask ‚sich seitwärts wenden‘, ndän. tvære ‚sich quer
stellen‘.
Fick III (Germ.)⁴ 196; Seebold, Germ. st. Verben 528;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 505; Doorn-
kaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I, 371 f.; Holthau-
sen, Ae. et. Wb. 373; Bosworth-Toller, AS Dict. 458.
1083 f.; Suppl. 731; Vries, Anord. et. Wb.² 628; Jóhan-
nesson, Isl. et. Wb. 452 f.; Fritzner, Ordb. o. d. g. nor-
ske sprog III, 1058; Heggstad, Gamalnorsk ordb. 736;
Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 323; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 1301 f.; Torp, Nynorsk et. ordb.
822; Ordb. o. d. danske sprog XXIV, 1202 ff.; Rietz,
Dialektlex. ö. svenska allmogespr. 767.
Auch aisl. þverra st. v. ‚schwinden, aufhören‘
(daneben þverra, -rð/ að- ‚vermindern, herab-
setzen‘), nisl. þverra, nnorw. tverra, nisl. óþver-
ri m. ‚Schmutz, Hautausschlag‘, eigtl. ‚nicht
verschwindend‘ (hierher wohl auch aisl. þorri
m. ‚vierter Wintermonat, von Mitte Januar bis
Mitte Februar‘, eigtl. ‚abnehmender Winter‘,
weil dieser Monat unmittelbar nach der Mitt-
winternacht am 12. Januar anfing; anders
N. Lid, Norsk tidsskrift f. sprogv. [1934], 163 ff.
zu finn. Turri ‚mythisches Wesen‘, ndän. dial.
torre ‚Kind, Tier, das nicht wachsen will‘ mit ex-
pressiver Gemination zu urgerm. *þwer- ‚quir-
len‘) hat man zu ahd. dweran gestellt. Trifft die-
ser Anschluß zu (anders M. Olsen, Maal og
Minne [1912], 15 ff: aisl. þorri zu þurr ‚trok-
ken‘), so könnte man wie bei dem zu ahd. dwe-
ran gehörigen Subst. ahd. duris ‚Dämon, Teufel‘
< *þurisa- (s. d.) eine Bildung mit s, also eine
Vorform urgerm. *þwerzan- (< vorurgerm.
*tu̯erse/ o-), annehmen (so Seebold, Germ. st.
Verben 529, doch ohne Vergleichsmöglichkeit).
Anders liegt der Fall, wenn urgerm. *þwer- auf
einer seṭ-Wz. (s. u.) beruht; dann mag nämlich
*þwerr-, eigtl. ‚sich schnell (fort)bewegen‘ (zur
Bedeutungsvermittlung s. u.), mit Resonantenge-
mination durch Laryngal aus der Lautfolge ur-
idg. *tu̯erǝ- [**tu̯erH-] hervorgegangen sein.
Jóhannessons (a. a. O. 453) Annahme einer Intensivge-
mination für aisl. -rr- usw. ist weniger wahrscheinlich;
denn nur für Obstruenten ist mit einer solchen regulä-
ren Gemination zu rechnen (s. Lühr, Expressivität
189 ff.). Wenig überzeugend ist auch F. A. Woods
(MLN 20 [1905], 42 f.; 21 [1906], 42) Anschluß an
as. thorron ‚verdorren‘ und gr. σειρόω ‚dörre aus,
drainiere, filtriere‘ < *tu̯eri̯oi̯ō, weil sich as. thorron
zu ahd. durri < *þurzi- stellt (s. d.) und der Ansatz
der Stammbildung von gr. σειρόω wegen des zweimali-
gen i̯-Formans (*-i̯oi̯ō) wenig plausibel ist. Zu weit
hergeholt wirkt die von R. A. Fowkes, Lang. 22
(1946), 347 f. vorgenommene Verbindung mit der Wz.
uridg. *tu̯er- ‚fassen, einfassen, einzäunen‘ (lit. tveriù,
tvérti ‚einhegen‘, lett. tverú ‚greifen‘) mit der Bedeu-
tungsentwicklung von ‚einfassen‘ > ‚beschränken, ver-
mindern‘.
Urgerm. *þweran- (*þwerran-) stellt sich zu:
aind. tvárate ‚ist in Eile‘ (seit Brāhmaṇas), tva-
ráyati ‚belebt, läßt eilen‘, prátūrta- ‚schnell‘; jav.
θβāṣ̌a- ‚eilig, rasch‘ < uridg. *tu̯er(ǝ)-
[**tu̯er(H)-] ‚drehen, quirlen, wirbeln; sich
schnell bewegen‘; gr. ὀτραλέος, ὀτρηρός ‚hurtig,
rasch‘ (ὀτραλέος mit -α- nach θαρσ-αλέος ‚zu-
versichtlich, kühn‘ neben θαρσ-νω ‚ermutige‘:
ὀτρνω?; ὀτρηρός wohl Neubildung auf -ηρός),
hom. poet. ἐπι-οτρνω ‚treibe an, muntere auf,
fordere auf, betreibe‘ (< *ὀ-τρυ-νi̯ω); lat. amp-
truāre, antruāre ‚bei den saliarischen Religions-
feiern tanzend im Kreis hüpfen‘ (< *am +
truō), Festus-Paulus 9 ‚truant‘ moventur; trua f.
‚Kelle‘, trulla, truella ‚Schöpfkelle, Pechpfanne,
Napf‘ (> span. trulla ‚Maurerkelle‘, frz. truelle
usw., engl. trowel).
Zu der im Griech. bzw. Lat. vorliegenden Wurzelform
*tur(ǝ)- [**tur(H)-] bzw. *tru- (mit Metathese) vgl.
das Nebeneinander von aind. hvárate ‚geht in Krüm-
mungen, geht wankend‘ und ví hrūṇāti ‚macht fehlge-
hen, macht abwendig‘, hūrchati ‚kommt von etwas ab‘
< *g̑hur-sé- (mit sekundärem langem ū). Sofern ved.
*tūrta- = jav. θβāṣ̌a- (im Av. mit Akzentverschiebung)
aus *tu̯r̥̄-tó- [**tu̯H-tó-] hervorgegangen ist, würde
urgerm. *þwerran- ‚schwinden‘ < ‚eilen‘ die lautge-
setzliche Vertretung von uridg. *-rǝ- [**-rH-] fortset-
zen, während das einfache *-r- in urgerm. *þweran-
aus der 3.Pl. *tu̯eronti [**tu̯erHonti], wo der Laryn-
gal vor Vokal schwindet, verallgemeinert wäre (s.
Lühr, Mü. Stud. z. Spr.wiss. 35 [1976], 73 ff.). Doch
kann jav. θβāṣ̌a- auch aus *tvár-ta- hergeleitet werden
(K. Hoffmann, Aufsätze zur Indoiranistik III, 850 f.),
und die griech. Vergleichsformen deuten eher auf eine
Wz.-Form *tu̯er- als auf *tu̯erǝ- [**tu̯erH-].
Die Bedeutungen ‚mengen, durcheinander wir-
beln, mischen, verwirren, aufwühlen‘ (ahd. dwe-
ran), ‚rühren, schlagen, hämmern‘ (ae. geðwe-
ran) und ‚schwinden, aufhören‘ (aisl. þverra)
der germ. Verben lassen sich über die Vorstel-
lung der schnellen Bewegung vereinen. Im tran-
sitiven Gebrauch ergab sich die Bedeutung ‚ein
Gerät wie einen Quirl oder einen Hammer
schnell bewegen‘ und im intransitiven Gebrauch
entwickelte sich über ‚sich schnell (fort)bewe-
gen, verschwinden‘ die Bedeutung ‚schwinden,
aufhören‘; zur Bedeutung ‚rühren‘ vgl. die eben-
falls von der Wz. *tu̯er(ǝ)- abgeleiteten Wörter
gr. τορύνη ‚Rührlöffel, -kelle‘ (mit Dissimilation
< *τυρ-ύνη), aisl. þvara f. ‚Rührstab, Quirl‘,
ae. ðwiril, ahd. dwiril ‚Quirl‘ (s. d.) und zur Be-
deutung ‚sich schnell (fort)bewegen‘ vgl. die Be-
deutung von aisl. þyrja sw. v. ‚schnell fahren,
sausen‘, einer schwundstufigen Ableitung von
der Wz. urgerm. *þwer-.
Walde-Pokorny I, 749; Pokorny 1100; Mann, IE
Comp. Dict. 1466 (jedoch zu gr. Hesych σηρά ‚Band‘;
lit. tveriù, tvérti; s. o.); Fick I (Idg.)⁴ 64. 449 (Tren-
nung von *tu̯ere/ o- ‚eilen‘ und ‚rühren‘); Persson,
Beitr. z. idg. Wortf. 577; A. Fick, BB 1 (1877), 335;
Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. I, 514. 519. 539 (doch:
der außerar. Anschluß von aind. tvárate an ahd. dwe-
ran sei sehr unsicher); III, 619 f.; ders., Et. Wb. d. Alt-
indoar. I, 684 f.; T. Gotō, Die „I. Präsensklasse“ im
Ved., Sitz.ber. d. österr. Akad. 489 (Wien, 1987), 169
und Anm. 279 (die Formen mit -tr- im RV wie á-tūr-
ta- ‚unübertroffen, unübertrefflich‘, prá-tūrti- ‚Bewäl-
tigung, Kampf‘, turaga- ‚Pferd‘, turá- ‚eifrig, stre-
bend‘, Verbalformen wie turáya- ‚schnell vordringen‘
usw. gehören zur Wz. *tari ‚durch etwas kommen,
durchdringen‘). 352 f.; Bartholomae, Airan. Wb. 797;
Boisacq, Dict. ét. gr.⁴ 725. 977 f.; Frisk, Gr. et. Wb. II,
440 f. 914 f.; Chantraine, Dict. ét. gr. 1127; Schwyzer,
Gr. Gr.² 694; Thes. ling. lat. I, 217 f.; Walde-Hof-
mann, Lat. et. Wb. I, 42; II, 708 f. (aber: lat. trua <
*tu̯r-ā mit Fragezeichen); Ernout-Meillet, Dict. ét.
lat.⁴ 30. 704; F. Froehde, BB 14 (1889), 106 f. (doch:
ὀτραλέος < *τϝνο-); H. Ehrlich, Berl. Phil. Wo-
chenschr. (1911), 1574 (Festus-Paulus 9 ‚truant‘ sei nur
eine Grammatikerfiktion). — Meyer-Lübke, Rom. et.
Wb.³ Nr. 8949; Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 9775;
Wartburg, Frz. et. Wb. XIII, 2, 329 ff. — Gr. στορύνη
Bezeichnung eines chirurgischen Werkzeugs ist zwar
wie τορύνη gebildet, doch ist das Wort etymologisch
unklar (Frisk, a. a. O. II, 804).
Gr. τῡρός m. ‚Käse‘ und russ. tvaróg ‚Quark, gekäste
Milch‘ (> mhd. twarc, quarc > nhd. Quark; vgl. ae.
geðwēor ‚Quark‘) werden ebenfalls zu ahd. dweran
gestellt (Fick I [Idg.]⁴ 449). Gr. τῡρός gehört jedoch
zu jungav. tūiri- n. ‚käsig gewordene Milch, Molke‘,
weitere Verknüpfungen sind nach Frisk, a. a. O. II,
948 strittig (doch s. dûdistel); und für russ. tvaróg gibt
es mehrere Anschlußmöglichkeiten (Vasmer, Russ. et.
Wb. III, 85).
Eine bedeutungsgleiche Sippe mit s-Anlaut be-
gegnet in ahd. stōren ‚stören‘ (s. d.).