eburAWB m. a-St., Gl., Notker: ‚Eber, aper, sin-
gularis (ferus)‘ 〈Var.: -p-, -v-; -or, -ar, -er, -ir;
heber〉. — Mhd. eber, nhd. Eber.
Ahd. Wb. III, 31 f.; Splett, Ahd. Wb. I, 166; Schütz-
eichel⁴ 97; Starck-Wells 115. 802; Graff I, 99; Schade
123; Lexer I, 505; Benecke I, 409; Diefenbach, Gl.
lat.-germ. 39 (aper). 536 (singularis); Dt. Wb. III, 17;
Dt. Wb.² VII, 28 f.; Kluge²¹ 150 f.; Kluge²² 164; Pfei-
fer, Et. Wb. 326. — Palander, Ahd. Tiernamen 152 f.
Das Wort, das auch oft als erster Bestandteil
männlicher PN vorkommt (vgl. ahd. Eburhard,
Ebarolf, Eburwîn u. a., Förstemann, Adt. Na-
menbuch2-3 I, 438 ff.; Bach, Dt. Namenkunde I
§ 193), hat Entsprechungen in den meisten
germ. Sprachen: as. evur (nur Gl. 4, 275, 26
[12. Jh.] euer und in der Zss. evurspiot ‚Eber-
spieß‘; vgl. Wadstein, Kl. as. Spr.denkm. 112, 20.
181), mndd. ēver, ēverswīn; mndl. nndl. ever;
ae. eofor ‚Eber; Helmschmuck in der Form eines
Ebers‘, me. ēver; aisl. jǫfurr (poet.) im übertra-
genen Sinn ‚Fürst‘ (im Skand. sonst nur in PN,
bes. im Schwed.).
Fick III (Germ.)⁴ 25; Holthausen, As. Wb. 17; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 625. 626; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. I, 754; VI, 130; Verdam, Mndl.
handwb. 170; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 161; Suppl.
47; Vries, Ndls. et. wb. 164; Holthausen, Ae. et. Wb.
92; Bosworth-Toller, AS Dict. 252; Suppl. 190; ME
Dict. E-F, 296; OED² V, 461; Vries, Anord. et. Wb.²
294; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 55; Holthausen, Vgl.
Wb. d. Awestnord. 146; Hellquist, Svensk et. ordb.³
173. 420.
Mit germ. *eura- sind ohne Zweifel lat. aper
‚Eber‘, umbr. apruf, abruf ‚aprones‘ (< n-St.
*abrōn- mit Sonorisierung von *p vor r; s. Mei-
ser, Lautgesch. d. umbr. Spr. § 49, 3. 82, 3) ver-
wandt, aber der Vokalismus macht Schwierig-
keiten (s. u.). Auch aksl. veprь ‚Eber‘ (russ.
vepr’, poln. wieprz usw. ‚[kastrierter] Eber‘),
lett. vepris ‚kastrierter Eber‘ (urverwandt oder
aus dem Slav. entlehnt?) gehören wohl mit (un-
erklärtem) v-Vorschlag hierher.
Anders E. Berneker, IF 8 (1898), 283 f.; Vasmer, Russ.
et. Wb. I, 183: zu aind. vápati ‚wirft, streut (den Sa-
men)‘; der Eber sei ‚der Befruchter‘. Dagegen u. a.
C. C. Uhlenbeck, PBB 24 (1899), 239 ff., dessen An-
satz von idg. Doppelformen *u̯epro- / *epro- aber ab-
zulehnen ist; nach R. G. Kent, Lang. 2 (1926), 185 hat
das baltoslav. Wort sein v- durch Kontamination mit
der Entsprechung von lit. vešis ‚(Ochs-)Kalb‘, lett.
vērsis ‚Ochs‘ erhalten (vgl. Pokorny 81); doch ist das
Wort im Slav. nicht belegt.
Unsicher ist Hesych ἔβρος ⋅ τράγος βάτης ‚Zie-
genbock‘ (thrakisch? illyrisch? vgl. A. Blumen-
thal, IF 49 [1931], 174; A. Fick, Zfvgl.Spr. 42
[1909], 85).
Die von Walde-Pokorny I, 121 und Pokorny
323 angesetzte idg. Grundform *epero- könnte
zwar für germ. *eura- (< *eperó- oder *epó-?;
zu derartigen Ansätzen s. jedoch R. S. P. Beekes,
Mü. Stud. z. Spr.wiss. 34 [1976], 11 und → dun-
ni) und aksl. veprь usw. (< *epro-) als Aus-
gangspunkt angenommen werden, aber nicht für
lat. aper usw. mit a-.
Nach H. Hirt (IF 37 [1916—17], 221; Idg. Gr. II § 106)
würde der Ansatz eines idg. *ьprós (d. h. *eprós) mit
Endbetonung und Reduktionsstufe sowohl das a von
lat. aper usw. als auch das e von [ahd. ebur] erklären.
Wegen der allgemeinen Mißbilligung seiner Ablaut-
theorie wird diese Erklärung gewöhnlich abgelehnt;
sie wird auch durch aksl. veprь usw. in Frage gestellt,
wenn die slav. Formen tatsächlich verwandt sind, denn
nach Hirt wird ь im Slav. nicht zu e. Außerdem wäre
idg. *epró- zu germ. *era- geworden, während aisl.
jǫfurr eine Vorform *eura- voraussetzt. So hat man
zu einer analogischen Erklärung Zuflucht genommen:
lat. aper habe sein a von caper erhalten (so zuerst
F. Skutsch, Krit. Jahresber. ü. d. Fortschr. d. rom. Phil.
5, 1 [1897], 67; R. G. Kent, Lang. 2 [1926], 185).
Die weitere Herkunft ist unklar. Es handelt sich um
eine Bildung mit idg. *-ro-Suffix, wie z. B. ahd. widar
‚Widder‘ (s. d. und vgl. Wilmanns, Dt. Gr. II § 215 ff.),
aber alle Versuche, die zugrundeliegende Wurzel zu
identifizieren, sind rein spekulativ. Aus lautlichen
Gründen unmöglich ist Zusammenstellung mit aind.
yábhati ‚begattet‘ (so Berneker, a. a. O.; Fick, a. a. O.;
dagegen Uhlenbeck, a. a. O. 243; vgl. auch Pokorny
298: eibh-). Dagegen ist die schon von Schade, Adt.
Wb. 123 vorgeschlagene Zurückführung auf die Wz.
*p- : *ap- (*ǝp-) ‚wirken, zeugen‘ in semantischer
Hinsicht wenigstens erwägenswert (aber gr. ὀπυίειν
‚ehelichen, ehelich beiwohnen‘ bleibt fern; vgl. Frisk,
Gr. et. Wb. II, 407): vgl. bes. nnorw. ndän. avle,
nschwed. afla ‚erzeugen, hervorbringen‘. Das Problem
einer mit e-anlautenden Wz. neben *p- : *ap- (*ǝp-)
bleibt jedoch bestehen; → avalôn.
Fernzuhalten sind: got. aibr ‚Opfergabe‘ (vgl. Feist,
Vgl. Wb. d. got. Spr. 19); gr. (äol.) ἔπερος ‚Widder‘
(vgl. Frisk, Gr. et. Wb. I, 468. 534); ahd. barug ‚ver-
schnittener Eber‘ (s. d. und vgl. J. Otrębski, Zfvgl.Spr.
81 [1967], 218 f.); gr. κάπρος ‚Eber, Wildschwein‘,
lat. caper ‚(Ziegen-)Bock‘ (nicht aus *k-apros; vgl.
Frisk, a. a. O. I, 783; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. I,
157; J. Otrębski, a. a. O. 219).
Walde-Pokorny I, 121; Pokorny 323; Walde-Hof-
mann, Lat. et. Wb. I, 56; Ernout-Meillet, Dict. ét.
lat.⁴ 38; Berneker, Slav. et. Wb. I, 452; Miklosich, Et.
Wb. d. slav. Spr. 381; Trautmann, Balt.-Slav. Wb.
351; Sadnik-Aitzetmüller, Handwb. z. d. aksl. Texten
150. 328; Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. IV,
538; Frisk, Gr. et. Wb. I, 435; Chantraine, Dict. ét. gr.
309 (ἔβρος).