egidehsa
Band II, Spalte 959
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egidehsaAWB f. n-St., nur in Gl.: Eidechse, la-
certa, stel(l)io
Var.: ege-, eg- (12./13. Jh.),
ei-, e-, -, æ-, y-, hei- (14. Jh.), euui-,
ou(iu)ui-, ouue-; -dechs-, -dex-, dochs-
(12. Jh.), -desh-, -des(s)- u. ä. Die kontrahierte
Form ei- begegnet einmal schon im 9. Jh. (Gl.
1, 343, 33: S. Gall. 295), - einmal im 10. Jh.
(Gl. 1, 802, 23: Clm 14747), sonst sind solche
Formen erst viel später bezeugt. Die Neben-
form euui- (s. u.) kommt einmal schon im
8. Jh. vor (Gl. 1, 354, 29: Würzb. Mp. th. f. 3),
dann nur im 11. Jh. im Cod. Carlsr. S. Petri
(Gl. 1, 355, 26), der ein Gemisch von ahd. und
as. Formen enthält (daneben ouue- einmal im
12. Jh. und die verschriebene Form ouiuui- im
9. Jh. [Vat. Pal. lat. 14, rheinfrk.]). Die Assi-
milation hs > s(s), die gewöhnlich als ein im
Norden entstandener, nach Süden vordringen-
der Lautwandel betrachtet wird, der vor dem
10./11. Jh. im Ahd. nur vereinzelt auftritt, er-
scheint in diesem Wort dreimal schon im 8.
und 9. Jh.: euuithessa 8. Jh., fränk. (Gl.
1, 354, 29, s. o.), ouiuuidessa 9. Jh., rheinfrk.
(s. o.), eithesa 9. Jh., alem.(!) oder alem.-frk.
(S. Gall. 295, s. o.); alle weiteren Belege sind in
frk. Hss. vom 11. Jh. an. Möglicherweise ist
die Assimilation im zweiten Teil einer Zss., der
einen schwächeren Akzent trägt, früher einge-
treten; vgl. Isid. foluuassan perfecta und s.
K. Wagner, Teuthonista 9 (1933), 33 ff., bes.
46 f. Vgl. auch Braune, Ahd. Gr.¹⁴ § 154
Anm. 5; K. Matzel, PBB 88 (Tübingen, 1966),
59; ders., Sprache 12 (1966), 168; Th. Frings,
Grundlegung einer Gesch. d. dt. Spr.³ (Halle,
1957), Karte 38.

Mhd. egedehse, eidehse usw. st. sw. f.; nhd. Ei-
dechse f. Zu den zahlreichen Varianten der dt.
Mdaa., die u. a. nach Heide, Hag, Hecke, Heu,
Dachs, Ochse, Geiß usw. umgedeutet worden
sind, vgl. Dt. Wb.² VII, 340 f.

Ahd. Wb. III, 79 ff.; Splett, Ahd. Wb. I, 1214; Starck-
Wells 117. 802. 841; Graff I, 129; Schade 125; Lexer
I, 511; Nachtr. 135; Benecke I, 411; Diefenbach, Gl.
lat.-germ. 314 (lacerta). 551 (stellio); Dt. Wb. III,
83 f.; Dt. Wb.² VII, 340 f.; Kluge²¹ 155; Kluge²² 168;
Pfeifer, Et. Wb. 324 f.

Entsprechende, z. T. umgestellte Benennungen
für die Eidechse kommen nur im Westgerm. vor
(anord. eðla, eyðla, øðla Eidechse kann aus
lautlichen Gründen nicht verwandt sein, trotz
Kluge²² 168; vgl. Vries, Anord. et. Wb.² 93): as.
egithassa f. (Wadstein, Kl. as. Spr.denkm.
106, 26. 178; ewidehsa, Wadstein 74, 36. 181 =
Gl. 1, 355, 26, kann entweder ahd. oder as. sein,
s. o.), mndd. ēgedisse u. ä. f.; mndl. eg(h)edisse,
auch hag(h)etisse (wohl zuerst in Anlehnung an
mndl. hag[h]e Hecke und dann weiter an mndl.
hag[h]etisse Hexe, hagazussa, hâzussa), nndl.
hagedis; ae. āðexe f. (mit entstelltem ersten
Glied), me. aske, ne. mdartl. ask.

Fick III (Germ.)⁴ 9; Holthausen, As. Wb. 14; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 515; Schiller-Lüb-
ben, Mndd. Wb. I, 630; Verdam, Mndl. handwb. 161.
234; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 225; Suppl. 63 f.;
Vries, Ndls. et. wb. 231; Holthausen, Ae. et. Wb. 8;
Bosworth-Toller, AS Dict. 58; Suppl. 55; Suppl. II, 6;
ME Dict. A-B, 423; OED² I, 688.

Das Wort hat keine sichere Etymologie. Die vie-
len (z. T. schon alten) Umgestaltungen, die viell.
nicht nur auf Angleichungen, sondern auch auf
Tabuierung beruhen, erschweren die Rekon-
struktion einer urgerm. oder vorgerm. Grund-
form. Auch die anderen idg. Sprachen bieten
keine Vergleichsmöglichkeiten, denn die ver-
schiedenen Benennungen für die Eidechse sind
weder miteinander noch mit dem germ. Wort
verwandt.

Am wahrscheinlichsten ist der Ansatz einer ur-
germ. (nur westgerm.?) Zss. *awi-þehsō(n-)
oder *-þahs(i)jō(n-), deren erstes Glied auf idg.
*oghi- Schlange, Wurm [**Hoghi-] zurück-
geht (vgl. gr. ὄφις Schlange und egala, igil);
zu germ. *w > g/ w wie in ahd. egi-, ewidehsa
vgl. E. Seebold, Zfvgl.Spr. 81 (1967), 125 f.
128 f.; G. P. Cubbin, IF 84 (1979), 226 ff.

Der Ansatz des zweiten Gliedes ist unklar: für
*-þahs(i)jō(n-) sprechen nach W. Steinhauser,
ZMF 30 (196364), 331 ff. bair. und schwäb.
Mundartformen mit Sekundärumlaut, wie auch
as. egithassa (10. Jh.). Doch ist einzuwenden,
daß alle ahd. Belege e haben, selbst in drei bair.
Hss. des 10. Jh.s (Gl. 1, 349, 3. 802, 23), in der
assimilierten Form -dessa sogar schon im 8. und
9. Jh. (s. o.). Zu dieser Zeit fehlte normalerweise
der Umlaut vor der Verbindung -hs- (der soge-
nannte Sekundärumlaut, vgl. Braune, Ahd.
Gr.¹⁴ § 27, 5). Die durch Umgestaltungen ver-
dunkelte ursprl. Gestalt des Wortteils ist also
wohl nicht festzustellen (vgl. E. Seebold, a. a. O.
125: *-þehsōn; ders., Kluge²² 168 *-þahsjōn;
auch die anderen dt. et. Wbb. setzen seit Stein-
hauser *-þahsjō[n] an).

Jedenfalls ist das zweite Glied wohl mit mhd.
dehse Spinnrocken zu verknüpfen ( dehsa),
sei es wegen der schlanken, langschwänzigen
Gestalt der Eidechsen (vgl. russ. vereteníca
Blindschleiche zu russ. veretenó Spindel die
Blindschleiche ist einer Spindel sehr ähnlich,
während verschiedene Eidechsenarten wohl
eher dem primitiven Spinnrocken, einem langen
Holzstab mit einer Ausbuchtung gegen ein Ende
ähneln), oder wegen deren flinker, schlängeln-
der Fortbewegung (der Spinnrocken wurde oft
in der linken Hand gehalten und beim Spinnen
hin und her geschwungen, dehsa); vgl. russ.
jaerica Eidechse, das nach Vasmer, Russ. et.
Wb. III, 502 f. mit gr. σκαίρω springe, hüpfe,
tanze
verwandt ist; vgl. auch J. Plassmann, PBB
82 (Sonderband, Halle, 1961), 95. 117, jedoch
mit falscher Bestimmung von mhd. dehse als
Spindel: im allg. sind Spindel und Spinnrok-
ken
oft verwechselt worden oder wegen des
Volksglaubens, daß Hexen auf Spinnrocken rei-
ten; so heißt nach W. Steinhauser, a. a. O. die als
Hexentier geltende Eidechse Schlangenhexe
(vgl. auch E. F. Polomés, Althochdeutsch 1110
Hinweis auf die Übereinstimmung der Wörter
für Hexe und Eidechse im Mndl. [hag(h)e-
tisse, s. o.]).

Verfehlt V. Machek, Zfslav.Ph. 23 (1954), 120 f., der
nhd. Eidechse in Eid-echse zerlegt, den zweiten Teil
mit aksl. aterъ Eidechse, urslav. *aerъ vergleicht,
den ersten Teil aber nicht erklären kann.

Walde-Pokorny I, 64; Pokorny 44.

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