eichurno
Band II, Spalte 974
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eichurnoAWB, -ornoAWB m. n-St.; auch eich(h)ornAWB
m. oder n. a-St.(?), nur im Nom. Sg. in Gl. vom
11. Jh. an: Eichhörnchen, spiriolus, asperiolus,
squiriolus, scirra, vifarrus
Var.: ai-, ey-, ay-;
-hh-, -h-, -chh-, -hc-, -g-, -c-; eichor Gl.
3, 445, 15. 39 (13. Jh.) ist wohl eine späte Ver-
kürzung aus eichorn; vgl. mhd., nhd. mdartl.
eicher und s. Ahd. Wb. III, 116. Mhd. eich-
(h)orn st. m. n.; nhd. Eichhorn, Eichhörnchen.

Ahd. Wb. III, 117; Splett, Ahd. Wb. I, 171. 415;
Starck-Wells 119 f. 802. 841; Graff I, 128; Schade
127; Lexer I, 517; Benecke I, 414; Diefenbach, Gl.
lat.-germ. 54 f. (aspiriolus usw.); ders., Novum gl. lat.-
germ. 384 (viuerra); Dt. Wb. III, 81; Dt. Wb.² VII,
330; Kluge²¹ 154 f.; Kluge²² 167 f.; Pfeifer, Et. Wb.
333. Palander, Ahd. Tiernamen 66 f.

Entsprechende, aber wie im Dt. oft volksetym.
entstellte Formen (s. u.) sind in den meisten
germ. Sprachen belegt: mndd. ēikeren, ēkern(e),
ē(i)k(h)orn(e) n. (das bei Holthausen, As. Wb.
15 angesetzte êkhorn kommt nur Gl. 3, 721, 39
vor [Cod. Cheltenham. 7087, 13. Jh.] und ist so
eher als mndd. zu bestimmen; vgl. Gallée, Vor-
stud. z. e. andd. Wb. 53); mndl. eencoren (wohl
an das Wort für Einhorn angelehnt), selten
eecoren m. n., nndl. eekhoorn, -horen m.; ae. āc-
weorna, -wern(a), ācurna m., me. ōcquerne,
ōkerne usw. (seit dem 14. Jh. durch squirel, ne.
squirrel < afrz. esquireul, escureul ersetzt); aisl.
nisl. íkorni m., nnorw. ikorn, ekorn, ndän.
egern, nschwed. ekorre.

Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 523; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. I, 650; Verdam, Mndl. handwb.
159; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 147; Suppl. 43;
Vries, Ndls. et. wb. 149; Wb. d. ndl. taal III, 2,
3797 f.; Holthausen, Ae. et. Wb. 2. 390; Bosworth-
Toller, AS Dict. 6; Suppl. 2; Suppl. II, 1; ME Dict.
O-54; OED² I, 596; Vries, Anord. et. Wb.² 284; Jó-
hannesson, Isl. et. Wb. 5; Holthausen, Vgl. Wb. d.
Awestnord. 142; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 185 f.
1454; Torp, Nynorsk et. ordb. 241; Hellquist, Svensk
et. ordb.³ 176 f. Seebold, Germ. st. Verben 73; Hoops
Reallex. I, 522; Hoops Reallex.² VI, 536.

Die Etymologie ist umstritten. Der zweite Wort-
teil ist im Dt. erst sekundär an Horn angelehnt
worden; wahrscheinlich hatte auch der erste
Teil ursprl. nichts mit Eiche zu tun (trotz Klu-
ge²¹ 154 f.; Franck, a. a. O.; vgl. die nur im ei-
chenlosen Island nicht umgebildete Form íkorn,
deren [zwar unerklärtes, viell. ablautendes] ī
sonst nicht in dem germ. Wort für Eiche vor-
kommt).

Fast allgemein akzeptiert wird eine Verbindung
mit einer idg. Benennung des Eichhorns und
ähnlicher Tiere, *er-, die außergerm. immer in
reduplizierter Form vorkommt: lit. vverìs, vai-
veris, voverìs Eichhörnchen, auch vaiverìs,
-as Männchen vom Iltis oder Marder, lett. vã-
vere, vãveris Eichhörnchen, apreuß. weware
dss.; aruss. věverica, tschech. veverka, poln.
wiewiórka usw. dss.; lat. vīverra Frettchen;
npers. varvarah Eichhörnchen; kymr. gwiwer,
nir. (regional) georóg, iora, schott.-gäl. feorag
dss..

Gewöhnlich wird das germ. Wort als eine Zss.
aus idg. *ag- (**Heg-) sich heftig bewegen
(vgl. aind. éjati regt sich, bewegt sich, aksl.
igrь Spiel, Scherz, igrati spielen, scherzen,
hüpfen
usw.; s. Pokorny 13 f.) und einer unre-
duplizierten Form *er- des idg. Wortes für
Eichhörnchen erklärt, also *ag-er-no- (mit
n-Ableitung, die u. a. in Vogel- und Tiernamen
vorkommt, wie z. B. ahd. hraban Rabe [<
*hrana-], for[a]hana Forelle; aisl. bjrn Bär
[< *ernu-] usw.) oder viell. sogar eine redu-
plizierte Form *ag-eer-no- mit haplologi-
schem Schwund der Reduplikationssilbe (so an-
scheinend Seebold, Germ. st. Verben 73). Die
ursprl. Bed. wäre in diesem Fall etwa flinkes
Kleintier
.

Eine andere Erklärung hat E. Seebold, IF 87
(1982), 175 ff.; Kluge²² 167 f. vorgeschlagen: ur-
germ. *aikurna- sei aus idg. *ono- entstan-
den, indem idg. -- zwischen i-Diphthong und
silbischem Liquid zu frühgerm. -g- geworden
sei; -g- sei dann durch die Lautverschiebung
weiter zu -k- verschoben, und das anlautende
w- dissimilatorisch geschwunden (wie viell.
auch in nir. iora, s. o.). Dieser sehr interessante
Erklärungsversuch beruht aber erstens auf ei-
nem unsicheren Lautgesetz, das nur durch ver-
einzelte Beispiele gestützt wird. Zweitens bietet
Seebolds urgerm. Rekonstruktion *aikurna-
Schwierigkeiten: so hält er ae. ācurna für die
ursprl. Form, die schon sehr früh zu āc-weorna
umgestaltet
wurde (Seebold, a. a. O. 176). Aber
ācurna kommt nur einmal vor, und zwar in den
Leidener Glossen, und ist vielleicht dem hoch-
deutschen Schreiber der Glossen zuzurechnen
(vgl. Sievers-Brunner, Ae. Gr.³ § 2 Anm. 4; Jor-
dan, Ae. Säugetiernamen 79); dagegen ist āc-
weorna u. ä. schon sehr früh (nach OED² I, 596
ab 800) mehrmals belegt. Nun, eine Schwä-
chung von *-werna zu *-orna, *-urna in dem
schwach betonten zweiten Teil einer Zss. ist
nichts Außergewöhnliches (vgl. ahd. heimort <
*heimwert, frammert, frammort < *framwert,
wurzala < *wurt-wala, ae. hlāford < *hlāf-
weard Herr, fulluht < ful(l)wiht Taufe usw.
und s. Braune, Ahd. Gr.¹⁴ § 109 Anm. 4; Wil-
manns, Dt. Gr. II § 460; Sievers-Brunner,
a. a. O. § 173 Anm. 5); doch wie erklärt man die
umgekehrte Entwicklung von *-urna zu
*-we(o)rna? Dt. Eichhorn wurde an die existie-
renden Wörter Eiche und Horn angelehnt, aber
es gab kein ae. *we(o)rn(a), das das ae. Wort
hätte beeinflussen können.

Weder die eine noch die andere Etymologie ist ganz
befriedigend.

Nicht besser O. Schrader, BB 15 (1889), 133 f.; Kluge,
in den älteren (4.10.) Aufl. seines Et. Wb.: aus germ.
*aikwa- (adj. wa-St. zur obigen idg. Wz. *ag-) und
einem seltenen Diminutivsuffix *-erna, das sonst nur
in got. *widuwairna Waise und ahd. diorna usw.
Jungfrau, Mädchen (s. d.) vorzukommen scheint.

Walde-Pokorny I, 11 f. 287 f.; Pokorny 13 f. 1166;
Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. II, 808; Ernout-Meil-
let, Dict. ét. lat.⁴ 742 f.; Berneker, Slav. et. Wb. I, 422;
Sadnik-Aitzetmüller, Handwb. z. d. aksl. Texten 35.
245 f.; Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 356 f.; Vasmer,
Russ. et. Wb. I, 176; Fraenkel, Lit. et. Wb. 1233 f.;
Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. IV, 512; Traut-
mann, Apreuß. Spr.denkm. 460; Dict. of Welsh 1673.
A. Pictet, Zfvgl.Spr. 6 (1857), 188 f.; ders., Origines i.-
e.² (Paris, 1877), 448 ff.; J. Zubat, Arch. f. slav. Phil.
16 (1894), 418 ff.; R. Much, ZfdA. 42 (1898), 166;
A. Mayer, Glotta 35 (1956), 155 ff.; E. P. Hamp, IF 77
(1972), 165 ff.

Zu den zahlreichen mdartl. Bezeichnungen für
das Eichhörnchen (Eicher, Eichkätzchen, -kater,
Katteiker, Baumfuchs usw.) vgl. Kretschmer,
Wortgeographie 183 f.; B. Martin, Teuthonista 1
(192425), 227 f. (mit Karte) und die Mund-
artwbb.

S. auch eichhermelîn.

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