eichurnoAWB, -ornoAWB m. n-St.; auch eich(h)ornAWB
m. oder n. a-St.(?), nur im Nom. Sg. in Gl. vom
11. Jh. an: ‚Eichhörnchen, spiriolus, asperiolus,
squiriolus, scirra, vifarrus‘ 〈Var.: ai-, ey-, ay-;
-hh-, -h-, -chh-, -hc-, -g-, -c-; eichor Gl.
3, 445, 15. 39 (13. Jh.) ist wohl eine späte Ver-
kürzung aus eichorn; vgl. mhd., nhd. mdartl.
eicher und s. Ahd. Wb. III, 116〉. — Mhd. eich-
(h)orn st. m. n.; nhd. Eichhorn, Eichhörnchen.
Ahd. Wb. III, 117; Splett, Ahd. Wb. I, 171. 415;
Starck-Wells 119 f. 802. 841; Graff I, 128; Schade
127; Lexer I, 517; Benecke I, 414; Diefenbach, Gl.
lat.-germ. 54 f. (aspiriolus usw.); ders., Novum gl. lat.-
germ. 384 (viuerra); Dt. Wb. III, 81; Dt. Wb.² VII,
330; Kluge²¹ 154 f.; Kluge²² 167 f.; Pfeifer, Et. Wb.
333. — Palander, Ahd. Tiernamen 66 f.
Entsprechende, aber wie im Dt. oft volksetym.
entstellte Formen (s. u.) sind in den meisten
germ. Sprachen belegt: mndd. ēikeren, ēkern(e),
ē(i)k(h)orn(e) n. (das bei Holthausen, As. Wb.
15 angesetzte êkhorn kommt nur Gl. 3, 721, 39
vor [Cod. Cheltenham. 7087, 13. Jh.] und ist so
eher als mndd. zu bestimmen; vgl. Gallée, Vor-
stud. z. e. andd. Wb. 53); mndl. eencoren (wohl
an das Wort für ‚Einhorn‘ angelehnt), selten
eecoren m. n., nndl. eekhoorn, -horen m.; ae. āc-
weorna, -wern(a), ācurna m., me. ōcquerne,
ōkerne usw. (seit dem 14. Jh. durch squirel, ne.
squirrel < afrz. esquireul, escureul ersetzt); aisl.
nisl. íkorni m., nnorw. ikorn, ekorn, ndän.
egern, nschwed. ekorre.
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 523; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. I, 650; Verdam, Mndl. handwb.
159; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 147; Suppl. 43;
Vries, Ndls. et. wb. 149; Wb. d. ndl. taal III, 2,
3797 f.; Holthausen, Ae. et. Wb. 2. 390; Bosworth-
Toller, AS Dict. 6; Suppl. 2; Suppl. II, 1; ME Dict.
O-54; OED² I, 596; Vries, Anord. et. Wb.² 284; Jó-
hannesson, Isl. et. Wb. 5; Holthausen, Vgl. Wb. d.
Awestnord. 142; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 185 f.
1454; Torp, Nynorsk et. ordb. 241; Hellquist, Svensk
et. ordb.³ 176 f. — Seebold, Germ. st. Verben 73; Hoops
Reallex. I, 522; Hoops Reallex.² VI, 536.
Die Etymologie ist umstritten. Der zweite Wort-
teil ist im Dt. erst sekundär an Horn angelehnt
worden; wahrscheinlich hatte auch der erste
Teil ursprl. nichts mit Eiche zu tun (trotz Klu-
ge²¹ 154 f.; Franck, a. a. O.; vgl. die nur im ei-
chenlosen Island nicht umgebildete Form íkorn,
deren [zwar unerklärtes, viell. ablautendes] ī
sonst nicht in dem germ. Wort für ‚Eiche‘ vor-
kommt).
Fast allgemein akzeptiert wird eine Verbindung
mit einer idg. Benennung des Eichhorns und
ähnlicher Tiere, *u̯er-, die außergerm. immer in
reduplizierter Form vorkommt: lit. vėverìs, vai-
veris, voverìs ‚Eichhörnchen‘, auch vaiverìs,
-as ‚Männchen vom Iltis oder Marder‘, lett. vã-
vere, vãveris ‚Eichhörnchen‘, apreuß. weware
‚dss.‘; aruss. věverica, tschech. veverka, poln.
wiewiórka usw. ‚dss.‘; lat. vīverra ‚Frettchen‘;
npers. varvarah ‚Eichhörnchen‘; kymr. gwiwer,
nir. (regional) georóg, iora, schott.-gäl. feorag
‚dss.‘.
Gewöhnlich wird das germ. Wort als eine Zss.
aus idg. *ai̯g- (**H₂ei̯g-) ‚sich heftig bewegen‘
(vgl. aind. éjati ‚regt sich, bewegt sich‘, aksl.
igrь ‚Spiel, Scherz‘, igrati ‚spielen, scherzen,
hüpfen‘ usw.; s. Pokorny 13 f.) und einer unre-
duplizierten Form *u̯er- des idg. Wortes für
‚Eichhörnchen‘ erklärt, also *ai̯g-u̯er-no- (mit
n-Ableitung, die u. a. in Vogel- und Tiernamen
vorkommt, wie z. B. ahd. hraban ‚Rabe‘ [<
*hrana-], for[a]hana ‚Forelle‘; aisl. bjǫrn ‚Bär‘
[< *ernu-] usw.) — oder viell. sogar eine redu-
plizierte Form *ai̯g-u̯eu̯er-no- mit haplologi-
schem Schwund der Reduplikationssilbe (so an-
scheinend Seebold, Germ. st. Verben 73). Die
ursprl. Bed. wäre in diesem Fall etwa ‚flinkes
Kleintier‘.
Eine andere Erklärung hat E. Seebold, IF 87
(1982), 175 ff.; Kluge²² 167 f. vorgeschlagen: ur-
germ. *aikurna- sei aus idg. *u̯oi̯u̯no- entstan-
den, indem idg. -u̯- zwischen i-Diphthong und
silbischem Liquid zu frühgerm. -g- geworden
sei; -g- sei dann durch die Lautverschiebung
weiter zu -k- verschoben, und das anlautende
w- dissimilatorisch geschwunden (wie viell.
auch in nir. iora, s. o.). Dieser sehr interessante
Erklärungsversuch beruht aber erstens auf ei-
nem unsicheren Lautgesetz, das nur durch ver-
einzelte Beispiele gestützt wird. Zweitens bietet
Seebolds urgerm. Rekonstruktion *aikurna-
Schwierigkeiten: so hält er ae. ācurna für die
ursprl. Form, die „schon sehr früh zu āc-weorna
umgestaltet“ wurde (Seebold, a. a. O. 176). Aber
ācurna kommt nur einmal vor, und zwar in den
Leidener Glossen, und ist vielleicht dem hoch-
deutschen Schreiber der Glossen zuzurechnen
(vgl. Sievers-Brunner, Ae. Gr.³ § 2 Anm. 4; Jor-
dan, Ae. Säugetiernamen 79); dagegen ist āc-
weorna u. ä. schon sehr früh (nach OED² I, 596
ab 800) mehrmals belegt. Nun, eine Schwä-
chung von *-werna zu *-orna, *-urna in dem
schwach betonten zweiten Teil einer Zss. ist
nichts Außergewöhnliches (vgl. ahd. heimort <
*heimwert, frammert, frammort < *framwert,
wurzala < *wurt-wala, ae. hlāford < *hlāf-
weard ‚Herr‘, fulluht < ful(l)wiht ‚Taufe‘ usw.
und s. Braune, Ahd. Gr.¹⁴ § 109 Anm. 4; Wil-
manns, Dt. Gr. II § 460; Sievers-Brunner,
a. a. O. § 173 Anm. 5); doch wie erklärt man die
umgekehrte Entwicklung von *-urna zu
*-we(o)rna? Dt. Eichhorn wurde an die existie-
renden Wörter Eiche und Horn angelehnt, aber
es gab kein ae. *we(o)rn(a), das das ae. Wort
hätte beeinflussen können.
Weder die eine noch die andere Etymologie ist ganz
befriedigend.
Nicht besser O. Schrader, BB 15 (1889), 133 f.; Kluge,
in den älteren (4.—10.) Aufl. seines Et. Wb.: aus germ.
*aikwa- (adj. wa-St. zur obigen idg. Wz. *ai̯g-) und
einem seltenen Diminutivsuffix *-erna, das sonst nur
in got. *widuwairna ‚Waise‘ und ahd. diorna usw.
‚Jungfrau, Mädchen‘ (s. d.) vorzukommen scheint.
Walde-Pokorny I, 11 f. 287 f.; Pokorny 13 f. 1166;
Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. II, 808; Ernout-Meil-
let, Dict. ét. lat.⁴ 742 f.; Berneker, Slav. et. Wb. I, 422;
Sadnik-Aitzetmüller, Handwb. z. d. aksl. Texten 35.
245 f.; Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 356 f.; Vasmer,
Russ. et. Wb. I, 176; Fraenkel, Lit. et. Wb. 1233 f.;
Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. IV, 512; Traut-
mann, Apreuß. Spr.denkm. 460; Dict. of Welsh 1673. —
A. Pictet, Zfvgl.Spr. 6 (1857), 188 f.; ders., Origines i.-
e.² (Paris, 1877), 448 ff.; J. Zubatý, Arch. f. slav. Phil.
16 (1894), 418 ff.; R. Much, ZfdA. 42 (1898), 166;
A. Mayer, Glotta 35 (1956), 155 ff.; E. P. Hamp, IF 77
(1972), 165 ff.
Zu den zahlreichen mdartl. Bezeichnungen für
das Eichhörnchen (Eicher, Eichkätzchen, -kater,
Katteiker, Baumfuchs usw.) vgl. Kretschmer,
Wortgeographie 183 f.; B. Martin, Teuthonista 1
(1924—25), 227 f. (mit Karte) und die Mund-
artwbb.
S. auch eichhermelîn.