*ensaAWB f. jō-St., nur Gl. 1, 336, 29 (8./9. Jh.)
ense akk. pl.: ‚Schleife, Schlinge, ansula‘.
Das ahd. Wort geht auf urgerm. *ansjō, idg.
*ansi̯ā (neben *ansā), zurück. Die zu dieser Sip-
pe gehörenden Wörter haben einen ziemlich
großen Bedeutungsumfang, der sich etwa wie
folgt zusammenfassen läßt: ‚Schleife, Schlinge
zum Fassen, Zügel, ringförmiger Henkel, Ring
zum Durchgehen einer Schnur‘. Germ. Ver-
wandte sind: aisl. æs f. (< *ansijō) ‚Schnür-
loch‘, nnorw. æs ‚Loch, in das etwas eingefügt
wird‘; wohl auch mndd. ōse ‚ringförmiger
Handgriff, Schlinge zum Festhalten, Öse‘
(*-ans- > *-ąs- > -ōs, s. Lasch, Mndd. Gr.
§ 24; zum i/ j-Umlaut s. u.); aus dem Mndd.
entlehnt spätmhd. (md., 15. Jh.) œse (s. u.), nhd.
Öse ‚kleiner Metallring; Schleife‘.
Da sowohl im Mndd. als auch im Md. der Umlaut von
ō meist unbezeichnet bleibt (vgl. Lasch, Mndd. Gr.
§ 42 ff.; Paul, Mhd. Gr.²³ § 41. 75), ist die gewöhnliche
Schreibweise ose (oder ôse). Jedoch wird das Vorhan-
densein des Umlauts sowohl durch Schreibvarianten
wie ese(n), oyse (vgl. Diefenbach, Gl. lat.-germ. 36) als
auch durch die nhd. Form Öse gesichert.
Die von Weigand, Dt. Wb.⁵ II, 349 und Kluge²² 520
u. a. bevorzugte Verknüpfung von Öse mit Öhr ist we-
niger wahrscheinlich, denn westgerm. Formen dieser
Sippe (→ ôra) mit -s- statt -r- (*-z-; gram. Wechsel)
sind sonst unbekannt.
Ahd. Wb. III, 297; Splett, Ahd. Wb. I, 1215; Starck-
Wells 126; Graff I, 388; Lexer II, 174 (ôse); Dt. Wb.
VII, 1368 (Öse); Trübners Dt. Wb. V, 37 (Öse); Klu-
ge²¹ 525 (Öse); Pfeifer, Et. Wb. 1211 (Öse). — Schil-
ler-Lübben, Mndd. Wb. III, 241; Vries, Anord. et.
Wb.² 681; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 31; Holthausen,
Vgl. Wb. d. Awestnord. 354; Torp, Nynorsk et. ordb.
88.
Außergerm. Vergleiche sind zahlreicher: gr.
ἡνία f. (öfter ἡνίαι f. pl. oder ἡνία n. pl.) ‚Zügel‘
(< *ansi̯ā), mir. ē[i]ssi pl. ‚dss.‘ (< *ansi-); lat.
ānsa ‚Griff, Henkel, Öse, Ende eines Seils (mit
einer Schlinge)‘; lit. ansà ‚Henkel, Griff‘, lett.
ùosa ‚Henkel, Schleife, Öse‘, apreuß. ansis
‚Kesselhaken‘ (aus dem Balt. stammt wohl finn.
ánsa ‚Schlinge‘; vgl. J. Kalima, Hirt-Festschrift
II, 208).
Die weitere Etymologie von idg. *ans(i̯)ā ist
dunkel. Versuche, die Grundform mit dem idg.
Wort für ‚Nase‘, *ns-, zu verknüpfen (zuerst
F. de Saussure, MSLP 7 [1892], 88; dann mit
Hilfe von Laryngalen J. Puhvel, Lang. 30
[1954], 456 f.) sind sicher verfehlt, denn aus ei-
ner davon vorausgesetzten Urbed. ‚Zaum, Zü-
gel‘ können alle anderen Bed. der Sippe kaum
entstanden sein. Nach Walde-Hofmann, Lat. et.
Wb. I, 41 f. 51 liegt eine idg. Wz. *am- ‚fassen‘
zugrunde (ānsa usw. < *amsā assimiliert, von
einem s-Stamm *ames-? vgl. Walde-Pokorny I,
68 f.), die auch in lat. ampla ‚Griff, Handhabe‘,
amplus ‚umfassend‘ vorkommt. Obgleich eine
Grundbed. ‚fassen‘ ganz plausibel ist, beruht
diese „Wurzeletymologie“ auf einer umstritte-
nen, selten belegten Wurzel. So ist fraglich, ob —
wegen der abweichenden Bedeutungen — aind.
ámatra- ‚Trinkgefäß, Schale‘ und arm. aman
‚Gefäß‘ zugehörig sind (vgl. Mayrhofer, Et.
Wb. d. Altindoar. I, 96 f., der auch weitere Ver-
gleichsmöglichkeiten erwägt; anders C. Wat-
kins, Lang. 35 [1959], 18 ff.). Alles sehr zweifel-
haft.
Klingenschmitt, Altarm. Verbum 118 f. weist für arm.
aman zwar auf die Möglichkeit einer Entlehnung aus
dem Iran. hin; doch könne in arm. amanam ‚etwas in
etwas einfüllen, hineinwerfen; (Schminke auf die Au-
gen) auftragen, auflegen‘ der Fortsetzer der z. B. aind.
ámatra- zugrundeliegenden Verbalwurzel, die mögli-
cherweise mit air. ad-aim ‚wäscht (Hände und Füße)‘
< *ame/ o- [**H₂emH-] zu verbinden ist (vgl. Wat-
kins, a. a. O.), enthalten sein.
Pokorny 48; Frisk, Gr. et. Wb. I, 637; Chantraine,
Dict. ét. gr. 413; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 35; Ge-
orges, Ausführl. lat.-dt. Handwb. I, 454; Dict. of Irish
E-96; Pedersen, Vgl. Gr. d. kelt. Spr. I, 47 (jedoch zu
*ns-); Fraenkel, Lit. et. Wb. 18; Mühlenbach-Endze-
lin, Lett.-dt. Wb. IV, 420 f.; Trautmann, Apreuß.
Spr.denkm. 300 f. — Persson, Beitr. z. idg. Wortf. 1 ff.;
A. Walde, Streitberg-Festschrift 152 f.