*ensa
Band II, Spalte 1078
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*ensaAWB f. jō-St., nur Gl. 1, 336, 29 (8./9. Jh.)
ense akk. pl.: Schleife, Schlinge, ansula.

Das ahd. Wort geht auf urgerm. *ansjō, idg.
*ansā (neben *ansā), zurück. Die zu dieser Sip-
pe gehörenden Wörter haben einen ziemlich
großen Bedeutungsumfang, der sich etwa wie
folgt zusammenfassen läßt: Schleife, Schlinge
zum Fassen, Zügel, ringförmiger Henkel, Ring
zum Durchgehen einer Schnur
. Germ. Ver-
wandte sind: aisl. æs f. (< *ansijō) Schnür-
loch
, nnorw. æs Loch, in das etwas eingefügt
wird
; wohl auch mndd. ōse ringförmiger
Handgriff, Schlinge zum Festhalten, Öse

(*-ans- > *-s- > -ōs, s. Lasch, Mndd. Gr.
§ 24; zum i/ j-Umlaut s. u.); aus dem Mndd.
entlehnt spätmhd. (md., 15. Jh.) œse (s. u.), nhd.
Öse kleiner Metallring; Schleife.

Da sowohl im Mndd. als auch im Md. der Umlaut von
ō meist unbezeichnet bleibt (vgl. Lasch, Mndd. Gr.
§ 42 ff.; Paul, Mhd. Gr.²³ § 41. 75), ist die gewöhnliche
Schreibweise ose (oder ôse). Jedoch wird das Vorhan-
densein des Umlauts sowohl durch Schreibvarianten
wie ese(n), oyse (vgl. Diefenbach, Gl. lat.-germ. 36) als
auch durch die nhd. Form Öse gesichert.

Die von Weigand, Dt. Wb.⁵ II, 349 und Kluge²² 520
u. a. bevorzugte Verknüpfung von Öse mit Öhr ist we-
niger wahrscheinlich, denn westgerm. Formen dieser
Sippe ( ôra) mit -s- statt -r- (*-z-; gram. Wechsel)
sind sonst unbekannt.

Ahd. Wb. III, 297; Splett, Ahd. Wb. I, 1215; Starck-
Wells 126; Graff I, 388; Lexer II, 174 (ôse); Dt. Wb.
VII, 1368 (Öse); Trübners Dt. Wb. V, 37 (Öse); Klu-
ge²¹ 525 (Öse); Pfeifer, Et. Wb. 1211 (Öse). Schil-
ler-Lübben, Mndd. Wb. III, 241; Vries, Anord. et.
Wb.² 681; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 31; Holthausen,
Vgl. Wb. d. Awestnord. 354; Torp, Nynorsk et. ordb.
88.

Außergerm. Vergleiche sind zahlreicher: gr.
ἡνία f. (öfter ἡνίαι f. pl. oder ἡνία n. pl.) Zügel
(< *ansā), mir. ē[i]ssi pl. dss. (< *ansi-); lat.
ānsa Griff, Henkel, Öse, Ende eines Seils (mit
einer Schlinge)
; lit. ansà Henkel, Griff, lett.
ùosa Henkel, Schleife, Öse, apreuß. ansis
Kesselhaken (aus dem Balt. stammt wohl finn.
ánsa Schlinge; vgl. J. Kalima, Hirt-Festschrift
II, 208).

Die weitere Etymologie von idg. *ans()ā ist
dunkel. Versuche, die Grundform mit dem idg.
Wort für Nase, *ns-, zu verknüpfen (zuerst
F. de Saussure, MSLP 7 [1892], 88; dann mit
Hilfe von Laryngalen J. Puhvel, Lang. 30
[1954], 456 f.) sind sicher verfehlt, denn aus ei-
ner davon vorausgesetzten Urbed. Zaum, Zü-
gel
können alle anderen Bed. der Sippe kaum
entstanden sein. Nach Walde-Hofmann, Lat. et.
Wb. I, 41 f. 51 liegt eine idg. Wz. *am- fassen
zugrunde (ānsa usw. < *amsā assimiliert, von
einem s-Stamm *ames-? vgl. Walde-Pokorny I,
68 f.), die auch in lat. ampla Griff, Handhabe,
amplus umfassend vorkommt. Obgleich eine
Grundbed. fassen ganz plausibel ist, beruht
diese Wurzeletymologie auf einer umstritte-
nen, selten belegten Wurzel. So ist fraglich, ob
wegen der abweichenden Bedeutungen aind.
ámatra- Trinkgefäß, Schale und arm. aman
Gefäß zugehörig sind (vgl. Mayrhofer, Et.
Wb. d. Altindoar. I, 96 f., der auch weitere Ver-
gleichsmöglichkeiten erwägt; anders C. Wat-
kins, Lang. 35 [1959], 18 ff.). Alles sehr zweifel-
haft.

Klingenschmitt, Altarm. Verbum 118 f. weist für arm.
aman zwar auf die Möglichkeit einer Entlehnung aus
dem Iran. hin; doch könne in arm. amanam etwas in
etwas einfüllen, hineinwerfen; (Schminke auf die Au-
gen) auftragen, auflegen
der Fortsetzer der z. B. aind.
ámatra- zugrundeliegenden Verbalwurzel, die mögli-
cherweise mit air. ad-aim wäscht (Hände und Füße)
< *ame/ o- [**HemH-] zu verbinden ist (vgl. Wat-
kins, a. a. O.), enthalten sein.

Pokorny 48; Frisk, Gr. et. Wb. I, 637; Chantraine,
Dict. ét. gr. 413; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 35; Ge-
orges, Ausführl. lat.-dt. Handwb. I, 454; Dict. of Irish
E-96; Pedersen, Vgl. Gr. d. kelt. Spr. I, 47 (jedoch zu
*ns-); Fraenkel, Lit. et. Wb. 18; Mühlenbach-Endze-
lin, Lett.-dt. Wb. IV, 420 f.; Trautmann, Apreuß.
Spr.denkm. 300 f. Persson, Beitr. z. idg. Wortf. 1 ff.;
A. Walde, Streitberg-Festschrift 152 f.

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