fîrraAWB, fîraAWB f. jō-St. (seit dem 9. Jh.), f. jōn-
St. (seit dem 12. Jh.), in Gl., Murb. H., bei
Notker: ‚Fest, Feier, Feiertag, Ruhe, fēriae,
sabbatum, otium‘ 〈Var.: u-, v-; -ie-〉. Das Wort
ist aus spätlat. fēria ‚Feiertag, Festtag‘ entlehnt
und hat einheimisches itmâlî ‚Fest‘ (Abrogans,
Tatian) (→ itmâlî) verdrängt. Den Wandel von
lat. /ē/ zu ahd. /ī/ (vgl. auch ahd. f. n-St. krî-
da ‚Kreide‘ < lat. crēta, f. ō-St. sîda ‚Seide‘ <
lat. sēta) schreibt L. Weisgerber (in Rhein.
Vj.blätter 17 [1952], 24) dem Einfluß irischer
Missionstätigkeit zu, da lat. ē im Kelt. als ī er-
scheint; vgl. entlehntes air. síta m. ‚Seide‘.
Sonst wird lat. /ē/ mit ahd. /ē²/, das sich im
9. Jh. zu 〈ia〉, 〈ie〉 entwickelt, wiedergege-
ben; vgl. briaf, brief < lat. breve, ahd. ziegal
< lat. tēgula.
Die Flexion als jō(n)-St. hat in der Gemination
des -r- vor *-j- ihren graphischen Ausdruck
〈rr〉 gefunden. Noch im 12. Jh. ist die Doppel-
schreibung nachweisbar (vgl. Schlettst. Cod.
Ms. 7 nom. sg. vīrra, nom. pl. fīrro; vgl. Simm-
ler, Westgerm. Kons.gemin. 279 [weiteres Beleg-
material zu fîrra noch 278 u. Anm. 150, 282, 285
u. Anm. 231], s. auch Schatz, Ahd. Gr. § 262),
Einfachgraphie der Geminate kommt bei dem
Wort erstmals im 10. Jh. vor (Gl. 1, 467, 2 [Cod.
Vindob. 2732]), gehäuft dann im 12. Jh. — Mhd.
vîre, vîere, vîer st.f. ‚Festtag, Feier‘ (als st. n. in
Frauenlob 361, 6 daz vîre halt, daz ist gesetzet
wahrscheinlich in Anlehnung an n. fest),
frühnhd. feire f. (Luther), nhd. Feier f.
Im klass. Lat. begegnet nur das Pluraletantum fēriae,
älter fēsiae. Der Sg. ist seit dem 5. Jh. in christl. Texten
belegt, wo er zur Bezeichnung einzelner Wochentage
verwendet wird. Doch ist auch für den Sg. die Bedeu-
tung ‚Fest, Festtag‘ überliefert. Die zugrundeliegende
Wz. uridg. *dhēs- [**dheH₁s-] begegnet auch sonst in
religiösen Begriffen, vgl. osk. fíísíaís ‚Festtage‘ < ur-
idg. [**dheH₁s-i̯eH₂-], osk. fíísnú ‚Tempel‘, umbr. fes-
naf ‚ds.‘ < [**dheH₁s-neH₂-], arm. dikՙ ‚Götter‘ < ur-
idg. [**dheH₁s-], die tiefstufige Wz. ist fortgesetzt in
lat. fānum ‚Heiligtum‘ < urit. *fasno- < uridg.
[**dhǝ₁s-no-], gr. θέσφατος ‚von Gott verkündet‘ <
uridg. [**dhǝ₁s-bhǝ₂-to-], gr. θεός ‚Gott‘ < urgr. *the-
sós < uridg. [**dhǝ₁só-] (Pokorny 259, Untermann,
Wb. d. Osk.-Umbr. 281 f.; zweifelnd Lindeman, La-
ryngeal Theory 169 Anm. 202; weiterführend
B. Forssman, Kratylos 45 [2000], 71).
Ahd. Wb. III, 901 ff.; Splett, Ahd. Wb. I, 237; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 267 f.; Schützeichel⁵ 134; Starck-
Wells 155; Schützeichel, Glossenwortschatz III, 176 f.;
Graff III, 664 f.; Schade 197; Lexer III, 362 f.; Benek-
ke III, 325 f.; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 230 (feria);
Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 259 (feriae). 458 (otium).
581 (sabbatum); Dt. Wb. III, 325 f.; Kluge²¹ 189; Klu-
ge²⁴ 283; Pfeifer, Et. Wb.² 332. — Braune, Ahd. Gr.¹⁵
§ 36c; Schatz, Ahd. Gr. § 19; Wilmanns, Dt. Gr. I
§ 189, 4; Simmler, a. a. O. 278 ff.; I. Strasser, in Iren u.
Europa 401.
As. fīra (Wadstein, Kl. as. Spr.denkm. 90, 27 ui-
re ‚ferię‘ [Prudentiusgl. in einer Werdener
Hs.]), mndd. vīre f., vīr f.n. ‚kirchliches Fest,
Feiertagsruhe, Feier‘; andfrk. *fīre wegen der
aostndfrk. Ableitungen fīringa ‚Feier‘ und fīrlīc
‚festlich, feierlich‘, mndl. viere ‚Festtag, Rüst-
tag‘; afries. fīre f. ‚Feier‘, nostfries. fīr ‚Feier,
Ruhe, Ruhetag‘ gehen ebenfalls auf spätlat. fēria
zurück. Dagegen leitet sich me. fērie, ne. ferie
(veraltet) ‚Feier, Feiertag, Fest‘ aus afrz. feire
her.
Holthausen, As. Wb. 20; Wadstein, Kl. as. Spr.denkm.
239; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 729;
Schiller-Lübben, Mndd. Wb. V, 259; Helten,
Aostndfrk. Psalmenfrg. 99; Quak, Wortkonkordanz z.d.
amittel- u. andfrk. Ps. 54; Verdam, Mndl. handwb.
712; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 741; Vries, Ndls. et.
wb. 782; Holthausen, Afries. Wb.² 27; Richthofen,
Afries. Wb. 743; Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries.
Spr. I, 487; ME Dict. E-F, 504; OED² V, 837 f. —
Diez, Et. Wb. d. rom. Spr.⁵ 139; Frings, Germania Ro-
mana II, 251 ff.