fûrenAWB sw. v. I, nur in Gl. 2, 261, 38 (furen :
eunuchizare [lies eunuchizari]) aus dem 10./
11. Jh.: ‚entmannen‘. Die Glosse ist frk. (vgl.
Schatz, Ahd. Gr. § 43; anders Wadstein, Kl.
as. Spr.denkm. 82. 242, der sie dem As. zuord-
net). Vom Kompositum irfûren (s. d.) sind bei
Tatian auch Formen mit -iu- als Bezeichnung
des durch i-Umlaut entstandenen /ǖ/ belegt
(vgl. Braune, Ahd. Gr.¹⁵ § 42). Im Mhd. und
Nhd. ist das Verb nicht mehr fortgesetzt.
Ahd. Wb. III, 1376; Splett, Ahd. Wb. I, 276; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 297 (fiuren!); Starck-Wells 185. 847;
Schützeichel, Glossenwortschatz III, 348; Graff III,
668; Schade 235; Raven, Schw. Verben d. Ahd. I, 52;
Diefenbach, Gl. lat.-germ. 565 (sulcare); Götz, Lat.-
ahd.-nhd. Wb. 231 (eunuchizare). — Schatz, Ahd. Gr.
37; Krüer, Bindevokal 84.
Es gibt im Germ. nur wenig Vergleichsmaterial:
mndl. vuren und ae. fȳran ‚verschneiden, ka-
strieren‘: < westgerm. *fūrje/a-. Es liegt hierbei
ein ursprünglich primäres Verbum vor, von dem
das Hinterglied in ur-fûr ‚Entmannter, Kastrat‘
(s. d.) abgeleitet ist. Ohne das Suffix -ra- ist
ndd. fūen ‚schlagen‘ belegt.
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 1019. 1038;
Schiller-Lübben, Mndd. Wb. V, 653 f.; Verdam, Mndl.
handwb. 756; Holthausen, Ae. et. Wb. 120; Bos-
worth-Toller, AS Dict. 351.
Die Ableitungsbasis von urgerm. *fūrje/a- ist
vermutlich eine uridg. Wurzel *pi̯ā- [**pi̯eH₂-]
‚schlagen‘, die nur mit Erweiterungen vor-
kommt; vgl. mit u-Erweiterung gr. παίω ‚ich
schlage‘, lat. pauīre ‚schlagen‘, lit. piáuti
‚schneiden, mähen, quälen‘, lett. pl’aût ‚mähen,
schlagen‘ (< *pi̯-u-/*pī-u- [**pi̯éH₂-u-/
**piH₂-u-] mit Dissimilation des *i̯ im Lat. und
Gr.), mit k-Erweiterung toch. B pyakar
(3.pl.prät.) ‚sie schlugen nieder‘ (< *pi̯-k-
[**pi̯éH₂-k-]; abzulehnen ist dagegen Adams,
Dict. of Toch. B 407 f.: Verbindung mit ahd. feh-
tan ‚fechten‘). Ableitungen von der Verbalwur-
zel sind in apreuß. piuclan ‚Sichel‘, lit. pjúklas
‚Säge‘, piówė ‚Schneiden, Schnitt‘, lett. płâwa
‚Ernte‘, nruss. pljócha ‚Ohrfeige‘ belegt. Die
germ. Form mit langem *-ū- läßt sich von der
schwundstufigen Wurzelstufe mit Laryngalme-
tathese erklären, also [**piH₂u-] > [**pi̯uH₂-],
mit anschließender Dissimilation des *i̯.
Der Ansatz der uridg. Wurzel von Schrijver, Reflexes
256 ohne *i̯ muß wegen der baltoslaw. Formen als ver-
fehlt gelten.
Walde-Pokorny II, 12; Pokorny 827; LIV² 481 f.;
Fick I (Idg.)⁴ 470; Boisacq, Dict. ét. gr.⁴ 740; Frisk,
Gr. et. Wb. II, 464; Chantraine, Dict. ét. gr. 850;
Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. II, 267 f.; Ernout-Meil-
let, Dict. ét. lat.⁴ 490; Trautmann, Balt.-Slav. Wb.
217; Vasmer, Russ. et. Wb. II, 378; Fraenkel, Lit. et.
Wb. 584; Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. III,
366 f.; Trautmann, Apreuß. Spr.denkm. 400; Winde-
kens, Le tokharien 75. — S. Bugge, Zfvgl. Spr. 19
(1870), 413 ff.; E. Berneker, IF 10 (1899), 160; E. Zu-
pitza, Zfvgl. Spr. 40 (1905—06), 255; F. Holthausen,
IF 32 (1913), 336; P. Kretschmer, Glotta 10 (1920),
164 f.