fûst
Band III, Spalte 682
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fûstAWB f. i-St., seit dem 8. Jh., in Gl., Notker,
Tatian: Faust, eine Handvoll (als Maßein-
heit), pugnus, vola, pugillus, palmus
Var.:
fuust, fvsth, u-, fiust-, faust, west Gl. 3, 71, 58
SH. Der Dat.Pl. fuston in Gl. 1, 74, 11. 75, 11
ist nach der ō-Dekl. gebildet. Die Graphie iu
für den Umlaut ǖ tritt nur bei Notker regelmä-
ßig auf, meist bleibt der Umlaut unbezeichnet
(vgl. Braune, Ahd. Gr.¹⁵ § 42 Anm. 1). Mhd.
vûst, foust st.f., fûste sw. f., daneben alem.
vunst (mit alem. Einschub von -n- vorwiegend
vor Frikativ; vgl. Weinhold, Mhd. Gr.² § 216
u. ders., Alem. Gr. § 201: wolunst Wollust,
clönster Klöster, bünschel Büschel; in bair.
einen faunzen ihm Fauststöße versetzen
[Schmeller, Bayer. Wb.² I, 545], steir. faunze
Ohrfeige, obersächs. faunze dss. neben fau-
ze dss. [Unger-Khull, Steir. Wortschatz 215;
Frings-Große, Wb. d. obersächs. Mdaa. I,
592 f.] ist das -n- eher expressiv wie in anderen
Schallwörtern; vgl. bair. panschen neben pat-
schen; zur expressiven Nasalierung im Germ.
s. Lühr, Expressivität 92 ff., bes. 181); nhd.
Faust.

Ahd. Wb. III, 1407 f.; Splett, Ahd. Wb. I, 277; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 348 f.; Schützeichel⁵ 145; Starck-
Wells 187. 813; Schützeichel, Glossenwortschatz III,
362; Seebold, ChWdW8 139; Graff III, 726; Schade
236; Lexer III, 619 f.; Benecke III, 448. 436; Diefen-
bach, Gl. lat.-germ. 471 (pugillus, pugnus); Götz,
Lat.-ahd.-nhd. Wb. 461 (palmus). 539 (pugillus, pug-
nus). 718 (vola); Dt. Wb. III, 1378 ff.; Kluge²¹ 187;
Kluge²⁴ 280; Pfeifer, Et. Wb.² 329.

Die Entsprechungen sind nur westgerm.: as.
fūst, mndd. fūst; mndl. vuust, nndl. vuist; afries.
fēst; ae. fst, me. fst, ne. fist < urgerm. *fūsti-
< *funχsti-.

Fick III (Germ.)⁴ 243. 568; Holthausen, As. Wb. 24;
Wadstein, Kl. as. Spr.denkm. 243; Lasch-Borchling,
Mndd. Handwb. I, 1, 1042 f.; Schiller-Lübben, Mndd.
Wb. V, 566 f.; Verdam, Mndl. handwb. 757; Franck,
Et. wb. d. ndl. taal² 765; Vries, Ndls. et. wb. 807;
Holthausen, Afries. Wb.² 26; Richthofen, Afries. Wb.
735; Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I,
575 f.; Dijkstra, Friesch Wb. I, 435; Holthausen, Ae.
et. Wb. 121; Bosworth-Toller, AS Dict. 355; Suppl.
277; ME Dict. E-F, 595 f.; OED² V, 971 f.; Oxf. Dict.
of Engl. Et. 358; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 150 (s. v.
figgrs). 244 f. (s. v. handus); Lehmann, Gothic Et. Dict.
F-47 (*figgrs).

Verwandte finden sich nur im Baltoslaw.: serb.-
ksl. pstь πυγμή, aruss. pjastь Faust, russ.
pjást’ flache Hand, Mittelhand, serbo-kroat.
pȅst dss., slowen. pst Faust, hohle Hand,
Handvoll
, tschech. pěst Faust, poln. pi
dss. < urslaw. *pьnstь < vorurslaw. *psti- <
*pksti-. In lit. kùmst Faust, lett. kumste dss.
ist Metathese eingetreten (bereits F. de Saussu-
re, MSLP 7 [1892], 93; vgl. auch G. Schmidt,
IF 97 [1992], 230), weshalb das Wort nicht zu
lit. kumpstù, kupti sich bücken, krumm wer-
den
, gr. κάμπτω krümme, biege < uridg.
*kamp- krümmen, biegen gehört (so Walde-
Pokorny II, 84). Die germ. und slaw. Wörter für
Faust gehören wahrscheinlich zu uridg. *pén-
ke fünf (wohl ursprl. Lokativ in der Faust ei-
ner Wz. uridg. penk-; fimf u. vgl. Szeme-
rényi, Stud. in IE Numerals 113 f.). Vorurgerm.
*pk-stí- und vorurbaltoslaw. *pk-stí- Faust
mit -sti-Suffix (als Ersatz von -ti- bei kons. ausl.
Wz.) könnten dann Varianten auf -sti- zum
Zahlabstraktum uridg. *pénk-ti-s/*pk--s
Fünfzahl sein (zur Wortbildung vgl. Krahe-
Meid, Germ. Sprachwiss. III § 128, speziell 2.b.).
Danach wäre im germ. und baltoslaw. Wort
Faust die Grundbedeutung (Zusammenbal-
lung
?) erhalten, während die Bedeutungen von
Numerale und Zahlabstraktum sekundär sein
müßten, eine Annahme, die wegen der Be-
schränkung auf das Germ. und Baltoslaw. aber
nur eine Möglichkeit bleibt. Dagegen führt
G. Klingenschmitt (in Lautgeschichte und Etymo-
logie 214 Anm. 14) ahd. fûst, serb.-ksl. pstь, lit.
kùmstis, kùmtis Faust auf einen uridg. Lok.
[**pk-stH₂-i-] in der Faust, eigtl. Stelle, wo
die fünf (Finger) stehen
(mit Schwundst. von ur-
idg. [**steH₂-] sich hinstellen) zurück; doch
ist die Faust gerade durch die zusammengeball-
ten Finger charakterisiert.

Anders Hill, Sandhi d. Idg. 130 ff., der urgerm.
*funχsti- auf eine vorurgerm. Ableitung *p-
sti- von der Verbalwz. *pán-/*p- greifen,
fassen
zurückführt, einer -n-Infix-Bildung zu
uridg. [**peH-] fest machen.

Walde-Hofmann, a. a. O. 383 trennen gr. πυγμή f.
Faust, Faustkampf < [**pu()maH₂-], πυγών m.
Elle < *pu()ōn, adv. πύξ mit der Faust, fäustlings
(erstarrter Nom. Sg. eines Wz.-Nomens *πύγ-ς; vgl.
D. J. Georgacas, Glotta 36 [1958], 180), lat. pugil m.
Faustkämpfer < *pu()ilo-, pugillus m. Handvoll <
*pu()inlo- und lat. pūgnus m. Faust, pūgna f.
(Faust-)Kampf < [**pu()no-/-naH₂-] (mit lautge-
setzlicher Dehnung von -u- vor -gn-; vgl. Meiser,
Hist. Laut- u. Formenlehre d. lat. Spr. § 58, 2) zu Recht
von den germ. und baltoslaw. Wörtern für Faust, da
die lat. und gr. Formen tiefstufige Ableitungen einer
Wz. vorurgr., vorurlat. *pe()- stechen sind. Den
angeführten nominalen Bildungen liegt demnach
*pu()- Faust als wohl suffixloses Nomen agentis
*Stecher, Boxer zugrunde, wobei eine Bedeutungs-
spezialisierung von stechen zu mit geballter Faust
und vorgestreckten Knöcheln
anzunehmen ist. Verbal
ist die Wurzel *pe()-/pu()- in lat. pungō ich steche
(mit Nasalinfix) fortgesetzt.

Ein Ansatz mit * oder *g läßt sich anhand des Gr.
und Lat. nicht entscheiden. Da aber neben *pe()-
eine Variante *pe- existiert, deren palatales *
durch lit. puis Fichte erwiesen ist, ist aus lautlichen
Gründen ein Ansatz mit * vorzuziehen.

Walde-Pokorny II, 84; Pokorny 839. 525; LIV² 342.
480. 590; Mann, IE Comp. Dict. 968; Mayrhofer, K.
et. Wb. d. Aind. 187 (s. v. ñca); ders., Et. Wb. d. Alt-
indoar. II, 66 (s. v. pañca); Boisacq, Dict. ét. gr.
825 f.; Frisk, Gr. et. Wb. II, 619 f.; Chantraine, Dict.
ét. gr. 882; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. II, 248. 383;
Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 543. 480; Körting, Lat.-
rom. Wb.³ Nr. 7514; Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³
Nr. 6814; Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 218 f.; Miklo-
sich, Et. Wb. d. slav. Spr. 239; Vasmer, Russ. et. Wb.
II, 477; III, 520; Fraenkel, Lit. et. Wb. 309 f.; Müh-
lenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. II, 312.

S. fimf.

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