fûstAWB f. i-St., seit dem 8. Jh., in Gl., Notker,
Tatian: ‚Faust, eine Handvoll (als Maßein-
heit), pugnus, vola, pugillus, palmus‘ 〈Var.:
fuust, fvsth, u-, fiust-, faust, west Gl. 3, 71, 58
SH〉. Der Dat.Pl. fuston in Gl. 1, 74, 11. 75, 11
ist nach der ō-Dekl. gebildet. Die Graphie 〈iu〉
für den Umlaut ǖ tritt nur bei Notker regelmä-
ßig auf, meist bleibt der Umlaut unbezeichnet
(vgl. Braune, Ahd. Gr.¹⁵ § 42 Anm. 1). — Mhd.
vûst, foust st.f., fûste sw. f., daneben alem.
vunst (mit alem. Einschub von -n- vorwiegend
vor Frikativ; vgl. Weinhold, Mhd. Gr.² § 216
u. ders., Alem. Gr. § 201: wolunst ‚Wollust‘,
clönster ‚Klöster‘, bünschel ‚Büschel‘; in bair.
einen faunzen ‚ihm Fauststöße versetzen‘
[Schmeller, Bayer. Wb.² I, 545], steir. faunze
‚Ohrfeige‘, obersächs. faunze ‚dss.‘ neben fau-
ze ‚dss.‘ [Unger-Khull, Steir. Wortschatz 215;
Frings-Große, Wb. d. obersächs. Mdaa. I,
592 f.] ist das -n- eher expressiv wie in anderen
Schallwörtern; vgl. bair. panschen neben pat-
schen; zur „expressiven“ Nasalierung im Germ.
s. Lühr, Expressivität 92 ff., bes. 181); nhd.
Faust.
Ahd. Wb. III, 1407 f.; Splett, Ahd. Wb. I, 277; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 348 f.; Schützeichel⁵ 145; Starck-
Wells 187. 813; Schützeichel, Glossenwortschatz III,
362; Seebold, ChWdW8 139; Graff III, 726; Schade
236; Lexer III, 619 f.; Benecke III, 448. 436; Diefen-
bach, Gl. lat.-germ. 471 (pugillus, pugnus); Götz,
Lat.-ahd.-nhd. Wb. 461 (palmus). 539 (pugillus, pug-
nus). 718 (vola); Dt. Wb. III, 1378 ff.; Kluge²¹ 187;
Kluge²⁴ 280; Pfeifer, Et. Wb.² 329.
Die Entsprechungen sind nur westgerm.: as.
fūst, mndd. fūst; mndl. vuust, nndl. vuist; afries.
fēst; ae. fȳst, me. fst, ne. fist < urgerm. *fūsti-
< *funχsti-.
Fick III (Germ.)⁴ 243. 568; Holthausen, As. Wb. 24;
Wadstein, Kl. as. Spr.denkm. 243; Lasch-Borchling,
Mndd. Handwb. I, 1, 1042 f.; Schiller-Lübben, Mndd.
Wb. V, 566 f.; Verdam, Mndl. handwb. 757; Franck,
Et. wb. d. ndl. taal² 765; Vries, Ndls. et. wb. 807;
Holthausen, Afries. Wb.² 26; Richthofen, Afries. Wb.
735; Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I,
575 f.; Dijkstra, Friesch Wb. I, 435; Holthausen, Ae.
et. Wb. 121; Bosworth-Toller, AS Dict. 355; Suppl.
277; ME Dict. E-F, 595 f.; OED² V, 971 f.; Oxf. Dict.
of Engl. Et. 358; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 150 (s. v.
figgrs). 244 f. (s. v. handus); Lehmann, Gothic Et. Dict.
F-47 (*figgrs).
Verwandte finden sich nur im Baltoslaw.: serb.-
ksl. pęstь ‚πυγμή‘, aruss. pjastь ‚Faust‘, russ.
pjást’ ‚flache Hand, Mittelhand‘, serbo-kroat.
pȅst ‚dss.‘, slowen. pȇst ‚Faust, hohle Hand,
Handvoll‘, tschech. pěst ‚Faust‘, poln. pięść
‚dss.‘ < urslaw. *pьnstь < vorurslaw. *psti- <
*pksti-. In lit. kùmstė ‚Faust‘, lett. kumste ‚dss.‘
ist Metathese eingetreten (bereits F. de Saussu-
re, MSLP 7 [1892], 93; vgl. auch G. Schmidt,
IF 97 [1992], 230), weshalb das Wort nicht zu
lit. kumpstù, kum̃pti ‚sich bücken, krumm wer-
den‘, gr. κάμπτω ‚krümme, biege‘ < uridg.
*kamp- ‚krümmen, biegen‘ gehört (so Walde-
Pokorny II, 84). Die germ. und slaw. Wörter für
‚Faust‘ gehören wahrscheinlich zu uridg. *pén-
ku̯e ‚fünf‘ (wohl ursprl. Lokativ ‚in der Faust‘ ei-
ner Wz. uridg. penku̯-; → fimf u. vgl. Szeme-
rényi, Stud. in IE Numerals 113 f.). Vorurgerm.
*pku̯-stí- und vorurbaltoslaw. *pk-stí- ‚Faust‘
mit -sti-Suffix (als Ersatz von -ti- bei kons. ausl.
Wz.) könnten dann Varianten auf -sti- zum
Zahlabstraktum uridg. *pénku̯-ti-s/*pku̯-téi̯-s
‚Fünfzahl‘ sein (zur Wortbildung vgl. Krahe-
Meid, Germ. Sprachwiss. III § 128, speziell 2.b.).
Danach wäre im germ. und baltoslaw. Wort
‚Faust‘ die Grundbedeutung (‚Zusammenbal-
lung‘?) erhalten, während die Bedeutungen von
Numerale und Zahlabstraktum sekundär sein
müßten, eine Annahme, die wegen der Be-
schränkung auf das Germ. und Baltoslaw. aber
nur eine Möglichkeit bleibt. Dagegen führt
G. Klingenschmitt (in Lautgeschichte und Etymo-
logie 214 Anm. 14) ahd. fûst, serb.-ksl. pęstь, lit.
kùmstis, kùmštis ‚Faust‘ auf einen uridg. Lok.
[**pku̯-stH₂-i-] ‚in der Faust‘, eigtl. ‚Stelle, wo
die fünf (Finger) stehen‘ (mit Schwundst. von ur-
idg. [**steH₂-] ‚sich hinstellen‘) zurück; doch
ist die Faust gerade durch die zusammengeball-
ten Finger charakterisiert.
Anders Hill, Sandhi d. Idg. 130 ff., der urgerm.
*funχsti- auf eine vorurgerm. Ableitung *p-
sti- von der Verbalwz. *pán-/*p- ‚greifen,
fassen‘ zurückführt, einer -n-Infix-Bildung zu
uridg. [**peH₂-] ‚fest machen‘.
Walde-Hofmann, a. a. O. 383 trennen gr. πυγμή f.
‚Faust, Faustkampf‘ < [**pu(g̑)maH₂-], πυγών m.
‚Elle‘ < *pu(g̑)ōn, adv. πύξ ‚mit der Faust, fäustlings‘
(erstarrter Nom. Sg. eines Wz.-Nomens *πύγ-ς; vgl.
D. J. Georgacas, Glotta 36 [1958], 180), lat. pugil m.
‚Faustkämpfer‘ < *pu(g̑)ilo-, pugillus m. ‚Handvoll‘ <
*pu(g̑)inlo- und lat. pūgnus m. ‚Faust‘, pūgna f.
‚(Faust-)Kampf‘ < [**pu(g̑)no-/-naH₂-] (mit lautge-
setzlicher Dehnung von -u- vor -gn-; vgl. Meiser,
Hist. Laut- u. Formenlehre d. lat. Spr. § 58, 2) zu Recht
von den germ. und baltoslaw. Wörtern für ‚Faust‘, da
die lat. und gr. Formen tiefstufige Ableitungen einer
Wz. vorurgr., vorurlat. *peu̯(g̑)- ‚stechen‘ sind. Den
angeführten nominalen Bildungen liegt demnach
*pu(g̑)- ‚Faust‘ als wohl suffixloses Nomen agentis
*‚Stecher, Boxer‘ zugrunde, wobei eine Bedeutungs-
spezialisierung von ‚stechen‘ zu ‚mit geballter Faust
und vorgestreckten Knöcheln‘ anzunehmen ist. Verbal
ist die Wurzel *peu̯(g̑)-/pu(g̑)- in lat. pungō ‚ich steche‘
(mit Nasalinfix) fortgesetzt.
Ein Ansatz mit *g̑ oder *g läßt sich anhand des Gr.
und Lat. nicht entscheiden. Da aber neben *peu̯(g̑)-
eine Variante *peu̯- existiert, deren palatales *
durch lit. pušis ‚Fichte‘ erwiesen ist, ist aus lautlichen
Gründen ein Ansatz mit *g̑ vorzuziehen.
Walde-Pokorny II, 84; Pokorny 839. 525; LIV² 342.
480. 590; Mann, IE Comp. Dict. 968; Mayrhofer, K.
et. Wb. d. Aind. 187 (s. v. páñca); ders., Et. Wb. d. Alt-
indoar. II, 66 (s. v. pañca); Boisacq, Dict. ét. gr.⁴
825 f.; Frisk, Gr. et. Wb. II, 619 f.; Chantraine, Dict.
ét. gr. 882; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. II, 248. 383;
Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 543. 480; Körting, Lat.-
rom. Wb.³ Nr. 7514; Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³
Nr. 6814; Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 218 f.; Miklo-
sich, Et. Wb. d. slav. Spr. 239; Vasmer, Russ. et. Wb.
II, 477; III, 520; Fraenkel, Lit. et. Wb. 309 f.; Müh-
lenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. II, 312.
S. fimf.