falkAWB m. a-St., nur in 2 Hss. des 12. Jh.s; fal-
koAWB m. n-St., seit dem 9. Jh. überwiegend in
Gl.-Hss., im Wiener Notker und in Kaiser-
und Königsurkunden seit 960: ‚Falke, zur Bei-
ze abgerichteter Raubvogel, capus, falco, ha-
liaetos, herodius, ixion‘ 〈Var.: v-; -ch(-), -c(-);
-c(h)k; falucho〉, PN Falacho. — Mhd. valke,
nhd. Falke.
Ahd. Wb. III, 539 ff.; Splett, Ahd. Wb. I, 201; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 243; Starck-Wells 138. XXXIX. 806.
843; Schützeichel, Glossenwortschatz III, 36. 37 ff.;
Graff III, 498; Schade 159; Lexer III, 10; Benecke III,
216; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 22 (alirillus). 223
(falco); Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 89 (capus). 254
(falco). 302 (herodius); Dt. Wb. III, 1269; Kluge²¹
181; Kluge²⁴ 273; Pfeifer, Et. Wb.² 319. — Förste-
mann, Adt. Namenbuch2—3 I, 397; St. Sonderegger,
Largiadèr-Festschrift 209; Lex. d. Mittelalters 4, 239.
Dem Wort entsprechen: as. bōm-falko, mndd.
valke; mndl. valke, nndl. valk; (daß urgerm.
*falkan- [s. u.] in engl. ON mit falcen fortlebt,
wird bestritten; vgl. demgegenüber die einheimi-
sche Bezeichnung wealh-hafoc, eigtl. ‚welscher
Habicht‘); aisl. falki (erst vom 12. Jh. an), nisl.
fálki, nnorw., nschwed., ndän. falk — die skand.
Wörter stammen wohl aus dem Mndl. (Mndd.?)
und sind zusammen mit der Falkenjagd über-
nommen worden, wie auch das aus dem Mndd.
stammende apreuß. valx ‚Falke‘ (vgl. W. Euler,
Zfvgl. Spr. 98 [1985], 91). Doch sind aus aisl.
geirfalki ‚Jagdfalke, falco, gyrofalco‘ die Wörter
mndl. geervalke, mhd. gervalch, frz. gerfaut,
prov. girfalc, span. gerifalte, italien. gerfalco ent-
lehnt.
Holthausen, As. Wb. 17; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. I, 1, 635; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. V,
192; Verdam, Mndl. handwb. 640; Franck, Et. wb. d.
ndl. taal² 722; Vries, Ndls. et. wb. 763; Holthausen,
Ae. et. Wb. 99; Bosworth-Toller, AS Dict. 1173 f.; ME
Dict. E-F, 424; OED² V, 682; Oxf. Dict. of Engl. Et.
343; Vries, Anord. et. Wb.² 110. 161; Jóhannesson, Isl.
et. Wb. 556; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog I, 91;
Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 55; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 203; Ordb. o. d. danske sprog IV,
697; Torp, Nynorsk et. ordb. 93; Hellquist, Svensk et.
ordb.³ 196; Svenska akad. ordb. F-112 f.; Bruckner,
Spr. d. Langob. 246; Hoops Reallex.² VIII, 173 ff. — Zu
dem PN ahd. Kaduwalah mit der Fortsetzung eines
aus kelt. *u̯olko/ā- entlehnten urgerm. *u̯alχa- ‚Pil-
gerfalke, Wanderfalke‘ im Hinterglied wie auch zu
kymr. gwalch in dem „Heldenheiti“ Cadwalch
‚Kampffalke‘ s. Birkhan, Germanen u. Kelten 210 f.
Die Bezeichnung des Falken steht im engen Zu-
sammenhang mit der Falkenjagd, deren Ur-
sprung und Verbreitung in Westeuropa teils auf
die Kelten (Hehn, Kulturpflanzen u. Haustiere⁸
327. 381), teils auf die Germanen (G. Baist,
ZfdA. 27 [1883], 50 ff.) zurückgeführt wird.
Weit ältere Spuren dieser Jagd finden sich je-
doch in den assyrischen Keilinschriften, Mitte
des 7. Jh.s v. Chr.: „wenn ein Falke jagt und
seine Beute im Schnabel zerknickt und vor den
König fliegt, wird der König seine Feinde ver-
treiben“. Bekannt war eine Art Falkenjagd auch
in Indien, wie Ktesias bei Photios berichtet, und
laut Aristoteles in Thrakien (Hehn, a. a. O.
328 f.), während sie die Griechen und Römer
nicht ausübten. Erst im 4. oder 5. Jh. n. Chr. fin-
den sich Hinweise bei Paulinus von Pella und
Apollinaris Sidonius. Im westlichen Europa des
6. Jh.s nahm die Falkenjagd dann so zu, daß sie
auf verschiedenen Kirchenversammlungen der
Geistlichkeit verboten wurde. Ihren Höhepunkt
erreichte sie im 12. und 13. Jh., als Friedrich II.
ein eigenes Werk über die Falkenjagd schrieb (s.
Schrader, Reallex. d. idg. Alt.² I, 281 ff.).
Mit der Erfindung des Schießpulvers beginnt der Ver-
fall der Falkenjagd. Die Bezeichnungen der Jagdvögel
werden nun zum Teil auf die neuen Schußwaffen über-
tragen; vgl. italien. falconetto ‚Feldschlange‘.
Da neben dem germ. Wort ein lautgleiches spät-
lat. falco auftritt, und zwar zuerst um 400 bei
dem Vergilkommentator Servius (falcones: qui
pollices pedum intro curvos habent), nimmt man
teils germ., teils roman. Ursprung an.
Die Stelle bei Firmicus Maternus (ca. 334), die ge-
wöhnlich als ältester Beleg zitiert wird, beruht auf In-
terpolation (s. H. Champion, Romania 41 [1975],
456).
Roman. Fortsetzungen sind weiterhin afrz. fauc
(12. Jh.); frz. faucon ‚falco communis‘ (hieraus me. fau-
coun, fauken, ne. falcon; bret. falc’han), italien. falco,
katal. falcó, span. halcón, port. falcão < vulg.lat. casus
obliquus falcōnem.
Aufgrund des späten Auftretens von falco im
Roman. ist jedoch anzunehmen, daß es sich um
ein ursprl. germ. Wort handelt. Für diese Auf-
fassung sprechen zum einen Bemerkungen anti-
ker Autoren, die auf einen nichteinheimischen
Ursprung hindeuten, wie: Servius zu Vergil fal-
conis augurio, qui Tusca lingua capys dicitur; Isi-
dor capus italica lingua, hunc nostri falconem; Sy-
nodus Ticinensis (um 850) capis quos vulgus fal-
cones vocat. Hinzu kommt wohl auch germ. Na-
menmaterial wie in der Genealogie des Deira
ein ae. Westerfalca und der langob., westgot.,
westfrk. und ae. Männername Falco bzw. Falca
— wegen der Stärke, Gewandtheit und des Mutes
des Vogels eignet sich das Wort als PN zum
Preis von Helden und Fürsten in der Dichtung
(G. Müller, Studien zu den theriophoren PN der
Germanen [Köln u. a., 1970], 47).
Die germ. Volksnamen Falchovarii, Ost-, West-falhi,
-falahi sowie Gaunamen Falaha, Falhon usw. verbin-
det R. Much (ZfdA. 40 [1896], 207) dagegen mit dem
Wort fahl, wobei eine aus „dem farbadjectiv ... zu-
nächst entsprungene tierbezeichnung“ vermittle; zu
vergleichen seien Bezeichnungen für ‚hellbraunes
Vieh‘ wie alem. falch, bair. fàlchǝt (mhd. *falhoht), die
wegen der obd. Unterscheidung von χ < urgerm. *χ
und k < urgerm. *k nicht mit dem Wort Falke in Zu-
sammenhang gebracht werden können.
Der seit 193 n. Chr. bezeugte lat. EN Falco läßt sich
ohne weiteres mit lat. falcō ‚säbelbeinig‘ gleichsetzen
und erweist so nicht die Herkunft des Wortes Falke
aus dem Lat.
Liegt also ein ursprl. germ. Wort vor, so könnte
das graubraune Gefieder das Benennungsmotiv
gewesen sein. Damit bleibt der schon längst vor-
genommene Anschluß an das Farbadj. ‚fahl‘ und
der Bedeutungsansatz ‚fahler, d. h. graubrauner
Vogel‘ weiterhin bestehen (→ falo); vgl. nhd.
dial. falch ‚hellfarbiges Pferd‘. Die Vorform ur-
germ. *falkan- zeigt das gleiche k-Suffix wie die
Wörter ‚Kranich‘, ‚Storch‘, ‚Lerche‘, ‚Belche‘
oder got. ahaks ‚Taube‘ (s. Kluge, Nom. Stamm-
bildung³ § 61 b; s. auch Much, a. a. O. 297).
Im Roman. ist dagegen vulg.lat. falco im Sinne von ‚Si-
chelträger‘ sicher auf lat. falx ‚Sichel‘ (vgl. gr. φολκός
‚krumm‘) bezogen worden; vgl. neben Servius (s. o.)
auch Festus falcones dicuntur, quorum digiti pollices in
pedibus intro sunt curvati, a similitudine falcis; — seman-
tischer Anknüpfungspunkt sind die starken krummen
Klauen oder der Schnabel des Vogels; vgl. gr. ἅρπη in
den Bedeutungen ‚Lämmergeier‘ und ‚Sichel‘ (A. Fick,
Zfvgl. Spr. 44 [1911], 346); ferner die volksetymologi-
sche Angleichung von -cc- in lat. accipiter ‚Habicht,
Falke‘ (< *acu-peter ‚schnellfliegend‘) an accipere ‚an-
nehmen‘ (vgl. auch lat. acceptor schon bei Lucilius und
daraus entstelltes *auceptor [: auceps ‚Vogelfänger‘],
woraus span. azor, prov. austor, frz. autour, italien.
astore; aber bei Firmicus Maternus bereits astur ‚Sper-
ber‘); für diese Volksetymologie dürfte das Nebenein-
ander von lat. capys (s. o.), capus ‚ein Raubvogel‘,
wahrscheinlich ‚Falke‘, neben capere ‚fangen, fassen‘
eine Rolle gespielt haben (Hehn, a. a. O. 536 f.; Schra-
der, a. a. O. 284); → habuh.
Die Annahme einer Entlehnung des germ. Wortes aus
dem Roman. vertreten dagegen u. a. Suolahti, Dt. Vo-
gelnamen 327 ff.; Brüch, Einfl. d. germ. Spr. 8; Walde-
Hofmann, Lat. et. Wb. I, 447; Pfeifer, a. a. O.; Er-
nout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 213 (lat. falco „peut-être
calque semantique de capys?“); Meyer-Lübke, Rom.
et. Wb.³ Nr. 3158 (lat., weil das Wort dem Nordgerm.
fehlt); Wartburg, Frz. et. Wb. III, 381 f.; Fick, a. a. O.
345; Schrader, a. a. O. 282.
Andere, weniger naheliegende etymologische Deutun-
gen sind die Verbindung mit dem Verb fallen, wo-
durch sich für das Wort Falke eine Grundbedeutung
‚der Stößer‘ ergibt (Baist, a. a. O. 58; ders., Zffrz. Spr.
13 [1891], 185 f.; dagegen G. Paris, Romania 12
[1883], 99 f.; Suolahti, a. a. O. 332: bei Ableitung mit
dem Suffix urgerm. *-ka- sei eine Bildung mit Mittel-
vokal wie *falluka- zu erwarten; Schröder, AfdA. 34
[1910], 5), oder der — wegen russ. jásnyj sókol ‚heller
Falke‘ — vorgenommene Anschluß an aind. phalgú-,
phálguna- ‚rötlich, schimmernd‘, lett. spulgans
(C. C. Uhlenbeck, PBB 35 [1909], 171; vgl. ders., IF
13 [1902—03], 215: Lat. falco sei Lehnwort aus dem
Germ.).
Walde-Pokorny II, 53 f.; Pokorny 804 f.; Walde-Hof-
mann, a. a. O. I, 449 f. (falx); Ernout-Meillet, a. a. O.
214 (falx).