fallanAWB (fial, fialun, gifallan) st. v. VII, seit
dem 8. Jh.: ‚fallen, (herab-)stürzen, zu Fall
kommen, einstürzen, sinken, umkommen, zu-
fallen, zuteil werden, verfallen, cadere, collabi,
corruere, decidere, desciscere, delabi, destituere,
devolvere, diruere, incidere, labi, procidere,
ruere‘ 〈Var.: inf. uuellen Notker (Schatz, Ahd.
Gr. § 166), -in; 3. sg. uellit Gl. 1, 622, 50; prät.
felun Gl. 1, 150, 16, Mons. Frg., feal(un) Mons.
Frg.; uiel(en) Notker〉. — Mhd. vallen st. v. VII
‚fallen, stürzen, sinken‘, nhd. fallen.
Ahd. Wb. III, 542 ff.; Splett, Ahd. Wb. I, 201 f.; Köb-
ler, Wb. d. ahd. Spr. 243 f.; Schützeichel⁵ 128;
Starck-Wells 138. 806. 843; Schützeichel, Glossen-
wortschatz III, 40 f.; Seebold, ChWdW8 120; Graff
III, 454 ff.; Schade 159; Lexer III, 11; Benecke III,
217; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 87 (cadere). 114 (col-
labi). 153 (corruere). 167 (decidere); Götz, Lat.-ahd.-
nhd. Wb. 79 (cadere). 155 (corruere). 172 (decidere).
179 (delabi). 186 (desciscere). 189 (destituere). 191 (de-
volvere). 201 (diruere). 326 (incidere). 363 (labi). 523
(procidere). 580 (ruere); Dt. Wb. III, 1277 ff.; Kluge²¹
182; Kluge²⁴ 273; Pfeifer, Et. Wb.² 319 f. — F. Kluge,
Zfdt. Wortf. 8 (1906—07), 31 ff. (zur Bedeutung von
frühnhd. fallen).
Ahd. fallan entsprechen: as. fallan (fēll, fēllun,
gifallan) ‚fallen, einfallen, zugrunde gehen‘,
mndd. vallen; andfrk. fallon ‚procident‘, mndl.
vallen; afries. falla (fōl, fōlen, efallin), nostfries.
fallen; ae. feallan (fēoll, fēollon, feallen) ‚fallen,
verfallen, sterben, anfallen, fließen‘, me. fallen,
ne. fall; aisl. falla (fell, fello, fallenn) ‚fallen,
sterben, geschehen‘, aschwed., nschwed. falla,
ndän. falde: < urgerm. *fallan- ‚fallen‘.
Fick III (Germ.)⁴ 238; Seebold, Germ. st. Verben
181 f.; Holthausen, As. Wb. 18; Sehrt, Wb. z. Hel.²
114; Wadstein, Kl. as. Spr.denkm. 237; Lasch-Borch-
ling, Mndd. Handwb. I, 1, 635 ff.; Schiller-Lübben,
Mndd. Wb. V, 193 f.; Kyes, Dict. of O. Low and
C. Franc. Ps. 21; Verdam, Mndl. handwb. 776; Franck,
Et. wb. d. ndl. taal² 722; Vries, Ndls. et. wb. 763;
Holthausen, Afries. Wb.² 23 f.; Richthofen, Afries.
Wb. 725; Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I,
416; Dijkstra, Friesch Wb. I, 336; Holthausen, Ae. et.
Wb. 99; Bosworth-Toller, AS Dict. 271 f.; Suppl.
206 f.; ME Dict. E-F, 380 ff.; OED² V, 686 ff.; Oxf.
Dict. of Engl. Et. 343; Vries, Anord. et. Wb.² 110; Jó-
hannesson, Isl. et. Wb. 582; Fritzner, Ordb. o. d. g.
norske sprog I, 369 ff.; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awest-
nord. 55; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 202; Ordb.
o. d. danske sprog IV, 658 ff.; Torp, Nynorsk et. ordb.
93; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 197; Svenska akad.
ordb. F-138 ff.
Verwandt sind lit. pùlti (púolu) ‚fallen, über je-
manden herfallen, angreifen‘, lett. pult (puolu)
‚fallen‘.
Nach E. P. Hamp (IF 84 [1979], 256) paßt das ur-
germ. Prät. *fēll, eine über *fōll (mit einem nach *fall-
analogischen *ll) erfolgte Umbildung von ursprl. *fōl,
zu dem Prät. lit. púolė. Wegen seiner Doppelkonso-
nanz im Prät. sei das Verb im Germ. in die VII. st. Kl.
übergetreten. Zu einer neuen, sich in mehreren Schrit-
ten vollziehenden Erklärung des ē-Vokalismus in ur-
germ. *fēl s. jedoch Th. Vennemann, PBB 116 (1994),
192 ff.: Ausgehend vom Prät. ´fe.bal.la sei von Fällen
mit inlautendem *z wie ´sle.zē¹.pa der z-Inlaut verall-
gemeinert und durch Rhotazismus zu *r geworden.
Aus ´fe.Ral habe sich mit Synkope die Lautung ´ferl
und aufgrund einer durch den Verlust von R zwischen
e und Konsonant bedingten Ersatzdehnung schließ-
lich *fē²l ergeben.
Die wegen des Nomen actionis arm. pՙowl ‚Fall,
Einsturz; Abnahme des Mondes‘ vorgenom-
mene Verbindung mit arm. pՙlanim ‚fallen, ein-
stürzen‘ < *phulanim ist nicht ganz sicher, da
pՙowl eine Neubildung sein kann. Trifft der An-
schluß jedoch zu, dann ist für das Arm. und
Germ. der Ansatz eines uridg. n-Infix-Präsens
[**pǝ₃l-ne-H-/**pǝ₃l--H-] am wahrschein-
lichsten. Urgerm. *fallan- ginge in diesem Fall
auf ein vorurgerm. *paln-, eine Fortsetzung ei-
nes *pǝ₃l-n- [**pǝ₃l-n[-H]-] mit analogischer
Silbenstruktur, zurück. Demgegenüber könnte
in der Vorform *pōle/a- des urlit.-lett. Präsens-
stammes *puola- eine Neubildung zu einem
ursprl. Aoriststamm *pōl- (**[poH₃lH-]) vorlie-
gen und das arm. Präsens pՙlanim < *phulanim
< vorurarm. *pōl- ebenfalls eine Umbildung
nach dem Aorist, und zwar nach der Vorform
des Aorist Medium pՙl(a)- (z. B. pՙlcՙi), urarm.
*phul(a)- < vorurarm. *pōl-/ pōla- (< uridg.
[**poH₃lH-/**poH₃lǝ-]), darstellen. Dem
germ., lit.-lett. und arm. Verb läge so eine ge-
meinsame Wz. uridg. [**poH₃lH-] ‚fallen‘ zu-
grunde; zur Wurzelstruktur vgl. möglicherweise
[**dhaH₂lH₁-] ‚blühen‘: gr. θαλερός ‚blühend,
stramm‘, arm. dalar ‚grün, frisch‘, alb. dal
‚sprosse‘ (Klingenschmitt, Altarm. Verbum 165.
171 f.).
Zu dem arm. Nasalinfixpräsens vgl. auch E. P. Hamp,
Zfvgl. Spr. 89 (1975), 104. Hamp (IF 84 [1979], 255)
leitet den Anlaut pՙ von arm. pՙlanim aus einer Vor-
form [**pHln-] her, wobei für *n silbisches * einge-
treten sei (vgl. auch S. Bugge, Zfvgl. Spr. 32 [1893],
28: uridg. anlautendes *ph für arm. pՙowl, ahd. fal-
lan). Doch ist in einer Vielzahl von Wörtern pՙ die re-
guläre Vertretung von uridg. *p; vgl. etwa arm. pՙowš
‚Dorn, Distel‘ < *pu-u̯o- (→ fiuhta); pՙetowr ‚Feder‘
(→ feda ra); s. Klingenschmitt, a. a. O. 167 ff.
Walde-Pokorny II, 103; Pokorny 851 (*phl-);
Hübschmann, Arm. Gr. 501; Fraenkel, Lit. et. Wb.
666 f.; Trautmann, Apreuß. Spr.denkm. 308. — Weitaus
weniger plausibel ist A. Ficks (Zfvgl. Spr. 44 [1911],
149) Wurzelansatz *pel- ‚wenden, kehren‘.
Semantisch und morphologisch unbefriedigend ist die
allgemein angenommene Verbindung von lit. pùlti,
lett. pult ‚fallen‘ mit apreuß. 3.sg. aupallai ‚findet‘.
Wegen des Präfixes au- ‚weg-, ab-‘ nimmt Klingen-
schmitt (a. a. O. 172 Anm. 15) eine Grundbedeutung
‚entdecken‘ an und verweist auf die in alb. mbulonj
(ageg. mbeluem) ‚bedecken‘, zbulonj ‚ab-, auf-, ent-
decken‘ enthaltene Wz. *pel- ‚bedecken‘. Für apreuß.
aupallai wäre demnach eine Vorform *au̯-pala- anzu-
setzen.
Das u. a. von Meillet (Esquisse d’une gr. comp. de
l’arm.² 35; vgl. bereits A. Fick, BB 2 [1878], 204) mit
ahd. fallan, arm. pՙlanim verknüpfte Verb gr. σφάλλω
‚bringe zu Fall‘ gehört zu arm. sxalem ‚fehlgehen,
straucheln‘, aind. skhálati ‚strauchelt, stolpert‘ (Boi-
sacq, Dict. ét. gr.⁴ 927; Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind.
III, 509; Klingenschmitt, a. a. O. 165 Anm. 9: Wurzel-
ansatz [**skwH₂el-] oder [**skwHal-]; anders Hier-
sche, Tenues Asp. im Idg. 82 f., 219: Der Wurzelanlaut
beruhe auf volkssprachlicher oder affektischer Laut-
gebung; Solta, Stellung d. Arm. 449 f.); dagegen Frisk,
Gr. et. Wb. II, 827 f.: gr. σφάλλω sei eine rein gr.
Schöpfung; wieder anders P. Wahrmann, Glotta 6
(1915), 149: gr. σφάλλω ursprl. ‚(mit Prügeln) werfen,
jemandem einen Stock zwischen die Beine stecken‘ zu
„idg. sp(h)el- ‚spalten‘“; zustimmend Chantraine,
Dict. ét. gr. 1074 f.; weitere Deutungen bei Hiersche,
a. a. O. 194.
Lautlich vollkommen unhaltbar sind die Verbindun-
gen mit lat. fallō ‚täusche, betrüge‘ (F. Kluge, PBB 8
[1882], 526, dazu auch gr. σφάλλω bei einer gemein-
samen Vorform *(s)phal-; dazu s. Walde-Hofmann,
Lat. et. Wb. I, 449) und mit lat. petō ‚suche zu errei-
chen, eile, strebe‘, gr. πίπτω ‚falle‘ (F. A. Wood, GR 1
[1926], 311).