fataAWB f. ō-St., nur zweimal bei Notker, Bo.:
‚Haltung, Zustand, innere Verfassung, habi-
tus‘ 〈Var.: u-〉. — Mhd. nur ein etwas unsicherer
Beleg: den kam er mit vatten / als ein helt ze
statten (Hagen, v.d., Minnesinger III, 340a
[Konrad von Würzburg]: von J. Grimm, Dt.
Wb. III, 1362 als „apte disposite“ gedeutet),
frühnhd. fat(e) ‚dispositio, ordo, habitus‘ (Dt.
Wb. a. a. O.).
Ein seit Grimm manchmal angeführtes ahd. Verb fa-
tôn ‚gestalten, schmücken‘ existiert nicht; belegt ist
nur giunfatôn (Notker, Bo. ‚verunstalten, entstellen,
confundere‘; s. d.).
Im Germ. findet man nur im Ae. und Me. ver-
wandte Wörter: ae. fadian ‚ordnen, führen‘, fa-
dung ‚Ordnung, Verteilung, Herrschaft‘, gefæd
‚ordentlich, ruhig‘, subst. ‚Ordnung‘, me. faden
‚ordnen‘.
Ahd. Wb. III, 654; Splett, Ahd. Wb. I, 213; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 249. 461; Schützeichel⁵ 130. 295;
Graff III, 450; Raven, Schw. Verben d. Ahd. II, 162;
Lexer III, 4 (unter vade ‚Zaun‘!); Benecke III, 279;
Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 299 (habitus). — Holthau-
sen, Ae. et. Wb. 94 f.; Bosworth-Toller, AS Dict. 262.
389; Suppl. 196. 321; Suppl. II, 23; ME Dict. E-F,
361.
Das Wort hat keine sichere Etymologie. Nach
F. Holthausen, IF 62 (1956), 155 (ähnlich schon
J. Grimm, a. a. O.) gehören die ahd. und ae.
Wörter zu lat. potis ‚vermögend, mächtig‘, potī-
re ‚unterwerfen‘, potīrī ‚sich bemächtigen, sich
bemeistern‘, aind. pátyate ‚beherrscht, hat zu ei-
gen‘; also mit gramm. Wechsel zu got. -faþs in
bruþfaþs ‚Bräutigam‘, hundafaþs ‚Hauptmann
über 100 Mann‘ usw. < idg. *potis (vgl. auch
aind. páti-, av. paiti- m. ‚Herr, Gebieter, Ge-
mahl‘; gr. πόσις ‚Gatte‘; lit. pàts ‚Ehemann;
selbst‘, lett. pats ‚Gatte, Herr; selbst‘; toch. A
pats ‚Ehemann‘, toch. B. pets ‚Ehemann‘ usw.;
Weiteres bei Pokorny 842). Die Bed. ‚selbst‘ im
Lit. und Lett. ist nicht ursprünglich (vgl. E. Ben-
veniste, Word 10 [1954], 260 ff.; ders., Problems
259 ff.), sondern sekundär (vgl. Szemerényi,
Syncope in Gr. and IE 337 ff.).
Für die ae. Wörter ist diese Erklärung sowohl
lautlich als auch semantisch annehmbar. Auch
die Bed. des ahd. Wortes läßt sich damit verein-
baren: aufgrund von ahd. giunfatôn (s. o.) muß
man auch für das Ahd. eine Bed. ‚Ordnung,
Fassung‘ ansetzen, woraus die Bed. ‚Haltung‘
leicht hätte entstehen können (vgl. me. con-,
cuntenaunce, das sowohl ‚Haltung, Verhalten‘
als auch ‚Fassung, Beherrschung‘ bedeutete
[ME Dict. C-D, 557 f.]).
Jedenfalls gehört ahd. fata nicht zur Sippe von ahd. fa-
tôn ‚ernähren‘ (s. d.) (wie bei Splett, a. a. O.).
Wohl nicht verwandt trotz Grimm, a. a. O. sind got. fa-
þa ‚Zaun‘, mhd. vade, vat(t)e ‚dss.‘, aisl. ON Fǫð, die
eher zu aisl. faðmr ‚Umarmung, Klafter, Faden‘ (→ fa-
dum) gehören: der Zaun ist ‚das Umfassende‘ (dage-
gen nach Grimm, a. a. O.: „der Zaun ordnet und hegt
das Feld“).
Mhd. vat ‚Trug‘ (Lexer, Mhd. Taschenwb.³⁷, Nachtr.
401) und die nhd. Mda.wörter fat ‚List‘ (Schweiz. Id.
I, 1126; Fischer, Schwäb. Wb. II, 977), fät ‚Streich‘,
pl. ‚launenhafte Einfälle, Grillen‘ (Müller, Rhein. Wb.
II, 323), fätig ‚listig, launisch, unbeständig‘ (Fischer,
a. a. O. 981; Müller, a. a. O. 323) sind etymologisch
dunkel. Die im Schweiz. Id. a. a. O. vorgeschlagene
Verbindung mit ahd. fata ist wegen der Bed. zweifel-
haft: die Bedeutungen der Sippe von ahd. fata betonen
den Begriff ‚Ordnung, Beherrschung, Fassung‘, wäh-
rend die Mda.wörter eher auf eine Grundbed. ‚das
Launenhafte‘ deuten. Viell. wäre Entlehnung aus
mfrz., nfrz. fat ‚geckenhaft, läppisch‘ mit einer Bed.-
entwicklung ‚Geckenhaftes > Posse > List‘ zu erwä-
gen (vgl. nhd. dial. gecken ‚Possen treiben‘). Sehr unsi-
cher.
Bisher sind alle Versuche mißglückt, idg. *potis
weiter zu analysieren; abzulehnen sind J. Trier,
Zd. Savigny-Stiftung f. Rechtsgesch. 65 (1947),
232 ff.: zur Wz. *pō- ‚Zaun, zäunen‘; → fater;
F. Mezger, Zfvgl. Spr. 76 (1959—60), 302: zu
*[a]po- ‚ab, weg, abseits‘ (→ aba): „der für sich
steht, der abseits und den anderen gegenüber
steht“; kaum besser Szemerényi, a. a. O. 389:
zur Wz. *op- ‚Reichtum u. ä.‘ (→ avalôn, uoba):
*[o]p-ot-i- ‚der Reiche > Herr‘.
Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 109 f.; Lehmann, Gothic Et.
Dict. B-107; Walde-Pokorny II, 77 f.; Mayrhofer, Et.
Wb. d. Altindoar. II, 72 (PAT²). 73 (páti-); Frisk, Gr.
et. Wb. II, 584; Chantraine, Dict. ét. gr. 931; Walde-
Hofmann, Lat. et. Wb. II, 350 f.; Ernout-Meillet,
Dict. ét. lat.⁴ 528 f.; Fraenkel, Lit. et. Wb. 551 f.; Müh-
lenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. III, 124 f.; Winde-
kens, Lex. ét. tokh. 86; ders., Le tokharien 19. 77. 81;
Adams, Dict. of Toch. B 401.