felawaAWB f. ō-St., in Gl. seit dem 8./9. Jh.,
Notker, Ps.; felawoAWB m. n-St., Notker, W. Ps.,
Gl. 2, 719, 54 (11. Jh.); 3, 386, 21 (13. Jh.): ‚Wei-
de, salix, siler, vibix (vgl. Diefenbach, Gl.
lat.-germ. 617; ders., Novum gl. lat.-germ. 381
[s. v. vibex])‘ (Salix L.) 〈Var.: v-, u-; -auu-;
-euu-, -iuu-, -u-, -w-, -vv-, -gv- (14. Jh.);
zum Sproßvokal vgl. Braune, Ahd. Gr.¹⁵ § 69〉.
— Mhd. velwe sw.st.f., sw. m. ‚dss.‘, frühnhd.
und nhd. mdartl. felbe (felwe).
Dazu kommt ahd. felwriAWB m. ja-St., nur in Gl.
seit dem 12. Jh.: ‚dss.‘, auch vincus (vgl. Diefen-
bach, Gl. lat.-germ. 620); Gl. 3, 43, 53 steht fel-
war als letzte Gl. unter paliurus, gehört aber
wohl zum folgenden Lemma vimen (vgl. Stein-
meyer, Anm. zur Stelle; Marzell, Wb. d. dt.
Pflanzennamen III, 524). Einmal (Gl. 4, 341, 27)
ist felwri auf die nahe verwandte ‚Pappel‘ (po-
pulos i. felar), einmal sogar auf den ‚Holunder‘
(Gl. 3, 43, 31: velare : sambucus) übertragen
〈Var.: v-, u-, w- (14. Jh.); -lw-, -lu-, -lv-, -lb-
(14. Jh.), -l-; -are, -ar, -aer, -er〉. — Mhd. velwer
st.m. ‚Weide‘, nhd. mdartl. (obd.) felber m.
‚dss.‘.
Zum Suffix -ri in Baumnamen vgl. N. O. Heinertz,
Zfdt. Wortf. 15 (1914), 240 ff. und → albri. Der w-
Schwund in vier Belegen aus dem 12.-13. Jh. (felar[e],
-aer, -er) ist vielleicht dadurch zu erklären, daß felw-
ari als fel-wari mit Suffix -wari gedeutet wurde. Die-
ses Suffix wurde im Nebenton immer zu -ari ge-
schwächt und fiel mit -ri zusammen (→ -ri, bur-
gri); die Erklärung bei Schatz, Ahd. Gr. § 288, die
nur die Formen von ahd. *felwrin (s. d.) berücksich-
tigt, stimmt nicht. — Zum Wandel -lw- > -lb- vgl.
Kienle, Hist. Laut- u. Formenlehre des Dt.² § 135.
Ahd. Wb. III, 709. 731 f.; Splett, Ahd. Wb. I, 221;
Köbler, Wb. d. ahd. Spr. 255; Schützeichel⁵ 132;
Starck-Wells 145. 147. 807; Schützeichel, Glossen-
wortschatz III, 97 f. 111 f.; Graff III, 518; Schade 176;
Lexer III, 61. 62; Benecke III, 296 f.; Diefenbach, Gl.
lat.-germ. 508 (salix). 533 (siler). 619 (vimen); Götz,
Lat.-ahd.-nhd. Wb. 585 (salix). 611 (siler). 707 (vi-
bix); Dt. Wb. III, 1474. — Marzell, Wb. d. dt. Pflan-
zennamen IV, 8 ff. — Schweiz. Id. I, 822 (felwe, felbe,
felber); Ochs, Bad. Wb. II, 37 (felbe); Fischer,
Schwäb. Wb. II, 1032 f. (felbe, felber); Jutz, Vorarl-
berg. Wb. I, 791 (felbe, pl. -er); Schmeller, Bayer.
Wb.² I, 710 f. (felber); Lexer, Kärnt. Wb. 93 (felfer,
felber); Schöpf, Tirol. Id. 130 (felber, feler); Schatz,
Wb. d. tirol. Mdaa. I, 162 (fêler, feiler); Unger-Khull,
Steir. Wortschatz 218 (felber, felfer).
Das dt. Wort ist im Germ. völlig isoliert (vgl.
den geläufigeren Baumnamen Weide; → wîda)
und hat nur eine mögliche außergerm. Entspre-
chung: osset. färw(e) ‚Erle‘ (mit indo-iran. r <
idg. *l); vgl. Hübschmann, Etym. d. osset. Spr.
103.
Drei verschiedene Etymologien sind vorgeschla-
gen worden:
1) zur idg. Wz. *pel- ‚biegen, winden, flechten
usw.‘ (→ felahan), wegen der biegsamen, zum
Flechten gut geeigneten Zweige (vgl. ahd. wîda
‚Weide‘ zur idg. Wz. *u̯ei̯[ǝ]- ‚drehen, biegen‘):
O. Wiedemann, BB 28 (1904), 20 f.; J. Hoops,
PBB 37 (1911—12), 313 ff.; Trier, Lehm 27; vgl.
auch Walde-Pokorny II, 55. Diese an sich ganz
plausible Erklärung würde aber die Verwandt-
schaft mit osset. färw(e) ausschließen, denn die
Erle ist nicht biegsam, sondern eher spröde.
2) zur idg. Wz. *pel- ‚fahl, grau‘ (→ falo):
F. Holthausen, IF 25 (1909), 150 („vielleicht“);
Marzell, a. a. O. I, 218 (s. v. Alnus); von Walde-
Pokorny, a. a. O. abgelehnt. Man vergleicht Erle
(→ elira) mit der idg. Farben-Wz. *el- ‚hellfar-
big, gelblich, rot usw.‘; auch eine Art Weide,
‚die Lorbeerweide‘ (Salix pentandra L.) heißt im
Aisl. jǫlstr oder ilstri, wohl zur selben Wz. *el-:
Vries, Anord. et. Wb.² 285. 295. Dennoch paßt
eine Bezeichnung ‚der fahle oder graue Baum‘
nur für einige Weidenarten (z. B. ‚die Aschwei-
de‘ [Salix cinerea L.]; Marzell, a. a. O. IV, 24).
3) zur idg. Wz. *pel-, die in Wörtern für
‚Sumpf‘ vorkommt; vgl. aind. palvalá- n. ‚Pfuhl,
Teich‘, lat. palus, -ūdis ‚stehendes Wasser,
Sumpf, Pfütze‘: Heinertz, a. a. O. 241; Schade,
a. a. O.; Walde-Pokorny, a. a. O.; Pokorny 799;
Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. II, 243; Ernout-
Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 478. Da sowohl die Weide
als auch die Erle auf feuchtem Boden wachsen,
würde sich die Bezeichnung ‚Sumpfbaum‘ (‚der
auf sumpfigem Boden wachsende Baum‘) für
beide eignen; zur Benennung einer Pflanze nach
dem Standort vgl. z. B. ahd. heida ‚Heidekraut‘
zu heida ‚Heide‘.
Umstritten ist jedoch die Grundbed. dieser Wz.
Nach Pokorny, a. a. O., Ernout-Meillet, a. a. O.
u. a. ist es ‚gießen, fließen‘; andere dagegen
(wohl zuerst Schulze, Kl. Schriften 112) setzen
diese Wz. mit der Wz. *pel- ‚fahl, grau‘ (s. o.)
gleich: der Sumpf sei nach dem ‚grauen Wasser‘
benannt (vgl. z. B. Mayrhofer, Et. Wb. d. Altin-
doar. II, 105; Fraenkel, Lit. et. Wb. 567 s. v. pél-
kė ‚Sumpf‘; Marzell, a. a. O. I, 218; dagegen
Walde-Hofmann, a. a. O.) — eine Ansicht, die es
ermöglichen würde, die 2. und 3. Etymologie zu
vereinigen.