flôzen¹AWB sw. v. I, nur bei Williram und in Gl.
seit dem 11. Jh.: ‚wegspülen, (den Staub von
sich) waschen, hervorfließen lassen, einen Fluß
leiten, ausschwemmen, durchseihen, eliquare,
purgare, volvere‘ 〈Var.: -zz-〉. — Mhd. vlœzen
sw. v. ‚fließen machen, wegspülen, übergießen,
waschen‘, nhd. flößen, auch flötzen ‚Baum-
stämme als Flöße befördern, mit einem Floß
transportieren, jmdm. eine Flüssigkeit in klei-
nen Mengen durch den Mund eingeben‘ (häu-
figer einflößen). Die Doppelheit der Lautfor-
men -ß- und -tz- beruht auf der germ. Flexion
(1.sg. *flautju mit Wandel von *-tj- über ein
im Westgerm. geminiertes *-tt- zu hd. -tz- ge-
genüber 2.sg. *flautīz < *flautijiz); vgl. heißen
neben heitzen, reißen neben reitzen.
Ahd. Wb. III, 996; Splett, Ahd. Wb. I, 246; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 303; Schützeichel⁵ 136; Starck-Wells
166. 810. 846; Schützeichel, Glossenwortschatz III,
220; Graff III, 743 (doch Vermischung mit flôzen²
‚superbire‘; s. d.); Schade 207; Raven, Schw. Verben d.
Ahd. I, 42 (ebenso Vermischung mit flôzen²); Lexer
III, 414 f.; Benecke III, 350; Götz, Lat.-ahd.-nhd.
Wb. 222 (eliquare). 270 (fluctuare). 541 (purgare). 719
(volvere); Dt. Wb. III, 1820 f.; Kluge²¹ 208; Kluge²⁴
304 (zu Floß); Pfeifer, Et. Wb.² 453. — Köbler, Lat.-
germanist. Lex. 303.
Ahd. flôzen hat Entsprechungen in den übrigen
westgerm. Sprachen und im Nordgerm.: as. -flō-
tian (thurhflōtian ‚bespülen‘, ūtflōtian ‚wegspü-
len, seihen‘), mndd. vlȫten (auch vloeten, vloi-
ten, vlueten) ‚fließen lassen, schwemmen, weg-
spülen, befluten, bewässern, flößen‘; mndl. vlo-
ten ‚dss.‘; aisl. fleyta ‚treiben machen‘, nschwed.
flöda ‚fließen, fluten, strömen‘, nnorw. dial.
fløyta ‚flößen‘, ndän. fløde ‚dss.‘: < urgerm.
*flawtijan-, Kausativ zu urgerm. *flewtan- ‚flie-
ßen‘ (→ fliozan). Im Mndd. und Mndl. kann ur-
germ. *flawtijan- auch in der Funktion eines In-
tensivs fortgesetzt sein; oder zum trans. Kausa-
tiv wurde ein intrans. Verb hinzugebildet: mndd.
vlȫten ‚strömen, fließen, ansteigen, anschwel-
len‘, mndl. vloten ‚dss.‘ (vgl. auch die Bedeutun-
gen im Nschwed.). Daneben erscheint ein sw.
Verb mndd. vlötten, vlotten, ebenso in trans.
wie in intrans. Funktion, ‚fließen lassen,
schwemmen, bewässern‘ bzw. ‚fließen, schwim-
men, treiben, geschwemmt werden‘.
Das semantisch zu nhd. flößen in der Bedeutung ‚mit
einem Floß transportieren‘ gehörige Subst. ‚Floß‘,
mndd. vlote m. ‚Floß, Flotte‘, mndl. vlote f.n. ‚kleines
Fahrzeug, Flotte, Schwimmholz‘, ae. flota m. ‚Schiff‘,
aisl. floti m. ‚Floß, Fahrzeug, Flotte‘ (nisl. floti,
nnorw. flote, nschwed. flotte, ndän. flaade) (< urgerm.
*flut-an/ōn-) ist die Fortsetzung eines n-stämmigen
Nomen agentis, das unmittelbar aus der Schwundstufe
der Wz. *flewt- ‚fließen‘ abgeleitet ist (zu solchen
Bildungen s. E. Wessén, Zur Geschichte der germani-
schen n-Deklination [Uppsala, 1914], 7 ff.; Lühr, Ex-
pressivität 312 f.).
Fick III (Germ.)⁴ 255; Seebold, Germ. st. Verben 203;
Holthausen, As. Wb. 21; Wadstein, Kl. as. Spr.denkm.
233. 236; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1,
753 f.; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. V, 285 f.; Ver-
dam, Mndl. handwb. 722; Franck, Et. wb. d. ndl. taal²
752; Vries, Ndls. et. wb. 794; Vries, Anord. et. Wb.²
131; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 577; Fritzner, Ordb. o.
d. g. norske sprog I, 441; Holthausen, Vgl. Wb. d.
Awestnord. 66; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 245;
Ordb. o. d. danske sprog V, 36; Torp, Nynorsk et. ordb.
128; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 226; Svenska akad.
ordb. F-1001 f.
Zur Etymologie s. fliozan.