fladoAWB m. n-St., seit dem 10. Jh., nur in Gl.:
‚flacher Kuchen, Fladen, Feigenkuchen, Ho-
nigscheibe, favus, fertum, -us, laganum, lapas,
libum, fertus panis, placenta, torta‘ 〈Var.: ulad-,
flath-〉. — Mhd. vlade sw. m. ‚breiter, dünner
Kuchen, flacher Kuhmist‘ (vgl. scherzhaft vla-
de von der kuo, wonach Kuhfladen), nhd. Fla-
den m. ‚flacher Kuchen, flacher Kuhmist‘. —
fladaAWB f. ō(n)-St., nur Gl. 1, 332, 11 (12. Jh.,
bair.): ‚dss.‘.
Da ahd. flado einen dünnen, flachen Kuchen (vgl. das
Synonym ahd., mhd. breitinc) bezeichnet — er wurde
ohne Triebmittel gebacken und konnte mit Obst (Fei-
gen, Äpfeln oder Pflaumen), aber auch mit Fisch,
Fleisch (Leber) gefüllt und mit Honig bestrichen wer-
den —, ist die Bedeutung ‚Flachgebäck‘ sicher ursprl.,
die sakrale Bedeutung ‚Opferkuchen‘ dagegen sekun-
där. Fladen wurden bes. zu Festtagen wie Weihnach-
ten oder Ostern gebacken und spielten wohl auch bei
Begräbnisfeierlichkeiten eine Rolle (Necrologium S.
Martialis Lemovicensis, 12. Jh.: „cum cepiis et Fladoni-
bus ‚mit Kuttelfisch und Fladen‘“; Du Cange² III,
519). Wie aus den Hamburger Zunftrollen hervorgeht,
war der Verkauf von Fladen nur zünftigen Bäckern er-
laubt (Rüdiger, Hamb. Zunftrollen 24, 18 [von 1375],
zit. nach Heyne, Dt. Hausaltertümer II, 275).
Ahd. Wb. III, 939 ff.; Splett, Ahd. Wb. I, 240; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 298; Starck-Wells 162. 810; Schützei-
chel, Glossenwortschatz III, 193 ff.; Graff III, 771 f.;
Schade 202; Lexer III, 384; Benecke III, 334; Diefen-
bach, Gl. lat.-germ. 317 f. (lapas). 439 (placenta, li-
bum); Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 258 (favus). 261 (fer-
tum, -us). 366 (laganum). 367 (lapas). 375 (libum).
462 (panis). 493 (placenta). 669 (torta); Dt. Wb. III,
1707; Kluge²¹ 201; Kluge²⁴ 297; Pfeifer, Et. Wb.²
349. — K. Hadjioannou, Orbis 19 (1970), 483 ff.;
Heyne, a. a. O. II, 274 f.; F. Kluge, Arch. Roman. 6
(1922), 304 f.; A. Wurmbach, Zs. f. Volkskunde 56
(1960), 22 ff.
Ahd. flado, flada entsprechen: as. flađo sw. m.
‚breiter, dünner Kuchen‘, flađa sw. f. ‚Kuchen‘
(der Beleg Gl. 3, 717, 61 [Marienfelder Gl.
13. Jh.] ist as.; s. Klein, Wechselbez. zw. as. u.
ahd. Schreibwesen 401 f. Anm. 26), mndd. vlāde
m. ‚flaches, dünnes Brot, flacher Kuchen, Op-
ferbrot, Fastenkuchen‘; mndl. vlade, nndl.
vlaai, vla ‚Kuchen‘; nostfries. flade, flā(e) ‚Ku-
chen, kuchenartiges Gebäck‘: < westgerm.
*flaþ-an/ōn-.
Aus dem Westgerm. sind entlehnt: lat. fladō,
-ōnis m. ‚flacher Kuchen‘, mlat. flado (aus dem
Mlat. ngr. φλαούνα und me. flaune, flaunne,
flawne ‚Pfann-, Eierkuchen, Käsekuchen‘, ne.
veraltet flawn, ne. flan), italien. fiadone ‚Honig-
wabe‘, afrz. flaon, frz. flan ‚Kuchen‘, akatal.
flaón ‚Sahnetorte‘, katal. flaó (> span. flaón
[16. Jh.], logudures. fraone, kalabres. fragune),
alombard. fiaon ‚Honigwabe‘. Vgl. Wartburg,
Frz. et. Wb. XV, 2, 134: Für eine frühe Entleh-
nung „spricht auch die tatsache, dass flado in
glossen aus dem 9. und 10. jh. belegt ist und dass
es sich bereits bei Venantius Fortunatus findet
(6. jh.), der aus Oberitalien stammte und lange
in Frankreich gelebt hat“ (s. K. Hadjioannou,
a. a. O. 483 ff.).
Das Wort muß aber in der Grundbedeutung
‚Flaches‘ schon im Urgerm. existiert haben,
denn mit den westgerm. Wörtern ist formal
nnorw. dial. flade m. ‚kleine Ebene, flaches Feld‘
identisch (vgl. auch nnorw. dial. flara, fløra,
flæra, fleira, flerra ‚breites Stück, breite Wunde‘
< anord. *flađra, gen. *flǫđru).
Auf die Vorstellung des Flachen weist weiterhin
die Vddhi-Ableitung mhd. vluoder m. ‚Flun-
der‘, eigtl. ‚Flachartiges‘, die von einer zu *fla-
þa- ‚flach‘ gebildeten regulären dehnstufigen
Vorform *flōþa- ‚Flunder‘ ausgeht (zur Bedeu-
tung vgl. mir. lethech ‚Flunder‘; s. u.). Dabei wä-
re wie im Falle der Vorformen von ahd. gras
‚Gras‘ : mhd. gruose ‚Pflanzensaft‘, *rasa- :
*rōsa- der Akzent auf der Wurzelsilbe beibe-
halten worden. Nasaliertes mhd. flunder m.
‚dss.‘ (mndd. vlundere, nndd. flunder ‚dss.‘; aisl.
flyðra f. ‚dss.‘, nschwed. flundra ‚dss.‘; nndl.
vlonder ‚dünnes Brett‘; nnorw. flundra ‚kleiner
platter Stein‘ < urgerm. *flunþrijōn-; s. Vries,
Anord. et. Wb.² 134) braucht keine nasalierte
Variante von mhd. vluoder zu sein, da es sowohl
zu der nasallosen wie zu der nasalhaltigen Form
außergerm. Sprachmaterial gibt; zu der nasal-
haltigen Vorform vgl. lett. plañdît ‚breit ma-
chen, ausbreiten, aufbauschen‘ (s. Lühr, Expres-
sivität 107; anders Darms, Schwäher und
Schwager 505 Anm. 254; Pokorny 833: Flunder
zu lat. planta ‚Fußsohle‘ < *pla-n-tā; doch s.
Schrijver, Reflexes 487). Möglicherweise ist aber
mhd. vluoder durch die Bildeweise von flunder
beeinflußt; doch vgl. nasalloses mndd. vladder
‚dünne Torfschicht‘.
Fick III (Germ.)⁴ 251; Holthausen, As. Wb. 20; Gal-
lée, Vorstud. z. e. andd. Wb. 75; Lasch-Borchling,
Mndd. Handwb. I, 1, 737; Schiller-Lübben, Mndd.
Wb. V, 264; Verdam, Mndl. handwb. 717; Franck, Et.
wb. d. ndl. taal² 745; Vries, Ndls. et. wb. 788; Doorn-
kaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I, 495; ME Dict.
E—F, 608; OED² V, 1031; Oxf. Dict. of Engl. Et. 361;
Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 65; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 230. 245; Ordb. o. d. danske sprog
IV, 1126 f.; Torp, Nynorsk et. ordb. 113.
Urgerm. *flaþ-an/ōn-, eine Bildung mit indivi-
dualisierendem n-Suffix in substantivierender
Funktion, beruht auf einer o-stufigen Bildung
vorurgerm. *plóto- [**plótH₂o-]. Nimmt man
an, daß die Wurzelbetonung ein Ableitungsver-
hältnis wie uridg. Adj. *por-ó- ‚gesprenkelt‘:
Subst. *pór-o- ‚Ferkel‘ aufweist (→ farah und
Griepentrog, Wurzelnomina d. Germ. 110),
dann würde *plóto- bereits eine Substantivie-
rung eines plotó- [**plotH₂-ó-] darstellen. Das
n-Suffix hätte in diesem Fall nur eine die Wort-
art Subst. verdeutlichende Funktion.
Während die o-Stufe der Adjektivbildung im
Balt., in lit. platùs ‚breit, weit, ausgedehnt‘ (da-
von lit. plàsti, plantù ‚breiter werden‘), lett. plašs
(i̯o-St. als Ersatz des ursprl. u-Stammes), plats
‚breit, weit, geräumig‘ (vgl. auch apreuß. plas-
meno f. ‚Vorderhälfte der Fußsohle‘), eine Ent-
sprechung hat, ist die lit. Flexion als u-Stamm
an das uridg. schwundstufig gebildete Adj.
‚breit‘ anzuschließen: aind. pthú- ‚breit‘, jav.
pǝrǝθu- ‚breit‘ (npers. ferāχ ‚weit, breit‘); gr.
πλατύς ‚weit, breit, flach, eben‘: < uridg. *pt-
ú- [**ptH₂-ú-]; vgl. demgegenüber aind. pra-
thimán- m. ‚Ausdehnung, Breite‘, gr. πλαταμών
m. ‚platter Stein, Felsenplatte‘ < *pletǝmon-
[**plétǝ₂mon-] mit sonantischer Vertretung des
Laryngals und im Aind. mit analogischer Tenuis
aspirata; dagegen aind. pthiv ‚Erde‘ < uridg.
*ptǝu̯ī [**ptǝ₂u̯íH₂] (gr. Πλαταιαί Stadt in
Böotien; gall. Litavī f., gall.-lat. Letavia,
nkymr. Llydaw ‚die Bretagne‘, mir. Letha ‚dss.‘
(s. R. Lühr, Mü. Stud. z. Spr. wiss. 35 [1976], 87
Anm. 21); vgl. auch den mit n-Suffix gebildeten
ON gall. Litana (silva), Litano-briga (air. le-
than, kymr. llydan, bret., korn. ledan ‚breit‘
[zum Suffix vgl. auch arm. lain ‚breit‘ < *pletǝ-
no-]; dagegen gr. πλάτανος f. ‚Platane‘ wohl
erst mit nachträglicher Eindeutung ‚breitästig,
-blättrig‘ nach gr. πλατύς).
Vgl. mit regulärer e-Stufe im n. es/os-Stamm: aind.
práthas- n. ‚Breite‘, av. fraθah- n. ‚dss.‘; air. leth (gen.
leithe) n. ‚Seite‘ (air. lethaim ‚dehne aus, erweitere‘);
kymr. lled ‚Breite, Weite‘ < uridg. *plet-os [**pletH₂-
os] n. ‚Ausbreitung‘ (dagegen gr. πλάτος n. ‚Weite,
Breite, Umfang‘ mit analogischer Schwundstufe); vgl.
auch aksl. plesna ‚Fußsohle‘ (< *plet-s-nā); vgl. auch
die e-stufige Bildung mir. leithe ‚Schulter‘ (< *pleti̯ā).
Andere Ablautstufen zeigen: lit. plótas ‚Platte‘, plõtis
‚Breite‘ (lit. plõtyti ‚ausbreiten‘; lett. plātît ‚breit ma-
chen, ausbreiten‘, plèst ‚ausbreiten, ausweiten, weit
aufmachen‘).
Ein primäres Verb begegnet allein in aind. prá-
thate ‚breitet sich aus‘ (jav. fraθa. sauuah- ‚die
Kraft verbreitend‘) und wohl in lit. plsti (plečiù,
plėčiaũ) ‚(sich) ausbreiten‘, wenn sich dieses
Verb im Balt. im Präs. der produktiven Klasse
der i̯e/o-Präsentien angeschlossen hat. Die zu-
grundeliegende Wz. uridg. *plet- [**pletH₂-]
gehört sicher zu der Wz. uridg. *pelǝ- [**pelH₂-]
‚ausbreiten, breitschlagen, breitklatschen‘ (→
folma); zur Bedeutung ‚flaches Gebäck‘ vgl. das
wohl von der unerweiterten Wz. abgeleitete
Wort gr. (Herodot 4, 23) παλάθη f. ‚Kuchen aus
eingemachten Früchten‘ (< *p-tā- [**pH₂-
tH₂aH₂-]).
Aksl. *plastъ ‚tortum‘, russ. plast ‚Schicht‘ (Vasmer,
Russ. et. Wb. II, 365 f.) setzt dagegen eine Wurzelform
*plāt- voraus.
Fern bleibt trotz seiner Bedeutung gr. πόλτος ‚Brei‘
(Fladenbrot, ursprünglich eingedickter, durch Aus-
trocknen oder Erhitzen fest gewordener Brei), woraus
wohl lat. puls, -tis f. ‚dicker Brei‘ entlehnt ist (anders
Wurmbach, a. a. O. 23), da der Dental nicht zur Wz.,
sondern zum Suffix gehört; möglich ist Verwandt-
schaft mit lat. pollen ‚sehr feines Mehl, Staubmehl‘ (<
*pol-n-; vgl. lit. pelenaĩ ‚Asche‘; s. Lühr, Expressivität
76 f. 85). Vgl. Frisk, Gr. et. Wb. II, 577; Chantraine,
Dict. ét. gr. 927.
Walde-Pokorny II, 99 f.; Pokorny 833 f.; LIV² 486 f.;
Mann, IE Comp. Dict. 948; Mayrhofer, K. et. Wb. d.
Aind. II, 362 f.; ders., Et. Wb. d. Altindoar. II, 179 f.
364; Bartholomae, Airan. Wb.² 892 f. 983; Horn,
Grdr. d. npers. Et. 180; Boisacq, Dict. ét. gr.⁴ 789. 792;
Frisk, a. a. O. II, 464. 553 f.; III, 166; Chantraine,
a. a. O. 850 f.; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. I, 508;
II, 316 f. 331 f., 387 f.; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴
238. 512; Thes. ling. lat. VI, I, 834; Du Cange² III,
519; Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 3806; Meyer-Lüb-
ke, Rom. et. Wb.³ Nr. 3344; Wartburg, Frz. et. Wb.
XV, 2, 132 ff.; Hübschmann, Arm. Gr. I, 451; H. Pe-
dersen, Zfvgl. Spr. 39 (1906), 388; Trautmann, Balt.-
Slav. Wb. 222 f. 225 f.; Miklosich, Et. Wb. d. slav. Spr.
248; Sadnik-Aitzetmüller, Handwb. zu den aksl. Tex-
ten 86. 284; Vasmer, Russ. et. Wb. II, 709; Fraenkel,
Lit. et. Wb. 606 f. 617 f. 674; Mühlenbach-Endzelin,
Lett.-dt. Wb. I, 322 f.; Karulis, Latv. et. vārd. II, 60 f.;
Fick II (Kelt.)⁴ 246; Hessens Ir. Lex. II, 1, 65 f.; Dict.
of Irish F-92. F-135 ff.; Dict. of Welsh 2126 f. 2251;
Hofmann, Et. Wb. d. Gr. 274; Diez, Et. Wb. d. rom.
Spr.⁵ 137; G. Rohlfs, Rev. de ling. rom. 1 (1925), 316;
Bechtel, Hauptprobleme 244.