flahAWB adj. a-St., nur im Tatian (dat. sg.f. flah-
heru): ‚flach‘. — Mhd. vlach, flach ‚eben, ge-
rade, glatt, schlicht, platt‘, nhd. flach.
Ahd. Wb. III, 941; Splett, Ahd. Wb. I, 241; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 298; Schützeichel⁵ 135; Graff III,
755; Schade 202; Lexer III, 383 f.; Benecke III, 334;
Dt. Wb. III, 1698 f.; Kluge²¹ 201; Kluge²⁴ 297; Pfei-
fer, Et. Wb.² 349.
Dem Wort entsprechen: mndd. vlak (-k-)
‚flach, platt, oberflächlich‘, vlak (-ck-) ‚dss.‘ (<
urgerm. *flakka-?; s. u.), nndd. vlack (daraus
ndän., nschwed. flack ‚flach‘); mndl. vlac ‚flach,
platt, seicht‘, nndl. vlaak; nostfries., nwestfries.
flak ‚flach, platt, schlicht, seicht‘ < urgerm.
*flaka-, vielleicht auch *flakka-. Substantivie-
rungen sind: as. flaka sw. f. ‚Fußsohle‘, nndd.
flake ‚Scholle‘, nnorw. flak ‚Scheibe, Eisscholle‘
(< *flak-a/ōn-), nnorw. dial. fleke ‚Scheibe,
Fläche‘, nhd. dial. tirol. flecken ‚Brett, Bohle‘
(< *flakjan-, im Tirol. mit *n der Kasus obliqui
im Nom.?) und wohl auch mndd. vlake, vleke
‚flaches Flechtwerk aus Zweigen‘; me. flake, fle-
ke ‚Hürde‘; aisl. flaki, fleki m. ‚Brüstung von
Hürden und Planken, Schutzdach‘ (nnorw. fla-
ke ‚Luke aus Brettern‘, nschwed. dial. flake
‚Flechtwerk, Hürde‘), ndän. flage ‚einer der
Teile, die z. B. den oberen Teil eines Kohlenwa-
gens bilden und die teils aus Brettern, teils aus
geflochtenem Reisig hergestellt sind‘, ndän. dial.
flage ‚aus Weidenzweigen geflochtene Garten-
hecke‘, nnorw. dial. fleke ‚von Reisiggeflecht
umgebenes Pfahlwerk zum Lachsfang‘ (< *flak-
jan-; s. o.); aus urnord. *flaki stammt finn. laki,
gen. laen ‚innerer Teil des Daches‘ (neben *fla-
kez > finn. lae, gen. lakeen ‚Schutzdach‘; ur-
nord. *flakja- > finn. lakkea, lakea ‚ebenes Ge-
lände‘; s. T. E. Karsten, Folkmålsstudier 5
[1937], 184; ders., Ark. f. nord. fil. 22 [1906],
200; E. N. Setälä, Finn.-Ugr. Forsch. 13 [1913],
398). Ablautende Bildungen stellen dar: ae. flōc
n. ‚Butt, Scholle‘, me. flōk (fluke, flewke) ‚Flun-
der, Scholle‘, ne. fluke ‚Flunder‘ (nordengl.
flook-footed ‚Plattfuß‘); aisl. flóki ‚Flunder‘,
nisl. floki ‚kleine Flunder‘, nnorw. floke ‚flaches
Ackerland‘ < urgerm. *flōka(n)-. Bei der Ablei-
tung mit Wurzelvokal *-ō- handelt es sich um
eine Vddhibildung der Bedeutung ‚Flacharti-
ges‘ (vgl. Th. Mathiassen, Studien zum slavischen
und indoeuropäischen Langvokalismus [Oslo,
1974], 230; dagegen zu Unrecht Darms, Schwä-
her und Schwager 283 f.); vgl. das Nebeneinan-
der von mhd. vluoder m. ‚Flunder‘ und ahd. fla-
do m. ‚flacher Kuchen‘ (s. d. und Köhler, Die ae.
Fischnamen 35; Lühr, Expressivität 107; anders
Darms, a. a. O. 506 Anm. 254: mhd. vluoder sei
eine Umgestaltung von mhd. flunder).
Gegen die Annahme, daß das Hapaxlegomenon aisl.
flóki ein Lehnwort aus dem Ae. sei (Darms, a. a. O.
283 mit Literatur), spricht nnorw. floke.
Die Verbindung von got. þlaqus ‚zart, ἀπαλός‘ und
ahd. flah, wie sie G. Nordmeyer (Lang. 11 [1935],
219; zögernd Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 499: Grund-
bedeutung ‚eben‘?; vgl. auch Lehmann, Gothic Et.
Dict. þ-47) vornimmt, lehnt Matzel (Gesammelte
Schriften 193 f.) wegen „bedeutungsmäßig kaum über-
brückbarer Schwierigkeiten“ ab. Auch bereite der La-
biovelar im Got. Schwierigkeiten.
Fick III (Germ.)⁴ 249; Holthausen, As. Wb. 20; Wad-
stein, Kl. as. Spr.denkm. 240; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. I, 1, 737; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. V,
265; Verdam, Mndl. handwb. 718; Franck, Et. wb. d.
ndl. taal² 182; Vries, Ndls. et. wb. 787; Doornkaat
Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I, 497; Dijkstra, Friesch
Wb. I, 363; Holthausen, Ae. et. Wb. 109; Bosworth-
Toller, AS Dict. 294; Suppl. 226; ME Dict. E-F, 649;
OED² V, 1101; Oxf. Dict. of Engl. Et. 364; Vries, A-
nord. et. Wb.² 128 (doch: aisl. flaki, fleki „Zaun-
wort“). 133 (flóki); Jóhannesson, Isl. et. Wb. 571 f.
580; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog I, 436. 438.
444; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 65 (aisl. flak
n. ‚losgerissenes Stück‘ aber nicht zu ahd. flah, son-
dern zu aisl. flá ‚die Haut abziehen, schinden‘). 67;
Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 232; Ordb. o. d. danske
sprog IV, 1144 f.; Torp, Nynorsk et. ordb. 114; Hell-
quist, Svensk et. ordb.³ 217; Svenska akad. ordb. F-
731 ff. — Heidermanns, Et. Wb. d. germ. Primäradj.
199.
Führt man urgerm. *flaka- auf vorurgerm. *plǝ-
go- und ein mögliches urgerm. *flakka- auf vor-
urgerm. *plǝgno- (mit n-Gemination) zurück
(zum Nebeneinander von Adjektiven auf *-o-
und *-no- vgl. im Germ. ahd. ger neben gern;
s. d.), ist gr. πέλαγος n. ‚offene, hohe See, Mee-
resfläche, Meer‘ (< *pelǝgo- [**pelH₂go-]),
eigtl. ‚Fläche‘, eine Ableitung der Wz. uridg.
*pelǝg- [**pelH₂g-] ‚flach (machen)‘, vergleich-
bar; zur Bedeutung ‚Meer‘ vgl. lat. aequor, -oris
n. ‚Ebene, Fläche, Feld, Wasserfläche, Meer‘
(zu P. Kretschmers [Glotta 1 (1909), 16 f.] Deu-
tung von Πελασγοί ‚ältere vorgriechische Bevöl-
kerungsschicht der Ägäis‘ als *Πελαγσ-κοί
‚Flachlandsbewohner‘ s. jedoch Frisk, Gr. et.
Wb. II, 495 f.). Im Germ. ist dabei anstelle von
*pgo- [**pH₂go-] analogisch nach der Va-
riante *plāk- [**plaH₂k-] (→ fluoh¹) das *l
konsonantisch geblieben.
Innerhalb der Sippe mit auslautendem *-g- würde nur
die Vddhibildung *flōka(n)- mit Sicherheit auf eine
vollstufige Vorform vorurgerm. *plāg- [**plaH₂g-]
deuten. Da es sich bei *flōka(n)- aber wohl um eine
erst germ. Lautung handelt, andererseits die Syllabifi-
zierung *plǝg- [**plǝ₂g-] auch außerhalb des Germ.
nachweisbar ist (s. u.), dürfte die Parallelwurzel *plāk-
[**plaH₂k-] das Vorbild für die Lautfolge *lǝ [**lǝ₂]
abgegeben haben.
Auf die analogische Wurzelstruktur *plǝg- las-
sen sich auch zurückführen: gr. πλάγιος ‚waage-
recht, quer, schief‘, τὰ πλάγια ‚Seiten, Flanken‘,
eine Bildung mit ιο-Suffix (Schwyzer, Gr.
Gram.² I, 466) von einem Nomen der Bedeu-
tung ‚horizontale Fläche‘ (vgl. lat. plaga; s. u.)
oder von einem Verb ‚flach ausbreiten‘, πλάγος
n. ‚Seite‘ (entweder als Rückbildung nach πλά-
τος n. ‚Weite, Breite, Umfang‘ oder als unab-
hängiges Verbalnomen) — zum Nebeneinander
von Bedeutungen wie ‚flach‘ und ‚Seite‘ vgl. air.
leth ‚Seite‘, lethan ‚breit‘; lat. latus, -eris n. ‚Sei-
te‘, lātus ‚breit‘ —; lat. plaga, -ae f. ‚Fläche,
Netz, Teppich, Überzug, Gegend, Landschaft‘,
eigtl. ‚flach Hingebreitetes‘ (plagella ‚Lappen,
pannus‘). Eine andere Lautqualität des wurzel-
auslautenden Gutturals begegnet in ahd. fluoh
(s. d.) und seinen Verwandten, z. B. in lett. plaks
‚flach‘ < *plǝk-, Lautungen, die oftmals zu Un-
recht unmittelbar ahd. flah gleichgesetzt worden
sind (z. B. J. Endzelin, Zfvgl. Spr. 52 [1924],
113).
Die Verbindung von aksl. ploskъ ‚flach, breitblättrig,
πλατύς‘, russ. plóskij, poln. płaski usw. ‚flach‘ (dazu
russ. plochój ‚schlecht, gering‘, ukrain. płochýj ‚still,
demütig‘, w.russ. plóchij ‚kränklich, schlecht‘ usw.?),
russ.-ksl. plastъ, russ. plast ‚Schicht, Lage, Scheibe‘
und lit. plãštaka, plaštakà ‚Handfläche, gespreizte, fla-
che Hand, Hand, Handbreite‘ mit ahd. flah (z. B. bei
Curtius, Grundzüge d. gr. Et.⁵ 165) ist fraglich (vgl.
Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 222 f.: *plš-ko- und
*plš-to- aus *plag̑o-?; zu weiteren Anschlüssen wie
etwa an lit. platùs ‚breit‘ s. Vasmer, Russ. et. Wb. II,
365 f. 374; anders Fraenkel, Lit. et. Wb. 605: plaštaka
< *plaškata < *plakškata mit dissimilatorischem
Schwund des ersten *k und damit zu lit. plàkti ‚schla-
gen‘; → fluoh¹). Dagegen hält Vasmer (a. a. O. 367) im
Falle von russ. plácha ‚Block, Klotz, Richtplatz‘ (dazu
*plachъta in ukrain. płáchta ‚Unterrock, Art Kopf-
tuch, Laken‘, tschech. plachta ‚Vorhang, Segel‘ usw.) —
trotz des problematischen ch-Lautes — Urverwandt-
schaft mit ahd. flah für möglich (anders z. B. Joh.
Schmidt, Idg. Vokalismus II, 119: russ. plácha usw. sei
aus ahd. flah entlehnt; zu ch als Vertretung von *χ in
germ. Lehnwörtern s. Arumaa, Urslav. Gr. II § 399).
Walde-Pokorny II, 90 f.; Pokorny 831 f.; Boisacq,
Dict. ét. gr.⁴ 756. 759. 789; Frisk, a. a. O. II, 493. 547;
Chantraine, Dict. ét. gr. 908; Walde-Hofmann, Lat.
et. Wb. II, 314; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 511; Mi-
klosich, Et. Wb. d. slav. Spr. 251 f.; ders., Lex. Pa-
laeosloven.-Graeco-Lat. 574; Sadnik-Aitzetmüller,
Handwb. zu den aksl. Texten 87. 285 (Nr. 675); Vas-
mer, Russ. et. Wb. II, 375. — Persson, Stud. z. Wurzel-
erw. 22; Osthoff, Et. Parerga 351.