fledarmûsAWB f. i-St., nur in Gl. seit dem 9./
10. Jh.; auch fledar(e)mûstraAWB f. n-St., fledar-
(e)mûstroAWB m. n-St., nur in Gl. seit dem 8./
9. Jh.: ‚Fledermaus, vespertilio, Motte, Nacht-
falter, blatta‘ (zu dieser Bed. vgl. Neuß, Stud.
z. d. ahd. Tierbez. 85 f.) 〈Var.: v-, u-; -th-; -er-,
-ir-, -or-, -ro-, -re-; -mus, -ms, -mvs, -mos,
-muß, -maus (14./15. Jh.)〉. — Mhd. vledermûs
st.f. ‚dss.‘, nhd. Fledermaus f. (mdartl. auch mit
der Bed. ‚Nachtfalter‘ oder ‚Schmetterling‘).
Ahd. Wb. III, 943 f.; Splett, Ahd. Wb. I, 241. 647;
Köbler, Wb. d. ahd. Spr. 298 f.; Starck-Wells 162. XL.
810; Schützeichel, Glossenwortschatz III, 197 ff.; See-
bold, ChWdW8 129; Graff III, 873; Schade 204; Le-
xer III, 391; Benecke II, 1, 277 f.; Diefenbach, Gl.
lat.-germ. 76 (blatta). 615 (vespertilio); Götz, Lat.-
ahd.-nhd. Wb. 75 (blatta). 705 (vespertilio); Dt. Wb.
III, 1745 f.; Kluge²¹ 203 f.; Kluge²⁴ 299 f.; Pfeifer, Et.
Wb.² 353. — Ochs, Bad. Wb. II, 172; Fischer, Schwäb.
Wb. II, 1554 f.; Müller, Rhein. Wb. II, 585 ff.; IV,
602 (Karte); Christmann, Pfälz. Wb. II, 1438 f.; Mau-
rer-Mulch, Südhess. Wb. II, 786 f. — Palander, Ahd.
Tiernamen 22 ff.; Neuß, a. a. O. 84 ff.
Die ältesten Belege sind fledar(e)mûstra, -mû-
stro, aber schon Ende des 9. und Anfang des
10. Jh.s beginnt fledarmûs damit zu konkurrie-
ren, eine Form, die sich endgültig durchsetzt
und in anderen westgerm. Sprachen Entspre-
chungen hat: mndd. vlēdermūs, vleddermūs;
mndl. vledarmuus, vleer-, vleremuus, nndl. vle-
(d)ermuis; nostfries. fleddermūs. Aus dem Mndd.
entlehnt ist nschwed. flädermus, dial. auch nach
dem Verb fladdra zu fladdermus, ndän. nach
flagre zu flag(g)ermus umgebildet; auch ält. ne.
flittermouse ist eine Umbildung nach flitter von
nhd. Fledermaus oder nndl. vle(d)ermuis (im Ae.
hieß die Fledermaus hrēaðemūs, → rodamûs,
und hrēremūs zu ae. hrēran ‚rühren, bewegen‘,
→ ruoren; also beides mit der Bed. ‚rührige
Maus‘.
Fick III (Germ.)⁴ 251 (fleþrôn, flaþrôn); Lasch-Borch-
ling, Mndd. Handwb. I, 1, 740; Schiller-Lübben,
Mndd. Wb. V, 268; Verdam, Mndl. handwb. 718;
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 747; Vries, Ndls. et. wb.
789; Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I, 504;
Holthausen, Ae. et. Wb. 172 (hréaðe-mūs). 175
(hrœ̄re-mūs); Bosworth-Toller, AS Dict. 557 (hréaðe-
mûs). 559 (hrêre-mûs); OED² V, 1067 (flittermouse);
Oxf. Dict. of Engl. Et. 363 (flitter); Falk-Torp, Norw.-
dän. et. Wb. 232 (flaggermus); Hellquist, Svensk et.
ordb.³ 225 (flädermus). — Schrader, Reallex. d. idg.
Alt.² I, 327.
Der zweite Bestandteil von ahd. fledarmûs ist
ahd. mûs ‚Maus‘ (s. d.); mûstra, -tro ist eine mit
-t(e)ra-Suffix erweiterte Form von mûs, die ‚ein
Tier, das der Maus ähnelt‘ bedeutet (vgl. aind.
aśvatará- m. ‚Maultier‘, npers. astar ‚Maulesel‘
[eigtl. ‚pferdeähnliches Tier‘], lat. matertera
‚Tante‘; → mûstro).
Verfehlt war R. Koegels (IF 4 [1894], 319 f.) Verknüp-
fung des zweiten Elements mit gr. μυῖα, lat. musca, lit.
mus ‚Fliege‘; vgl. F. Kluge, PBB 43 (1917), 146;
W. Krogmann, IF 50 (1932), 281 f.
Der erste Bestandteil ist etwas problematisch.
Zweifellos hängt er mit dem mhd. Verb vlede-
r(e)n, mndl. vlederen ‚flattern‘ zusammen (in
der nhd. Schriftsprache nur noch in zerfledern
und Flederwisch [das ursprl. mhd. vederwisch
hieß und an vleder(e)n angelehnt wurde] erhal-
ten, aber mdartl. als Verb noch [selten] vorkom-
mend; vgl. Fischer, Schwäb. Wb. II, 1554: flede-
ren ‚mit Flügeln schlagen, lustig tanzen‘; Müller,
Rhein. Wb. II, 584 f.: fledern ‚flattern, schnell
laufen, daß die Rockschöße fliegen, herumlau-
fen‘). Da die meisten Verben mit r-Suffix zur
zweiten sw. Konj. gehören (vgl. Wilmanns, Dt.
Gr. II § 70 ff.) und das spätahd. Glossenwort
fledirônti ‚discinctus‘ trotz des Bed.unterschiedes
(‚losgegürtet‘ = ‚in ein locker fallendes Gewand
gekleidet[?]‘ [Ahd. Wb. III, 945]) zum selben
Verb gehören muß, darf man ein ahd. Verb *fle-
dirôn ansetzen. Zss. mit ēn- und ōn-Verben wa-
ren aber im älteren Ahd. sehr selten (vgl. Wil-
manns, a. a. O. II § 402, 1; Gröger, Ahd. u. as.
Komp.fuge § 114. 120); also ist das erste Ele-
ment kaum mit *fledirôn identisch. Ahd. *fledi-
rôn war wohl ein denominatives Verb (vgl. Wil-
manns, a. a. O. II § 70; Gröger, a. a. O. § 120) zu
*fledar, einem mit r-Suffix gebildeten Adj. oder
Nomen (vgl. Wilmanns, a. a. O. § 215 ff. 322)
zur Verbalwz. *fled- in ahd. *fledn (nur part.
präs. nom. pl.m. fledenta ‚fluentes‘ Gl. 2, 690, 73
[12. Jh.]) ‚lose herabhängen, herabwallen (von
einem Gewand), fluere‘ (Ahd. Wb. III, 944; vgl.
Raven, Schw. Verben d. Ahd. I, 293) belegt ist.
Das Verb *fledn müßte also ‚flattern, wallen‘,
ein Adj. *fledar ‚flatternd, wallend‘ (vgl. ahd.
bittar ‚bitter‘, eigtl. ‚beißend‘ zu germ. *bītan-
‚beißen‘), ein Nomen *fledar(a) ‚(etwas) Flat-
terndes, Wallendes‘ (vgl. ahd. fedara ‚Feder‘ zur
idg. Wz. *pet- ‚fliegen‘) bedeuten.
Als erstes Element von fledarmûs kommt ein
Adj. *fledar kaum in Frage, denn Zss. von Adj.
+ Nomen waren im Germ. außerordentlich sel-
ten (vgl. Wilmanns, a. a. O. II § 400 f.), außer-
dem gibt es keine Spur eines solchen Adj. im
Ahd. oder Mhd. Dagegen erscheint ein mhd.
Nomen vleder m. ‚Fähnlein des Banners‘, d. h.
‚ein langes, flatterndes Band‘ (vgl. ne. pennon
‚Flügel, Fittich, Fähnlein‘, zu lat. penna ‚Flü-
gel‘), auch ein mhd. Adj. vlederîn ‚gefedert, ge-
kräuselt‘, das eine Ableitung von einem Nom.
vleder mit dem Adj.suffix -īn sein muß. Ahd.
fledarmûs ist also wohl eine Nominalzss. aus fle-
dar m. + mûs f.: ‚eine Maus mit flatternden Flü-
geln‘ (vgl. ähnl. Zss. wie ahd. fuotareidi ‚Nähr-
mutter, Amme‘).
Problematisch sind auch die Fugenvokale in fleda-
remûstra, -tro, denn nach langen oder mehrsilbigen
Stämmen schwindet normalerweise der Fugenvokal
(vgl. Gröger, a. a. O. § 1). Da diese Formen in obd.,
meistens sehr frühen Hss. erscheinen, kann es sich um
einen Gleitlaut zwischen r und m handeln wie in obd.
waram, wurum usw. (vgl. Braune, Ahd. Gr.¹⁵ § 69b).
Daß solche Gleitlaute auch in der Fuge vorkommen,
zeigt Gröger, a. a. O. § 15.
Ahd. fledar-, *fledn, *fledirôn, mhd. vleder,
vleder(e)n, vlederîn usw. setzen urgerm. *fleþ-,
vorurgerm. *plet- voraus. Der gewöhnliche Ver-
gleich mit lit. plazdti (< *plad-d-) ‚flattern,
pulsieren usw.‘, lett. plezdinât ‚schwingen‘, refl.
-tiês ‚mit den Flügeln schlagen, flattern‘, pledi-
nât, plidinât ‚(Flügel) bewegen‘, refl. -tiês ‚flat-
tern usw.‘, pledins ‚Schmetterling‘ scheitert an
dem auslautenden Dental der Wz. (balt. *pled-,
germ. *plet-). Wenn die Wz. *pled- eine Erwei-
terung der Wz. *pel- ‚fließen, schwimmen, flie-
gen, flattern‘ (→ fîfaltar) ist, wie meistens ange-
nommen wird (vgl. Pokorny 800 f.; E. Fraenkel,
Boisacq-Festschrift I, 357 ff.), müßte man, um
die germ. Wörter mit den balt. zu verknüpfen,
eine zweite Erweiterung *plet- annehmen, die
aber sonst nicht belegt ist.
Daß urgerm. *fleþarō unter dem Einfluß von *flew-
an- ‚fliegen‘ neben *feþarō ‚Feder‘ entstanden sei
(Franck, a. a. O. 748 s. v. vlerk), kann wegen ahd. *fle-
dn nicht stimmen.
Lexer III, 390 f. — Walde-Pokorny II, 52; Pokorny
800 f.; Fraenkel, Lit. et. Wb. 610; Mühlenbach-End-
zelin, Lett.-dt. Wb. III, 333. 338. 343.
Ob nhd. flattern zu dieser Sippe gehört oder nicht, ist
umstritten; vgl. Kluge²¹ 202; Kluge²⁴ 299; Pfeifer, Et.
Wb.² 351; Franck, a. a. O. 164. Zur Problematik der
mit fl- anlautenden germ. Wörter wie nhd. flattern, ne.
flutter, flitter, flatter, aisl. flaðra usw., die z. T. lautma-
lenden Ursprungs sein können, vgl. A. Liberman, GL
30 (1990), 81 ff. und → flitarazzen.