flewen
Band III, Spalte 376
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flewenAWBAWB sw. v. I, nur Gl. 2, 399, 47 (Wien 247,
11. Jh., 3.pl.konj. fleuun): fließen, wallen,
fluitare
, Tatian 19, 4 3.pl.konj.prät. fleuuitin:
waschen, lavare. irflouwenAWB sw. v. I, nur Gl.
1, 124, 6. 125, 6 (Abrogans); 2, 41 Anm. 6(?):
aus-, abwaschen, abluere, *expurgare? Var.:
inf. Pa, Ra arflauuen, Kb ir-; Gl. 2, 41 Anm. 6
Würzburg Mp. th. f. 28 8./9. Jh. part.prät.? or-
flait; s. J. Hofmann, PBB 85 [Halle, 1963],
120. Mhd. vlöuwen, vlöun sw. v. spülen,
waschen, säubern
, intr. sich (im Wasser) hin-
und herbewegen
, ervlöuwen ausspülen, aus-
waschen
, nhd. dial. bair. flegen; flauen (zu
mhd. vlæjen dss. usw. s. fluot), ält. nhd. er-
fläuen [Dt. Wb. III, 801]. Die unterschiedli-
chen Bedeutungen waschen und fließen des
hd. Verbs erklären sich am einfachsten aus ei-
ner urgerm. Vorform *flawjan-, einmal in der
Funktion eines Intensiv-Iterativs hin- und her-
schwimmen
und einmal in der Funktion eines
Kausativs schwimmen lassen (Weiteres s. u.).
Zu den unterschiedlichen Vorformen von ahd.
flewen (Schwund von *j vor *i) und flouwen
(Bewahrung von *j vor dunklem Vokal und so
mit westgermanischer Konsonantengemina-
tion) s. drewen und drouwen drohen (s. d. d.).

Ahd. Wb. III, 965 (mit Trennung in flewen¹ und fle-
wen² und unzutreffender Zuordnung von mhd. vlæ-
jen usw. zu flewen² waschen). 995; Splett, Ahd. Wb.
I, 244; Köbler, Wb. d. ahd. Spr. 610; Schützeichel⁵
135; Starck-Wells 164; Schützeichel, Glossenwort-
schatz III, 208. 220; Graff III, 740; Schade 203 f.; Ra-
ven, Schw. Verben d. Ahd. I, 293; Riecke, Schw. jan-
Verben d. Ahd. 569; Lexer III, 385 (doch Vermengung
von vlæjen und vlöuwen); ebenso Benecke III, 335;
Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 3 (abluere). 270 (fluitare).
370 (lavare); Dt. Wb. III, 1710 (flaien). 1735 (flauen).
1738 (flauwen); Schmeller, Bayer. Wb.² I, 783; Klu-
ge²¹ 206 (fließen). Braune, Ahd. Gr.¹⁵ § 358 Anm. 3.

Das Verb hat im Germ. sonst keine Entspre-
chungen.

Ein von F. O. Lindeman (IF 73 [1968], 139 f.) ange-
setztes st. Verb urgerm. *flewan- (= aind. plávate, gr.
πλέω; s. u.) mit dem Prät. (Sing.) *flaw-a, *flaw-ta,
flaw-e, (Plur.) *flu-mex, *flu-dex, *fluw-un-
läßt
sich nicht weiter nachweisen.

Fick III (Germ.)⁴ 253 f.; Seebold, Germ. st. Verben
204 f.; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 749; Vries, Ndls.
et. wb. 792; Lehmann, Gothic Et. Dict. F-62 (flodus).
Grimm, Gesch. d. dt. Spr.³ 397.

Mit der Vorform vorurgerm. *ploée- von ahd.
flewen, flouwen lassen sich vereinbaren: aind.
plāvayati läßt schwimmen, baden, über-
schwemmt
, jav. fra-frāuuaiiāhi du schwemmest
fort
(< *ploée-; s. Kellens, Le verbe av. 77 ff.
103. 143; neben jav. dunmō.frut- mit den Wol-
ken fliegend
; s. Kellens, Les noms-racines 123),
serb. plòviti schwemmen, schwimmen.

Die seltene, späte aind. Form plavayati ist mit diesen
Bildungen kaum urverwandt.

Für die Wz. uridg. *ple- nimmt Pokorny 836 die viel-
fältigen Bedeutungen rinnen (und rennen), fließen,
schwimmen, schwemmen, gießen, fliegen, flattern
an.
Demgegenüber geht Strunk (Pluti 124) von einem Be-
deutungsansatz [kraftlos im Wasser] (dahin) treiben
aus. In der Tat weist der Großteil der Bedeutungen
der vollstufigen thematischen Präsensbildung uridg.
*plée/o- auf eine solche Grundbedeutung. Allerdings
muß dann die Bedeutung regnen, wie sie im Lat. vor-
kommt, durch Synästhesie aus [vor Wasser] schwim-
men
entstanden sein: aind. plávate schwimmt (im
Wasser), schwebt (im Luftraum), gleitet
(perf. puplu-
ve; vgl. perf. gr. πέπλυμαι zu πλέω; s. d.), jav. us.-
frauuånte (Wolken) werden aufsteigen; gr. πλέω (im-
perf. ἔπλεον) fahre zur See, segle, schiffe; altlat.
Festus-Paulus per-plovēre durchsickern lassen, leck
sein
, lat. pluere (meist unpersönlich pluit) regnen (>
italien. piovere, afrz. plovoir, frz. pleuvoir usw.), mit
Verallgemeinerung der in Komposita nachtonigen
Stammform -plu-ere für *plovere (*plovit) < *plee/
o- = gr. πλέω (Schulze, Kl. Schriften 443 Anm. 6.
677); air. luid (ursprl. Deponens) bewegt sich, fliegt
(prät. luis bewegte, luud Antrieb); lit. pláuti
(pláuju) spüle (zur Dehnstufe in der Vorform *plōō
s. Rasmussen, Morphophonemik 209); aksl. pluti
(plov) segeln, πλεῖν, φέρεσθαι (Aorist aksl. plu).
Ein schwundstufiges se/so-Präsens wird von toch. A
plumā, B pluä schwebt, treibt (auf dem Wasser)
gegenüber dem Wurzelpräsens A Part. Präs. Medium
plumā, B Konj. pleyewä wird schweben (B s-Prät.
plyeusa; vgl. s-Aorist. gr. ἔπλευσα; aind. aploa ist
[weg-]geschwommen
) neben A prät. plawar vorausge-
setzt.

Eine o-stufige Bildung lebt in der Sachbezeich-
nung aisl. fley n. Schiff, gr. πλοῖον dss. (<
*ploo-), aind. plavá- (mit sekundärem kurzen
-a- anstelle von -ā- aufgrund des Brugmann-
schen Gesetzes?) schwimmend, Boot, toch. B
plewe Floß, russ. plov Schiff (< *ploo-)
fort; vgl. auch gr. πλόος, kontrahiert πλοῦς,
Schiffahrt.

Zu gr. πλύνω wasche, reinige < *plune/o-, einer
analogischen Faktitivbildung zu *plee/o- (dazu -πλυ-
τός gewaschen) und der von Meillet (Esquisse d’une
gr. comp. de l’arm.² 111) erwogenen Verbindung mit
arm. lowanem waschen s. Klingenschmitt, Altarm.
Verbum 115 f.; anders dazu Lindeman, a. a. O. 139.
141 f.: Mhd. vlæjen, gr. πλύνω, arm. lowanem würden
allesamt auf grundsprachlichem *plu-, der tiefstufi-
gen Form des gut bezeugten Verbalthemas *plew-
,
beruhen.

Veraltetes zum Ablaut der Sippe bei Hirt, Idg. Ablaut
144.

Walde-Pokorny II, 94 f.; Pokorny 835 ff.; LIV² 487 f.;
Fick I (Idg.)⁴ 486; Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. II,
383 ff.; ders., Et. Wb. d. Altindoar. II, 194 ff.; Gotō,
I. Präsensklasse im Ved. 214; H. Reichelt, Zfvgl. Spr.
39 (1906), 47; Bartholomae, Airan. Wb.² 749 (dun-
mō.frut-). 990 (jav. frav- schwimmen, fliegen); Boi-
sacq, Dict. ét. gr.⁴ 794; Frisk, Gr. et. Wb. II, 559 f.
564 f.; Chantraine, Dict. ét. gr. 915 f.; Curtius, Grund-
züge d. gr. Et.⁵ 279; Hofmann, Et. Wb. d. Gr. 275;
Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. II, 326 f.; Ernout-Meil-
let, Dict. ét. lat.⁴ 516 f.; Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr.
7268; Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 223; Miklosich, Et.
Wb. d. slav. Spr. 252 f.; Sadnik-Aitzetmüller, Handwb.
zu den aksl. Texten 285 f. (Nr. 676); Vasmer, Russ. et.
Wb. II, 377; Aitzetmüller, Abulg. Gr. § 82; Fraenkel,
Lit. et. Wb. 609 f.; Fick II (Kelt.)⁴ 253; Hessens Ir.
Lex. II, 78; Dict. of Irish L-238 f.; Pedersen, Vgl. Gr.
d. kelt. Spr. II, 571; Krause, Westtochar. Gr. 265; Win-
dekens, Lex. ét. tokh. 96 f.; Windekens, Le tokharien
I, 377. 379; Hackstein, Sigm. Präsensstammbildungen
96 ff.; Adams, Dict. of Toch. B 428. Bopp, Gl. comp.
ling. sanscr. 259; J. Schmidt, Zfvgl. Spr. 26 [1883], 7 f.;
Brugmann, Grdr.² II, 3, 249; Persson, Stud. z. Wurzel-
erw. 131; ders., Beitr. z. idg. Wortf. 748.

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