flinsAWB m. i-St. (dat.pl. -in [10. Jh.]), nur in
Gl. seit dem 9. Jh.: ‚harter Stein, Kiesel, Feuer-
stein, Felsen, lapis ignitus, rupes, silex‘ 〈Var.:
u-, v-, ph-, pf-〉. — Mhd. vlins ‚Kiesel, harter
Stein‘, nhd. mdartl. und (selten) in der minera-
logischen und geologischen Fachsprache Flins
‚Name mehrerer Steinarten‘.
Ahd. Wb. III, 966 f.; Splett, Ahd. Wb. I, 244; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 301; Starck-Wells 164. 810; Graff III,
773; Schade 205; Lexer III, 405; Benecke III, 342;
Diefenbach, Gl. lat.-germ. 53 (silex); Götz, Lat.-ahd.-
nhd. Wb. 367 (lapis ignitus). 581 (rupes). 611 (silex);
Dt. Wb. III, 1801 f.; Kluge²¹ 206 (Fliese); Kluge²⁴ 301
(Fliese). 302 (Flinte); Pfeifer, Et. Wb.² 355 (Fliese).
356 (Flinte). — Fischer, Schwäb. Wb. II, 1573; Schmel-
ler, Bayer. Wb.² I, 793; Schöpf, Tirol. Id. 143; Schatz,
Wb. d. tirol. Mdaa. 179: ‚feiner Sand am Bachufer‘. —
Lüschen, Namen der Steine² 218 f.
Eine genaue Entsprechung im Germ. ist nur
mndd. vlins ‚Kieselstein, harter Stein, Felsen‘
(s. u.), aber außerdem kommen verwandte Wör-
ter mit abweichendem Auslaut vor: mndd. vlint-
stēin ‚Kieselstein‘ (→ flinsstein), selten vlint;
mndl. vlint ‚Kieselstein‘, nndl. flint; nfries.
flint(e) ‚dss.‘; ae. flint ‚dss.‘, me., ne. flint; aisl.
fletta- f. in Zss. wie flettugrjót ‚Feuerstein‘,
nnorw. flint, aschwed., nschwed. flinta ‚Feuer-
stein, Steinsplitter‘, ält. dän. flint ‚Steinsplitter‘.
Daneben kommen auch Wörter ohne Nasal und
mit langem Vokal vor: mndl. vlīse f. ‚Fliese,
Steinplatte‘ (> nhd. Fliese); aisl. flís f. ‚(Holz-)
Splitter‘, später ‚Fliese, Steinplatte‘ (in dieser
Bed. viell. aus dem Mndd. entlehnt), nnorw. flis,
nschwed. flis(a) ‚Splitter‘.
Fick III (Germ.)⁴ 253; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. I, 1, 748; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. V,
275; Verdam, Mndl. handwb. 721; Vries, Ndls. et. wb.
171; Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I,
511 f.; Dijkstra, Friesch Wb. I, 369; Holthausen, Ae.
et. Wb. 108; Bosworth-Toller, AS Dict. 293; Suppl.
225; Suppl. II, 25; ME Dict. E-F, 641 f.; OED² V,
1060 f.; Oxf. Dict. of Engl. Et. 362; Vries, Anord. et.
Wb.² 131. 132; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 906 f.; Holt-
hausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 66. 67; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 237. 238; Torp, Nynorsk et. ordb.
121; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 220. — Lühr, Expressi-
vität 105 f.
Trotz der Verschiedenheit der Bildungen und
der Bedeutungen setzen alle obigen Wörter
wohl eine ursprl. Grundbed. ‚das Gespaltene
oder Spaltbare‘ voraus und gehen auf die idg.
Wz. *(s)plei̯- ‚spalten, spleißen‘ (Pokorny 1000)
mit d-Formans und Nasalierung zurück. Zur
selben Basis *(s)plei̯d- mit anl. s- und Nasalie-
rung gehören mndd. splinte, splente ‚eiserner
Vorsteckstift, Quereisen‘, mndl. splint(e) ‚dünne
Platte (Metall usw.)‘, splinter ‚Splitter‘ (> me.
splint, splent, splinter, ne. splint, splinter); ohne
Nasalierung mhd. splîzen ‚spalten, trennen‘,
nhd. spleißen, mndd., mndl. splīten, afries. splī-
ta; mhd. splitter (wohl aus dem Mndd.; die obd.
Form war spelter), nhd. Splitter, mndd. splittere,
splettere.
Lexer II, 1078 (s. v. spelter). 1105; Kluge²¹ 729; Klu-
ge²⁴ 868; Schiller-Lübben, a. a. O. IV, 334 f.; Lübben-
Walther, Mndd. Handwb. 369; Verdam, a. a. O. 565;
Holthausen, Afries. Wb.² 102; ME Dict. SM-SZ,
487 ff.; OED² XVI, 283 f. 285; Oxf. Dict. of Engl. Et.
855.
Germ. *flinta-, -ō-, *splintō- sind Verbalsubst.
(mit Nasalierung) zur Nullstufe der Wz.
*(s)plei̯d-; ahd. flins ist entweder eine Weiterbil-
dung eines früheren s-Stammes *flintiz (vgl. Po-
korny 1000) oder eine Ableitung auf idg. *-to-,
*-ti- (vgl. Wilmanns, Dt. Gr. II § 254 ff.)
*plind-to/i-, germ. *flinsa-, -i-. Mndd. vlins ist
wohl aus dem Hochdt. entlehnt und hat das „ing-
wäonische“ flint ersetzt; ein Fem. *flinsō- mit
einer anderen Bed. ist durch Nasalschwund und
Ersatzdehnung zu vlīse geworden. Aisl. flís ist
auch auf diese Weise entstanden.
Anders Pokorny 1000: aus idg. *plīd-to-, aber bei ei-
nem Verbalsubst. ‚das Gespaltene‘ erwartet man die
Nullstufe der Wz. wie bei flint, flins, splint(er); der
lange Vokal deute auf Ersatzdehnung. Verfehlt Vries,
Anord. et. Wb.² 132: zur Wz. *plē- ‚abreißen‘. Po-
korny 835 (s. v. *plē-) stellt aisl. flís nicht zu *plē-,
sondern zu einer verwandten „germ. Wurzel auf -s
statt Guttural“, auf S. 1000 dagegen zu *(s)plei̯-.
Lühr, Expressivität 105 f. setzt eine ursprl. germ. Form
*flīs-a/ō(n)- an, die in der Bed. ‚Kiesel, Feuerstein,
Flitter‘ eine nasalhaltige Variante entwickelte; davon
„hätte dann die Nasalierung auf die von der Wz.
*spliđ/fliđ- ausgegangenen Bildungen übergegriffen“.
Es ist aber fraglich, ob eine Form flins ‚Kieselstein‘ auf
ein Wort mit abweichender Form und Bedeutung
*split- ‚Splitter, dünne Platte‘ einen Einfluß ausüben
konnte. Es scheint, als ob die Nasalierung sich sehr
früh in den zur Basis *(s)plei̯d- gehörigen Subst. ent-
wickelt hat, während die Verben ohne Nasal blieben.
Nur bei splitter(e) : splinter kommen sowohl nasallose
wie auch nasalhaltige Formen vor; splitter(e) ist vom
Verb *splītan- abgeleitet, während splinter eine Erwei-
terung von splint ist (vgl. Wilmanns, a. a. O. II
§ 215 f.).
Die Zugehörigkeit von gr. πλίνθος ‚Ziegel‘, das laut-
lich mit den Varianten der Wz. mit germ. *-d: nnorw.
flindra ‚dünne Scheibe oder Splitter‘, splindra ‚großer
flacher Holzsplitter‘ usw. (vgl. Pokorny 1000) ver-
knüpft werden könnte (vgl. Falk-Torp, a. a. O. 237)
und auf eine schon im Idg. vorkommende Nasalierung
deuten würde, ist aber sehr unsicher, denn πλίνθος ist
wegen seiner ungewöhnlichen Wurzelstruktur und sei-
nes Gebrauchs als technischer Ausdruck des Ziegel-
steinbaus wohl aus einer nichtidg. Sprache entlehnt
(vgl. bes. Frisk, Gr. et. Wb. II, 562 f.; Chantraine,
Dict. ét. gr. 917 f.). Daß auch die germ. Sippe auf ein
voridg. Wort zurückgehe (H. Güntert, Sitz.ber. d.
Heid. Akad. d. Wiss. 23, 1 [1932—33], 22), ist unwahr-
scheinlich.
Die idg. Wz. *(s)plei̯(d)- ist außerhalb des
Germ. spärlich bezeugt: nach Vendryes, Lex. ét.
de l’irl. anc. S-134 f. gehört air. slind ‚Ziegel,
flacher Stein‘ hierher und ist nicht, wie Po-
korny, a. a. O. behauptet, eine Umstellung aus
lat. scindula; dagegen lehnt er die Zugehörigkeit
von air. sliss ‚Schnitzel, Splitter, Span‘, slissiu
‚Schnitzel, Latte‘ (Pokorny, a. a. O.) ab, da anl.
sl- hier auf *stl- zurückgeht; er stellt die Wörter
zur idg. Wz. *stel- ‚ausbreiten, flach hinbreiten‘
(Pokorny 1018 f.; LIV² 594).
Die von Persson, Beitr. z. idg. Wortf. 804 ff. und
immer noch von Walde-Pokorny II, 648 und
Pokorny 1000 angeführten lett. Vergleiche sind
äußerst zweifelhaft. Lett. plītes ‚kleine Brosa-
men‘ gehört nach Mühlenbach-Endzelin, Lett.-
dt. Wb. III, 349 zur Wz. von plîst ‚reißen, ber-
sten usw.‘, das nach E. Fraenkel, IF 52 (1934),
145 ff.; ders., Lit. et. Wb. 619 wie lit. plýšti ‚dss.‘
eine analogische Neubildung ist und zu lett.
plêst ‚reißen‘, lit. plšti ‚reißen, zerren‘ gehört.
Diese Wörter hält er für Weiterbildungen der
idg. Wz. *(s)p(h)el- ‚spalten‘ (s. u.; nicht zu
*plē- wie bei Pokorny 835). Lett. pliviṇa ‚ab-
gelöste flatternde Baumrinde‘ gehört wahr-
scheinlich zu lett. plivinât ‚flattern‘ (zur idg.
Wz. *pleu̯- ‚fließen, flattern‘; vgl. Mühlenbach-
Endzelin, a. a. O. III, 338. 347; Fraenkel, Lit. et.
Wb. 609 [s. v. pláuti]).
Idg. *(s)plei̯(d)- ist eine Erweiterung von der
Wz. *(s)p(h)el- ‚spalten‘ (→ spaltan).