forahta
Band III, Spalte 478
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forahtaAWB f. ō- (auch n-)St., seit dem 8. Jh.:
Furcht, Angst, anxietas, conscientia, formido,
metus, pavor, reverentia, stupor, terror, timor,
tremor, trepidatio
Var.: u-, v-; -oht-, -eht-
(zum Sproßvokal vgl. Braune, Ahd. Gr.¹⁵
§ 69), -rht-, -cht-, -tht-, -th-, -t- (zu th und
zum Schwund des h vgl. Braune, a. a. O. § 154
Anm. 6). Mhd. vorht(e) st.f. dss., nhd.
Furcht f. (mit -u- in Anlehnung an das Verb
fürchten; forahten).

Ahd. Wb. III, 1154 ff.; Splett, Ahd. Wb. I, 257; Köb-
ler, Wb. d. ahd. Spr. 319; Schützeichel⁵ 139; Starck-
Wells 171; Schützeichel, Glossenwortschatz III, 261;
Seebold, ChWdW8 134; Graff III, 685 ff.; Schade
213; Lexer III, 469 f.; Benecke III, 384 f.; Diefenbach,
Gl. lat.-germ. 243 (formido). 360 (metus). 418 (pavor).
558 (stupor). 580 (terror). 583 (timor). 594 (tremor);
Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 273 (formido). 403 (metus).
471 (pavor). 575 (reverentia). 631 (stupor). 662 (ter-
ror). 665 (timor). 676 (tremor, trepidatio); Dt. Wb.
IV, 1, 1, 683 ff.; Kluge²¹ 225; Kluge²⁴ 322; Pfeifer, Et.
Wb.² 385. Ruprecht, Tristitia 47 ff.

Germ. Entsprechungen z. T. mit Metathese
sind: as. forhta st.f., mndd. vruchte, vrochte,
vorchte f.m.; mndl. vrucht(e), vrocht f.m. (nndl.
ausgestorben); afries. fruchte f., nostfries. frücht;
mit anderer Stammbildung ae. fyrhtu, fryhtu f.
(ursprl. īn-St.; vgl. Sievers-Brunner, Ae. Gr.³
§ 280), me., ne. fright; got. faurhtei f. Das Wort
fehlt im Nordgerm.

Fick III (Germ.)⁴ 244; Holthausen, As. Wb. 22; Sehrt,
Wb. z. Hel.² 146; Berr, Et. Gl. to Hel. 131; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 1015; Schiller-Lüb-
ben, Mndd. Wb. V, 543; Verdam, Mndl. handwb.
754; Holthausen, Afries. Wb.² 32; Richthofen, Afries.
Wb. 769; Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I,
564; Holthausen, Ae. et. Wb. 120; Bosworth-Toller,
AS Dict. 353; Suppl. 276; ME Dict. E-F, 905; OED²
VI, 196; Oxf. Dict. of Engl. Et. 377; Feist, Vgl. Wb. d.
got. Spr. 146 f.; Lehmann, Gothic Et. Dict. F-33.

Diese Abstraktbildungen sind substantivierte
Adjektive (zur Bildung der fem. Subst. von Adj.
vgl. Wilmanns, Dt. Gr. II § 302; zum -īn-Suffix
vgl. Krahe-Meid, Germ. Sprachwiss. III § 93);
zugrunde liegt das germ. Adj. *furχta- furcht-
sam
, das im Ahd. nur in der Zss. gotaforht got-
tesfürchtig
(s. d.) belegt ist; vgl. as. for(a)ht, ae.
forht, got. faurhts.

Holthausen, As. Wb. 22; Sehrt, a. a. O. 146; Holthau-
sen, Ae. et. Wb. 112; Bosworth-Toller, a. a. O. 246;
Suppl. 313; Feist, a. a. O.; Lehmann, a. a. O.

Das Wort hat keine allgemein anerkannte Ety-
mologie. Am wahrscheinlichsten ist die Ver-
knüpfung mit toch. A B pärsk-, A prask-, B
prāsk- fürchten (-sk- < -ksk-?; vgl. F. Holt-
hausen, IF 39 [1921], 65; Windekens, Le tokha-
rien § 106; H. C. Melchert, Zfvgl. Spr. 91
[1977], 105; Adams, Dict. of Toch. B 375 f.),
aber eine idg. Verbalwz. *perk- oder *perg-
Furcht, sich fürchten (Pokorny 820) ist sonst
nirgends bezeugt. Nach E. Seebold (Kluge²⁴
a. a. O.) handelt es sich wohl um eine Erweite-
rung der idg. Wz. *per- das in Wörtern für
Gefahr, riskieren u. ä. auftaucht
, was theore-
tisch möglich wäre, aber es scheint, als ob die
Bed. Gefahr bei dieser Wz. erst sekundär ent-
standen ist; ursprl. bedeutete sie etwa (mit allen
möglichen Mitteln) ein Ziel verfolgen
( fâra).
Der semantische Sprung zu fürchten wäre
dann zu groß.

Dagegen ist nach A. Bammesberger (Morph. d.
urg. Nomens 250) germ. *furχ-ta- eine to-Bil-
dung von der Schwundstufe *- der Wz.
*pre- fragen, bitten, aber er räumt ein, daß
die semantische Entwicklung nicht unmittelbar
klar ist
. Heidermanns, Et. Wb. d. germ. Primär-
adj. 224 schlägt vor: Bedeutungswandel etwa
aufgefordert > erschreckt
. Beide Hypothe-
sen sind unsicher.

Eine dritte Möglichkeit, die wenigstens semanti-
sche Parallelen hat, wäre viell. zu erwägen: Lat.
paveō bebe, zittere vor Furcht wird gewöhnlich
zu paviō schlage gestellt, mit einer ursprl. Bed.
niedergeschlagen sein, attonitum esse (vgl. Wal-
de-Hofmann, Lat. et. Wb. II, 266). Wenn man
für germ. *furχta- eine ähnliche Bed.entwick-
lung annimmt, könnte es eine to-Bildung *pk-
to- zu idg. *perg- schlagen, einer Erweiterung
von *per- dss. ( farawa) sein (vgl. toch. A B
pärsk- < *pk-s-? [*-se/so-Präsens]). Nach
Pokorny 819, Lidén, Arm. Stud. 85 ff., kommt
*perg- in arm. harkanem schlage, zerhaue, er-
schlage, kämpfe
und in der air. Verbalwz. org-
erschlagen, töten (3.sg. orcaid, orggaid usw.),
gall. orge occide, gall. PN Orgeto-rix, abret.
orgiat caesar (= caesor) usw. vor; viell. auch
in lat. pergula Vorbau an einem Haus usw., Di-
min. von *pergā Gebälk = abgeschlagener
Baumstamm
(Walde-Hofmann, a. a. O. II, 288;
vgl. auch Pokorny 819 s. v. 1. perg-). Zwar ha-
ben die Forscher auf dem Gebiet des Heth. seit
A. Cuny, Rev. hitt. 2 (193234), 205 die Exi-
stenz einer Wz. *perg- in Frage gestellt, indem
sie die kelt. und arm. Wörter mit heth. hark-
umkommen, zugrunde gehen, harganu- zu-
grunde richten, zerstören
verbinden und auf
eine idg. Wz. *org- zurückführen (vgl. Tischler,
Heth. et. Gl. I, 175 ff.; Oettinger, Stammbildung
d. heth. Verbums 191) ohne aber die Form des
arm. Wortes erklären zu können (arm. h- setzt
gewöhnlich idg. *p- fort). Die Keltologen und
die meisten anderen Forscher bleiben aber bei
der Herkunft aus *perg-, wenigstens als eine
Möglichkeit neben der aus *org- (vgl. z. B. Ven-
dryes, Lex. ét. de l’irl. anc. O-30 f.; Pokorny,
a. a. O.; Lewis-Pedersen, Conc. Comp. Celt. Gr.
387 [unsicher]; Solta, Stellung d. Arm. 257 f.;
unentschieden ist A. Kammenhuber, Zfvgl. Spr.
77 [1961], 46 Anm. 3). Wenn diese Etymologie
von germ. *furχta- richtig ist, ist sie auch ein
weiteres Argument für *perg-.

Abzulehnen ist Mann, IE Comp. Dict. 924 f.: zu aksl.
prětiti drohen (vgl. Sadnik-Aitzetmüller, Handwb. zu
den aksl. Texten 102. 289 [Nr. 710]; Vasmer, Russ. et.
Wb. II, 430); auch A. Kutzelnigg, Orbis 19 [1970],
492 ff.: zu ahd. far, farro Stier ( far, fâra). Zu älte-
ren, längst aufgegebenen etym. Versuchen vgl. Feist,
a. a. O.; Walde-Pokorny II, 48 f.

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