frîhals¹AWB adj. a-St., nur Gl. 1, 208, 8 (K):
‚frei, liber‘.
Ahd. Wb. III, 1262; Splett, Ahd. Wb. I, 263; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 330; Starck-Wells 178; Schützeichel,
Glossenwortschatz III, 297; Seebold, ChWdW8 135;
Graff IV, 927; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 373 (liber).
Für das im Ahd. nur einmal in K (8. Jh.) belegte
frîhals ist die lat. Quelle das Abba-Glossar mit
der Glosse Munificentia : liberali[liber]tas. Die
fehlerhafte lat. Glossierung erscheint dann ge-
trennt in libertas ‚Freiheit‘ und liber ‚frei‘; der
Glossator gab libertas so mit frihalsi (s. d.), liber
mit frihals: wieder. Es ergibt sich bei dem An-
satz eines ahd. Adj. frîhals jedoch das Problem,
daß der Doppelpunkt hinter frihals in der Aus-
gabe die Rasur eines Buchstabens bezeichnet;
somit ist durchaus möglich, daß zunächst fri-
halsi, ein Possessivkompositum mit adjektivi-
schem -ja-Suffix (Typ ahd. einougi ‚einäugig‘
[s. d.]; vgl. Krahe-Meid, Germ. Sprachwiss. III
§ 40) geschrieben wurde. Durch die Streichung
des -i wurde hieraus ein substantivisches Pos-
sessivkompositum (Typ ahd. falofahs ‚gelbhaa-
rig‘; vgl. Krahe-Meid, Germ. Sprachwiss. III
§ 38 f.). Es ist also nicht sicher, ob es im Ahd.
das Wort frihalsi in adjektivischer Funktion ge-
geben hat.
Steinmeyer-Sievers, Ahd. Gl. I, 208, 6 ff.; Splett, Ab-
rogans-Studien 294 f.; Bergmann, Rückl. morph. Wb.
d. Ahd. 494 f.
In den anderen germ. Sprachen entsprechen die
Possessivkomposita: ae. frēols; aisl., nisl. frjáls,
nnorw., ndän. frels, aschwed. fræls, frals,
nschwed. frälse ‚frei‘: < urgerm. *frija-χalsa-.
Fick III (Germ)⁴ 291 f.; Heidermanns, Et. Wb. d. germ.
Primäradj. 215 f.; Holthausen, Ae. et. Wb. 117; Bos-
worth-Toller, AS Dict. 334; Vries, Anord. et. Wb.²
143; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 568; Fritzner, Ordb. o.
d. g. norske sprog I, 490 f.; Falk-Torp, Norw.-dän. et.
Wb. 272; Torp, Nynorsk et. ordb. 134 f.; Hellquist,
Svensk et. ordb.³ 242. — Carr, Nominal Compounds
65; H. Tiefenbach, Hist. Spr.forschung 103 (1990),
278.
Der ältere Bedeutungsansatz ‚einen nicht durch
Ketten beschwerten Hals habend‘ (etwa Schra-
der, Reallex. d. idg. Alt.² II, 459; O. Schrader,
ZfS 1 [1898], 341) ist weder semantisch noch
sachlich überzeugend. Vielmehr liegt die Bedeu-
tung ‚einen freien Hals habend‘ vor, womit der-
jenige, der Herr über seinen eigenen Hals ist,
bezeichnet wird. Einzelsprachlich begegnet
diese Grundbedeutung noch im Afries. und in
dem Nebeneinander der noch unfesten Verbin-
dung fria hals ‚freier Hals‘ und frihals ‚Freiheit‘.
fria hals wird in ähnlichem Zusammenhang wie
die Verbindung syn fria hals ‚sein freier Hals‘
verwendet, die wiederum neben der Wendung
opa sinne eynene hals ‚auf Gefahr seines eigenen
Halses‘ steht. Die Bedeutungen ‚eigener Hals‘,
‚freier Hals‘ und ‚Freiheit‘ bezeichnen somit
dasselbe. Auch aisl. frjáls scheint auf eine solche
Bedeutung zu weisen. Es entstammt wohl der
häuslichen Sphäre und bezeichnet die Stellung
des Hausmannes im Gegensatz zu der des Skla-
ven, an dem der Herr die Tötung (vor allem
durch Köpfen [= aisl. halshǫggva]) vollziehen
durfte. Es liegt somit ein Ausdruck aus der
Rechtssprache vor.
Die Bildung ist nur germanisch.
Scheller, Ved. priyá- 58 ff.; G. Neckel, PBB 41 (1916),
405 ff.; Amira-Eckhardt, Germ. Recht II, 19 f.; v. See,
Anord. Rechtswörter 142 ff.; Franck, Et. wb. d. ndl.
taal² Suppl. 187 (s. v. vray).