frelenAWB(?), Gl. 2, 591, 46 (bair., 11./12. Jh.).
Die bisher ungedeutete Glosse steht über lat.
adulter (das Lemma ist aus dem Gedicht
P. Laurentii von Prudentius, Z. 465 f.: discede,
adulter Iuppiter, / stupro sororis oblite). Nach
Steinmeyer, Anm. z. Stelle, gehört die Glosse
zu sororis, aber er gibt keine Deutung an; be-
stimmt kann sie nicht als frouwelîn ‚Fräulein,
Mädchen‘ gedeutet werden (s. Starck-Wells
181): erstens wäre eine so stark verkürzte Form
im 11./12. Jh. nicht zu erwarten, und zweitens
wäre frouwelîn keine passende Übersetzung
von soror.
Wenn die Glosse doch zu adulter gehört, ist sie
viell. als ein Adj. auf -īn zu deuten: *frelîn <
*fra-ál(j)-īn ‚ehebrecherisch, buhlerisch‘ (‚un-
gebührlich, buhlend‘), das die Wz. *al(j)- in el-
la, giella ‚Nebenbuhlerin, Kebsweib‘, ello, giel-
lo ‚Nebenbuhler‘ (s. d. d.) enthält. Zum Verlust
von j nach Kons. vor i vgl. Braune, Ahd. Gr.¹⁵
§ 118 Anm. 2; zum Schwund des a von fra- →
fra- und vgl. fravali; zur sporadischen frühmhd.
Schwächung von î zu e in Endsilben s. Kienle,
Hist. Laut- u. Formenlehre des Dt.² § 64 und vgl.
eichen für eichîn Gl. 4, 71, 31 (Clm. 17152,
12. Jh.); nach einer kurzen Wurzelsilbe, wo der
Vokal der Endsilbe durch keinen Nebenton ge-
schützt wird, ist er der Schwächung besonders
ausgesetzt (vgl. A. L. Lloyd, JEGP 60 [1961],
83 f.).
Da das Suffix -īn denominative Adjektive bildet
(vgl. Wilmanns, Dt. Gr. II § 327; Krahe-Meid,
Germ. Sprachwiss. III § 95), ist *frelîn entweder
von einem persönl. Subst. *frello ‚Ehebrecher,
Wüstling‘ oder von einem abstrakten Subst.
*frellan ‚Ehebruch, Buhlerei‘ abgeleitet. Zur Bil-
dung vgl. ahd. fârîn ‚hinterhältig, heimtückisch‘
zu fâra ‚Nachstellung, Hinterhalt, Hinterlist‘,
fârrîn ‚vom Stier‘ zu far, farro ‚Stier‘, russîn
‚vom Pferd‘ zu ross ‚Pferd‘; mhd. mennîn
‚männlich‘ zu man, vrouwîn, wîbîn ‚weiblich‘
zu vrouwe, wîp, usw.
Ahd. Wb. III, 1240; Splett, Ahd. Wb. I, 268 (frouwe-
lîn?); Schützeichel, Glossenwortschatz III, 279 (s. v.
frafali); Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 620 (s. v. soror).