friduAWB m. u-St., seit dem 8. Jh.: ‚Frieden,
Friedfertigkeit, Ruhe, Friedens(ab)schluß,
Schutz, Obhut, Sicherheit, Beistand, Gunst,
Huld, Heil, Glück, Wohlergehen, dext(e)ra,
faida, foedus, pax, tranquillum‘ 〈Var.: v-, -e-,
-dh-, -th-〉. Die kurzsilbigen m. u-St. behielten
im Nom./Akk.Sg. das auslautende -u. Im Pl.
ist in Gl. 1, 694, 51 (bair., 11. Jh.) der Akk. Pl.
frida, in Gl. 1, 700, 54 (bair., 10./11. Jh.) der
Dat.Pl. fridun belegt, die der a-Deklination
angeschlossen sind (der reguläre Dat.Pl. der
u-St., -im, -in, ist aus den i-St. übernommen;
vgl. Braune, Ahd. Gr.¹⁵ § 220c). Die Begriffs-
entwicklung des Wortes fridu (das in seiner
Grundbedeutung einen sozialen Terminus wie-
dergibt, und zwar eine Form des menschlichen
Zusammenlebens) ist nicht eigenständig, son-
dern durch die theologische Interpretation des
lat. Worts pax als moralischer Begriff beein-
flußt (vgl. Geschichtl. Grundbegr. II, 543 ff.). —
Mhd. vride st.sw. m. ‚Friede, Waffenstillstand,
Ruhe, Sicherheit, Schutz‘, nhd. Friede. Zu den
Redewendungen dem Frieden nicht trauen und
Friede, Freude, Eierkuchen vgl. Röhrich,
Sprichw. Redensarten I, 476.
Ahd. Wb. III, 1257 ff.; Splett, Ahd. Wb. I, 264; Köb-
ler, Wb. d. ahd. Spr. 329; Schützeichel⁵ 141; Starck-
Wells 178; Schützeichel, Glossenwortschatz III, 295 f.;
Seebold, ChWdW8 135 f.; Graff III, 788 ff.; Schade
224; Lexer III, 508 f.; Benecke III, 404 f.; Diefenbach
Gl. lat.-germ. 228 f. (federare). 229 (fedus). 418 (pax).
592 (tranquillare); Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 271 (foe-
dus²). 471 (pax). 672 (tranquillum); Dt. Wb. IV, 1, 1,
181 ff.; Kluge²¹ 219; Kluge²⁴ 314; Pfeifer, Et. Wb.²
375 f. — Franck, Afrk. Gr.² § 145.
Das ahd. Wort hat in allen anderen germ. Spra-
chen bis auf das Got. direkte Entsprechungen:
as. friðu, freðo ‚Friede, Schutz, Sicherheit‘,
mndd. vrēde ‚Befriedung, Sicherheit, Waffen-
stillstand, Friedensschluß, Friede, Ruhe‘;
andfrk. fritho ‚Friede‘, mndl. vre(i)de ‚Friede,
Waffenstillstand, Ruhe, Sicherheit, Schutz‘,
nndl. vrede ‚Friede‘; afries. fretho, frede, ferd
‚Friede, Schutz, Besitzrecht, Buße für Friedens-
bruch, Gerichtssprengel‘ (wohl mit Senkung von
i > e vor o; vgl. W. L. van Helten, PBB 34
[1909], 109; ders., Aostfries. Gr. § 10; denkbar
wäre wegen der Bedeutung aber auch Einfluß
aus dem Mlat. [s. u.]), nostfries. fräde, frä(e),
nwestfries. frede, freed ‚Friede, Ruhe, Sicher-
heit‘; ae. frið, frioðu m.n. ‚Friede, Schutz, Ruhe,
Sicherheit, Ordnung‘ (auch f., da die f. Abstrak-
ta auf *-iþō- und analogisch auch die auf *-īn-
im Nom. Sg. auf -u ausgehen; vgl. Sievers-Brun-
ner, Ae. Gr.³ § 255. 271. 280.), me. frith, frethe,
fright ‚Friede, Schutz‘, ne. veralt. frith ‚Friede‘;
aisl. friðr, nisl., fär. friður, ndän., nnorw. fred,
aschwed. friþer, fredher, nschwed. frid, fred
‚Friede, Schutz‘: < urgerm. *friþu- m. ‚Friede,
Schutz‘, eigtl. ‚Zustand des Wohlwollens, der
Liebe, der Schonung‘. Im Ostgerm. und im Lan-
gob. ist das Wort dagegen nicht eigens belegt,
sondern erscheint als Bestandteil von PN (wie
auch im West- und Nordgerm.; zu allen früh-
germ. PN mit diesem Element s. Reichert, Lexi-
kon d. altgerm. Namen II, 509 f.): ostgot. *Fri-
þa-reikeis (nur gen.sg. *Friþareikeis [geschrie-
ben Friþareikeikeis]), Sunjai-friþas, Fridi-ba-
dus, westgot., rug. Fridi-ricus, Frede-ricus, van-
dal. Fred-balus, burgund. Fredemund, langob.
Fridi-chis, Frid-uald. Die Qualität des Fugenvo-
kals ist unsicher: entweder handelt es sich um ei-
nen sekundären i-St. (so Schönfeld, Wb. d.
agerm. PN 93), dessen -i weiter zu -e abge-
schwächt wird (bzw. durch romanische Senkung
von i zu e), oder es erscheint im Got. wie in an-
deren Fällen auch (etwa frabauhta-boka ‚Ver-
kaufsurkunde‘ zum Stamm *-buχti-) nicht re-
gelgerecht der Kompositionsfugenvokal -a- (so
Krause, Handb. d. Got.³ § 67). Möglich ist auch
die Annahme eines spätgot. Übergangs von -u
in -a, während der Fugenvokal -i an das -i- der
Stammsilbe assimiliert ist (G. Schütte, ZfdA. 70
[1933], 123). Demgegenüber ist der Wechsel e :
i in der Stammsilbe den roman. Schreibern zu-
zuweisen.
Unwahrscheinlich ist der Erklärungsversuch von
Grienberger, Unters. z. got. Wortkunde 202, nach dem
in den got. PN kein vorurgerm. -tu-Abstraktum, son-
dern ein -to-Partizip „*pritós ‚geliebt‘“ vorliegt, da es
dafür weder sonst im Germ. noch in anderen idg.
Sprachen eine Stütze gibt. Eine to-Ableitung ist zwar
in aind. prītá- ‚befriedigt, geliebt, lieb‘ belegt, das aisl.
fríðr ‚hübsch, schön‘ entspricht, es handelt sich hierbei
jedoch um eine langvokalische Bildung; s. Brugmann,
Grdr.² 2, 1, 397; Osthoff-Brugmann, Morph. Unters.
IV, 74 f.; Scheller, Ved. priyá- 114.
Urgerm. *fri-þu- ist eine Ableitung mit dem
Suffix -þu- von *fri- (vgl. Kluge, Nom. Stamm-
bildung³ 70; Krahe-Meid, Germ. Sprachwiss. III
§ 124), eine Ablautneubildung zu urgerm. *frī-
< vorurgerm. [**priH₂-] (mit Verallgemeine-
rung der primären Schwundstufe aus einem vor-
urgerm. proterodynamischen tu-St. nom. sg.m.
[**préi̯H₂-tu-] : gen.sg. [**priH₂-téu̯-]) und ist
wohl die Ableitungsbasis für urgerm. *friþōi̯e/a-
‚versöhnen‘ (→ gifridôn; vgl. Lühr, Egill 92).
Was *fri- anstelle von *frī- betrifft, so kann mit
Specht (Voretzsch-Festschrift 34 f.) angenommen
werden, daß urgerm. *frija- ‚frei‘ (→ frî) als
*fri-ja- segmentiert ist und daraus eine Wurzel-
form *fri- abstrahiert wurde. Dagegen hat got.
freidjan ‚schonen‘ wegen seiner abweichenden
Bedeutung die „lange Tiefstufe“ bewahrt.
Aus dem Ahd. stammt das mlat. Wort fredum
‚Friedensgeld‘ (einmal fredus; bis in die Urkun-
den Karls des Großen kommen auch noch
Schreibungen mit -i- vor; auch Schreibungen
mit -t- sind belegt) mit roman. Senkung von i
zu e (→ fridemri). Hiervon ist das Verbum
mlat. exfred(i)are ‚aus dem Frieden bringen‘ ab-
geleitet, das in afrz. esfreer, nfrz. effrayer, prov.
esfredar fortgesetzt ist.
Du Cange² III, 603 f.; Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr.
3943. 3968; Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 3008;
Grimm, Dt. Rechtsalt.⁴ II, 223 f.; W. L. van Helten,
PBB 25 (1900), 507 f.; D. v. Kralik, Neues Archiv 38
(1913), 31 f.; Tiefenbach, Wörter volksspr. Herkunft
56 ff.; Sousa Costa, Stud. z. volksspr. Wörtern 193 ff.
Fick III (Germ.)⁴ 247; Holthausen, As. Wb. 23; Sehrt,
Wb. z. Hel.² 151; Berr, Et. Gl. to Hel. 137; Wadstein,
Kl. as. Spr.denkm. 242; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. I, 1, 986 ff.; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. V,
519 ff.; Helten, Aostndfrk. Psalmenfrg. § 66; Quak,
Wortkonkordanz z. d. amittel- u. andfrk. Ps. 59; Ver-
dam, Mndl. handwb. 748 f.; Franck, Et. wb. d. ndl.
taal² 761; Vries, Ndls. et. wb. 803; Holthausen, Afries.
Wb.² 31; Richthofen, Afries. Wb. 760 ff.; Doornkaat
Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I, 549; Dijkstra, Friesch
Wb. I, 428; Holthausen, Ae. et. Wb. 117; Bosworth-
Toller, AS Dict. 336 ff.; Suppl. 267 ff.; ME Dict. E-F,
908; OED² VI, 203; Vries, Anord. et. Wb.² 142 f.; Jó-
hannesson, Isl. et. Wb. 568; Fritzner, Ordb. o. d. g.
norske sprog I, 489; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awest-
nord. 73; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 271 f.; Ordb.
o. d. danske sprog V, 1194 ff.; Torp, Nynorsk et. ordb.
134; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 235; Svenska akad.
ordb. F-1417 ff.; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 169. 459;
Lehmann, Gothic Et. Dict. F-97. S-162; Meyer, Got.
Spr. 73; Bruckner, Spr. d. Langob. 114 f. 248 f.; Onesti,
Vest. longob. 192. — Schönfeld, a. a. O. 93 f.