gêrvalcAWB mhd. st. m., nur Gl. 3,23,22
(14. Jh.); girfalco m. n-St., nur Schützeichel,
Glossenwortschatz 3, 440 (Karlsruhe, Aug.
XC, ahd.?, mlat.?): ‚(nordischer) Jagdfalke;
herodius‘ (Falco gyrfalco) (mhd. ger-, gir-
valke, nhd. Ge[h]rfalke; mndd. gērvalke;
aisl. geirfalki). S. falk. Der erste Bestandteil
der Zss. ist umstritten. Da der Vogel aus den
skand. Ländern nach Mitteleuropa importiert
wurde, ist der Vogelname wohl aus aisl.
geirfalki entlehnt (vgl. Suolahti [1909] 2000:
334 f.), wo geir- zu geirr ‚Speer‘ und geiri
‚Keil, dreieckiger Streifen‘ gehört (→ gêr,
gêro) und das „blendend weiße Gefieder [des
Vogels] mit dicht bestreuten Schaftstrichen,
die wie Pfeilspitzen aussehen“ beschreibt
(Suolahti [1909] 2000: 335). Aus dem
(Nord-)Germ. stammen auch mlat. gir-, ger-
falco, afrz. girfaut, girfaucon — woraus ne.
(vom lat. Wort beeinflußt) gyr-, gerfalcon —,
nfrz. gerfaut, prov. girfalc, italien. gerfalco,
span. gerifalte.
Abzulehnen sind: Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 306:
die germ. Wörter seien Umbildungen des romani-
schen Wortes (aber woher kommt dieses Wort?);
Diez, Et. wb. d. rom. Spr.⁵ 165 f.: zu lat. gyrare ‚sich
herumdrehen‘; Wartburg, Frz. et. Wb. 16, 43: zu ahd.
gîr ‚Geier‘ (auch OED² 6, 984); Lexer 1, 1022: zu gêr
‚Speer‘: „der falke, der einen friedlich ruhenden ger
od. speer zur sitzstange ... hat“ oder zu gîr, ger ‚Gier‘
(spez. die Begierde des Jagdvogels); → ger. Obgleich
diese letzte Etym. verfehlt ist, entspricht sie wohl der
Volksetymologie, die zu Formen wie nhd. gehrfalke
geführt hat. Volksetym. Verknüpfung mit lat. gyrare
andererseits war wohl für die ne. Form gyrfalcon ver-
antwortlich.
Ahd. Wb. 4, 222; Splett, Ahd. Wb. 1, 300 (s. v. ger);
Schützeichel⁶ 133; Starck-Wells 197; Dt. Wb. 5,
2552; Kluge²¹ 250. — Lasch-Borchling, Mndd. Hand-
wb. 2, 1, 77; Lübben-Walther [1888] 1993: 118; Vries,
Anord. et. Wb.² 161; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 287;
Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 82; ME Dict. G-
H, 81. — Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 3713.