gîselizAWB mhd. st. m., in Gl. 4,215,13 (2
Hss., 12. Jh.): ‚Brei, Mus; glicerium‘ 〈-i-〉
neben liter. mhd. gîselitze st. f., gîsliz st. m.
‚Speise aus Hafer‘, älteres nhd. geislitz f.
‚eine Speise‘ (mit Diphthongierung des
Langvokals). Das Wort ist aus dem Slaw.
entlehnt, aufgrund der unmittelbaren Nach-
barschaft zum deutschsprachigen Raum am
ehesten aus tschech. kyselice ‚Fruchtsuppe‘.
Im Nhd. ist das Wort dialektal fortgesetzt:
schwäb. geislitz f. ‚eine Speise, Brei‘, bair.
geislitz ‚Hafermus‘, geislitze ‚eine geringe
Speise‘, kärnt. geisliz, geislaz ‚Haferbrei‘,
schles. geislutz ‚Haferbrei, Sauersuppe‘, sie-
benbürg.-sächs. geislitz ‚Krautsuppe‘.
Ahd. Wb. 4, 293; Splett, Ahd. Wb. 1, 1217; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 438; Schützeichel⁶ 135; Starck-Wells
219; Schützeichel, Glossenwortschatz 3, 469; Graff 4,
267; Lexer 1, 1023; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 290
(glicerium); Dt. Wb. 7, 2622 f. — Fischer, Schwäb. Wb.
3, 230; Schmeller, Bayer. Wb.² 1, 952; Lexer, Kärnt.
Wb. 112; Schöpf, Tirol. Id. 183; Siebenbürg.-sächs.
Wb. 3, 107. — F. Krauß, ZMF 12 (1936), 142.
Das Wort ist im Slaw. weit verbreitet, und
zwar hauptsächlich dialektal. Es bezeichnet
vorwiegend breiartige, dickflüssige Speisen,
aber auch Getränke, die säuerlich schmek-
ken: Neben tschech. kyselice serbo-kroat.
kȉselica und aslowak. kyselica ‚saure Kartof-
fel- oder Grützsuppe‘, slowen. kíselica ‚Mi-
neralwasser, säuerlicher Wein‘, poln. dial.
kisielica ‚saure Brühe‘, russ. dial. kíselíca
‚Kohlsuppe, Sauerampfer, rote Johannisbee-
ren, Sauerkraut‘, ukrain. dial. kiselicja ‚Sup-
pe aus Roggenmehl‘, bulg. kiselica, maked.
kiselica ‚Sauerampfer, säuerlicher Wein‘.
Aus dem Slaw. wurde das Wort ins Balt. ent-
lehnt: lit. kisiẽlius ‚Haferbrei, säuerlicher
Mehlbrei‘, lett. ķĩselis aus gleichbedeuten-
dem ukrain. kysel’ ‚Brei aus gesäuertem Ha-
fermehl‘ (Brückner 1877: 93 und Anm. 99).
Das gemeinslaw. Subst. *kyselica ist mit
dem Suffix -ica- (< *-iko- mit progressiver
Palatalisierung nach vorderem Vokal i;
Bräuer 1961—69: 1, § 111) von gemeinslaw.
*kysel- ‚sauer‘ abgeleitet.
Berneker, Slav. et. Wb. 1, 678; Trubačev, Et. slov.
slav. jaz. 13, 269 f.; Fraenkel, Lit. et. Wb. 259; Karu-
lis, Latv. et. vārd. 1, 477; Mühlenbach-Endzelin,
Lett.-dt. Wb. 2, 389.