gabissaAWB f. jō-St., O und Gl. seit dem
9. Jh.: ‚Spreu, Spelzen, Abfall des Getreides,
quisquiliae; Auswurf, Abschaum der
Menschheit; purgamentum‘. — gabissahiAWB n.
ja-St., nur in Gl. seit dem 9. Jh.: ‚dss.‘ (zur
Bildung → -ahi) 〈Var.: -uiss-, -bis-, -bess-,
-uuiss-; einmal gi- (12. Jh.)〉. Die Wörter
kommen im Mhd. nicht vor; gabissa (gavis-
sa) ist aber wohl in schwäb. gafze ‚Spreu‘
noch erhalten. Sonst sind die Wörter aufs
Ahd. beschränkt, und sie haben keine sichere
Etymologie.
Schon F. Kluge (ZVSp 26 [1883], 70 f. 83;
Paul 1901 ff.: 1, 387. 391) hat eine sinnrei-
che (aber nicht einwandfreie) Erklärung ver-
sucht: es handele sich um eine alte nominale
Zss. aus dem betonten Präfix *ga- (die Beto-
nung steht wegen der Metrik Otfrids und ga-
statt gi- fest) und *festjō zu ahd. fesa ‚Spreu
usw.‘ (s. d.); da in den nominalen Zss. schon
vorgerm. eine feste kompositionelle Verbin-
dung von Präfix und Nomen bestand (vgl.
Krahe-Meid 1969: 3, § 49), konnte der An-
laut des 2. Komp.gliedes den Wirkungen von
Verners Gesetz verfallen (f > b).
Daß das Präfix in nominalen Zss. betont
werden konnte, steht außer Zweifel (→ fra),
obgleich sichere Beispiele mit ga- selten sind
(vgl. Kluge, a. a. O., wo manches verfehlt
oder unsicher ist); ein anderes Wort für
‚quisquiliae, purgamentum‘, ahd. gasopfa
(→ gisopfa), scheint wie gabissa gebildet zu
sein: < *á-supi̯ō(n) mit betontem ga- (da in
den meisten Hss., wo das Präfix sonst als gi-
erscheint, dieses Wort ga- hat). Es zeigt aber
keine Spur von Verners Gesetz, das auch
sonst in keinem Präfixkompositum zu bele-
gen ist; das einzige Beispiel bietet die ahd.
Zss. mezzirahs < mezzisahs ‚Messer‘ (s. d.
und vgl. Kluge, a. a. O.).
Man könnte annehmen, daß bei gasopfa ein früheres
*azupi̯ō an suf- in suf-muos(i), suffuna (s.dd.) usw.
angelehnt wurde, anstatt zu einer unverständlichen
Form *arupi̯ō zu werden, während bei gabissa der
Wechsel f : b, der auch sonst häufig — auch im selben
Wort — vorkommt, nicht auffallend war (vgl. Braune-
Reiffenstein 2004: § 139 Anm. 5); auch gabissa, ga-
bissahi erscheinen manchmal mit -u- statt -b- unter
dem Einfluß von fesa, (gi-)fesahi (s.dd.).
Obgleich Kluges Erklärung manches Zwei-
felhafte enthält, hat niemand bisher etwas
Besseres vorschlagen können.
Das Wort könnte auch als *gāb- oder *gāf- + -issa-
Suffix gedeutet werden (vgl. z. B. Franck [1909]
1971: § 12 [S. 20]; ā muß lang sein, da ein kurzes a
zu e umgelautet wäre; zum Suffix vgl. Kluge 1926:
§ 85), aber woher kommt *gāb-/*gāf-? Bei Graff 4,
177 steht „cf. alts. caf und angels. ceaf ‚palea‘“ (man
könnte ahd., mhd. kaf [s. d.] hinzufügen), aber aus
lautlichen Gründen können diese Wörter nicht mit
gabissa (oder gavissa) verwandt sein (selbst wenn
man die unerklärte mhd. Variante gaf [mit kurzem a;
Lexer 1, 724. 1494] in Betracht zieht, die vielleicht
anl. g- unter dem Einfluß von gavissa hat; vgl.
schwäb. gafze).
Ahd. Wb. 4, 2; Splett, Ahd. Wb. 1, 278; Köbler, Wb. d.
ahd. Spr. 350; Schützeichel⁶ 125; Starck-Wells 187.
813; Schützeichel, Glossenwortschatz 3, 365. — Fi-
scher, Schwäb. Wb. 3, 15. — Hirt 1931—34: 1, § 61;
Schatz 1927: § 172; E. Glaser, in Bergmann 1987: 1,
64 und Anm. 110.