gart²AWB m. a- oder i-St., seit dem 9. Jh. in
Gl., B, I, M, MH und T: ‚Garten, eingehegtes
Grundstück, umfriedeter Platz, Umhegung,
Kreis; chorus, hortus‘ (die Festlegung auf ei-
nen a- oder i-St. ist für das Ahd. nicht mög-
lich, da keine distinktiven Kasusformen belegt
sind). — gartoAWB m. n-St., seit dem 8. Jh. in Gl.,
B, O und T: ‚Garten, Paradies; cucu-
merarium, hortus‘ 〈Var.: c-〉. — Mhd. gart
st. m. neben garte sw. m. ‚Garten‘, nhd. Gar-
ten m. ‚umzäuntes, kleineres Stück Land zum
Anbau von Nutz- und Zierpflanzen‘. Das nhd.
Wort setzt schwach flektiertes mhd. garte fort;
das auslautende -n, das seit dem 15. Jh. er-
scheint, stammt aus den obliquen Kasus.
Ahd. Wb. 4, 119 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 289 f.; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 358 f.; Schützeichel⁶ 130; Starck-Wells
192; Schützeichel, Glossenwortschatz 3, 403. 407 f.;
Seebold, ChWdW8 141 f.; Graff 4, 248 ff.; Lexer 1,
740; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 102 (chorus). 307 (hor-
tus); Dt. Wb. 4, 1388 ff.; Kluge²¹ 233 f.; Kluge²⁴ s. v.;
Pfeifer, Et. Wb.² 399. — Paul 1989: § 187 und Anm. 3.
Dem stark flektierten Wort ahd. gart² entspre-
chen in den anderen germ. Sprachen: as. gard
m., mndd. gart m. ‚Umfriedung‘; andfrk.
(dat.sg.) -charde (in olecharde ‚in, bei einem
Bienengarten‘), mndl. gaert ‚Umfriedung‘,
nndl. gaard ‚umzäunter Garten‘; ae. geard m.
‚Umfriedung‘, me. orchard ‚umzäunter Gar-
ten‘ (< ae. ort-geard; vgl. got. aurtigards), ne.
yard ‚umfriedeter Platz‘; aisl. garðr m. ‚Zaun,
Hof, Garten‘, nisl., fär. garður, nnorw. gar(d),
nschwed. gård, ndän. gaard; im Langob. ist
das Substantiv vermutlich als Namenelement
-gardus, -cardus (f. -garda) belegt: < urgerm.
*arđa-; neben got. gards m. ‚Haus, Familie,
Hof‘: < urgerm. *arđi-.
Das schwach flektierte Wort ahd. garto hat ei-
ne Entsprechung in as. gardo m., mndd.
gārde, gērde ‚Garten‘; mndl. gaerde ‚Garten‘,
nndl. dial. gaarde; afries. garda m. ‚Garten‘,
nostfries. gārden, gār(e)n; got. garda m.
‚Hürde, Viehhof‘: < urgerm. *arđan-. Inner-
germanisch wurde der urgerm. a-St. mit dem
Suffix *-n- erweitert (zu solchen Erweiterun-
gen vgl. Krahe-Meid 1969: 3, § 91).
Aus dem Germ. wurde das Substantiv in ver-
schiedene Sprachen entlehnt, aus dem Nord-
germ. als me. garth, gerth, ne. dial. garth
‚umzäunter Platz‘, air. garda und kymr. gardd
‚Garten‘. Wohl aus dem germ. n-St. stammen
finn. kartano und livländ. kārand, karn ‚Hof,
Hofplatz‘. Ein afrk. Substantiv *gard ‚Gehe-
ge‘ ist aus entlehntem afrz. jard ‚Gemüsegar-
ten‘ (fortgesetzt in der roman. Ableitung nfrz.
jardin ‚Garten‘, italien. giardino, span. jardin,
port. jardim, prov. jardi, gardi, jerzi) zu er-
schließen. Eine Lehnbildung ist wohl aksl.
vinogradъ ‚Weintraube, Weinrebe‘ (nach got.
weinagards ‚Weingarten‘).
Fick 3 (Germ.)⁴ 129; Holthausen, As. Wb. 24; Sehrt,
Wb. z. Hel.² 166. 379; Berr, Et. Gl. to Hel. 147 f.; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 16. 22; Schiller-Lüb-
ben, Mndd. Wb. 2, 15; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 2,
889 f.; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 171 f.; Vries, Ndls.
et. wb. 179; Et. wb. Ndl. F-Ka 149; Holthausen, Afries.
Wb.² 34; Richthofen, Afries. Wb. 773; Doornkaat
Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. 1, 590 f.; Holthausen, Ae.
et. Wb. 125. 242; Bosworth-Toller, AS Dict. 367. 767;
Suppl. 288. 677; Suppl. 2, 30; ME Dict. s. v.; OED
s.vv.; Vries, Anord. et. Wb.² 156; Jóhannesson, Isl. et.
Wb. 363 f.; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 80;
Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 292 f. 317. 320. 1466;
Nielsen, Dansk et. ordb. 170; Ordb. o. d. danske sprog
6, 555 ff.; Torp, Nynorsk et. ordb. 147; Hellquist, Svensk
et. ordb.³ 317; Svenska akad. ordb. s. v.; Feist, Vgl. Wb.
d. got. Spr. 197 f.; Lehmann, Gothic Et. Dict. G-55;
Bruckner, Spr. d. Langob. 253 f. — Diez, Et. Wb. d. rom.
Spr.⁵ 164; Wartburg, Frz. et. Wb. 16, 18 ff.; Körting,
Lat.-rom. Wb.³ Nr. 4168. — Gamillscheg 1969: 544;
Vasmer, Russ. et. Wb. 1, 202; Mackel 1887: 70; Björk-
man [1900—02] 1973: 152. — Casaretto 2004: 179 f.
221 f.
Von den beiden vorgeschlagenen Etymolo-
gien für urgerm. *arđa/i- ist die erstere die
wahrscheinlichere, da sie den neben dem a-St.
vorkommenden i-St. zu erklären vermag:
1. Urgerm. *arđa/i- geht auf uridg. *ghor-tó-
/-tí- zurück. Auf uridg. *ghor-tó- weisen auch
gr. χόρτος ‚eingefriedeter Raum, Hof, Gehege,
Weideplatz, Weide, Futter, Gras, Heu‘, lat.
hortus ‚Garten‘, osk. húrz (akk.sg. húrtúm)
‚Hain‘, air. gort ‚Saatfeld‘ (vgl. lubgort ‚Kräu-
tergarten‘), kymr. *garth ‚eingezäuntes Ge-
biet‘ (verbaut in akymr. luird ‚Kräutergarten‘;
vgl. ir. lubgort), bret. garz. Eine von der
Schwundstufe gebildete uridg. *-ti-Ableitung
findet sich in lat. cohors ‚eingezäunter Hof-
raum, Viehhof, (übertr.) Kohorte, Gefolge,
Schar, Leibwache‘ (< uridg. *-ghtí-). Uridg.
*ghórti- könnte dann aus einem o/e-akro-
statischen Paradigma uridg. *ghór-ti-s, Gen.
*ghér-ti-s hervorgegangen sein, wobei in den
schwachen Kasus analogisch die schwundstu-
fige Wurzelform eingeführt wäre. Denkbar er-
schiene auch ein ursprüngliches proterodyna-
misches Paradigma *ghér-ti-s, Gen. *gh-téi̯-s
mit einer nach dem o-St. *ghorto- analogi-
schen Umbildung zum Nom. *ghórtis. Der
Ansatz einer Verbalwurzel uridg. *gher- ist je-
doch problematisch, da sich keine von ihr ab-
geleiteten Verben finden lassen.
2. Urgerm. *arđa- stammt von uridg. *ghor-
dho- her. Von dieser Vorform sind auch aksl.
gradъ ‚Burg, Stadt, Garten‘, nruss. górod
‚Stadt‘, ukrain. hórod, bulg. grad, serbo-
kroat., slowen. grâd, tschech. hrad, poln.
gród, osorb. hród, ndsorb. grod (die trotz H.
Hirt, PBB 23 [1898], 333 nicht als Lehnwörter
aus dem Germ. aufzufassen sind), lit. gadas
‚Pferch‘, žem. gardìs ‚Wagenleiter‘, phryg.
-gordum ‚Stadt‘ (in ON wie Manegordum)
und alb. gardh ‚Zaun, Gehege, Hecke‘ her-
leitbar. Als schwundstufige Bildung stellt sich
ai. ghá- m. ‚Haus‘, jav. gǝrǝδa- m. ‚Höhle
daēvischer Wesen‘ (< *ghdhó-) hierzu (aus
dem Indoir. entlehnt in wotjak. gurt ‚Wohn-
platz, Dorf‘, perm. gort ‚Haus, Wohnung‘;
vgl. H. Jacobsohn, ZVSp 54 [1926—1927],
197). Bei dieser Etymologie ist die Verbal-
wurzel als uridg. *gherdh- ‚umschließen, um-
gürten‘ anzusetzen; eine solche läßt sich aber
kaum in einem Primärverbum belegen, aisl.
gyrða ‚gürten‘ könnte auch denominal sein.
Wie bemerkt, fehlt bei diesem Anschluß zu-
dem eine Motivation für die Bildung als germ.
i-St.
Trotz mannigfacher Versuche (vgl. E. Benve-
niste, BSL 33 [1932], 139; O. Szemerényi,
ZVSp 73 [1955—1956], 72) ist heth. gurta-
‚Burg, Akropolis‘ (vgl. Tischler, Heth. et. Gl.
1, 658 ff.) aus lautlichen Gründen nicht direkt
mit germ. *arđa/i- zu verbinden. Vielleicht
ist das heth. Wort aus einer nicht näher zu
identifizierenden Sprache entlehnt worden, da
das idg. Wort im östlichen Mittelmeerraum
durchaus verbreitet war, wie aus dem myk.
ON ko-tu-we, ko-tu-wo und einer Reihe ägä-
ischer und kleinasiatischer ON (Γόρτυν, Γυρ-
τών, Γόρδιον) hervorgeht (vgl. zur Entleh-
nungsmöglichkeit P. Kretschmer, Glotta 31
[1951], 11; ders., WZKSA 52 [1953—55], 249;
Heubeck 1961: 588 ff).
Aus lautlichen Gründen nicht hiermit zu verbinden ist
(trotz Lidén 1916: 21) toch. B kercye ‚königlicher Pa-
last‘ (vgl. Windekens, Lex. ét. tokh. 37; Pedersen 1944:
34 f.).
Eine semantisch nahestehende Wortgruppe, jedoch mit
anlautendem Palatal, begegnet in: lit. žárdas ‚Holzwerk,
wo man die Erbsen zum Trocknen aufhängt‘, lett. zãrds
‚Holzgestell‘, lit. žadis ‚Roßgarten, großer umzäunter
Weideplatz‘, apreuß. sardis ‚umzäunter Roßgarten‘,
russ. zoród ‚eingehegter Platz zu einem Heuschober‘
(vgl. J. Zubatý, ASlPh 16 [1894], 420 f.).
Fick 1 (Idg.)⁴ 436; Walde-Pokorny 1, 603 f. 608 f.; Po-
korny 442 f. 444; LIV² 176; Mayrhofer, K. et. Wb. d.
Aind. 1, 344; ders., Et. Wb. d. Altindoar. 2, 803 f.; Bar-
tholomae, Airan. Wb.² 522; Frisk, Gr. et. Wb. 2, 1113 f.;
Chantraine, Dict. ét. gr. 1270 f.; Untermann, Wb. d.
Osk.-Umbr. 334 f.; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. 1,
242 f. 660. 857; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 300; Thes.
ling. lat. 6, 3015 ff.; Du Cange² 4, 235 f.; Demiraj, Alb.
Et. 175; Orel, Alb. et. dict. 110; Trautmann, Balt.-Slav.
Wb. 78 f. 266; Berneker, Slav. et. Wb. 1, 330 f.; Sadnik-
Aitzetmüller, Handwb. zu den aksl. Texten 31; Vasmer,
Russ. et. Wb. 1, 297, 461; 2, 259; Fraenkel, Lit. et. Wb.
135 f. 1290 f.; Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. 4,
699 f.; Trautmann, Apreuß. Spr.denkm. 419; Fick 2
(Kelt.)⁴ 115; Dict. of Irish G-159. 230; Dict. of Welsh 2,
1381; Friedrich, Heth. Wb. 119. — Leskien 1894: 167;
Zupitza 1896: 201; J. Charpenter, ZVSp 40 (1905—06),
468 ff.; Pedersen [1909—13] 1976: 1, 136; A. Brückner,
ZVSp 46 (1914), 233 f.; Stender-Petersen 1927: 255 ff.;
Wackernagel 1930—57: 1, 250; A. Senn, ZVSp 71
(1953—54), 188; Lühr 2000: 280; Matzinger 2006: 70.