gastluomi
Band IV, Spalte 101
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gastluomi adj. ja-St., nur in Gl. seit
dem 10. Jh.: gastfreundlich, gastlich; hospi-
talis
Var.: k-; -u-, -o-. gastluomî f. īn-
St., nur in B: Gastfreundschaft; hospitalitas
Var.: k-, c-; -ua-. gastluomen sw. v. I,
nur Gl. 1,585,35 (8./9. Jh.) und B: beher-
bergen, als Gast aufnehmen; hospitari

Var.: c-; -ua-. Diese Zusammensetzungen
aus gast (s. d.) und dem Suffix -luomi- (s. u.)
kommen weder im Mhd. noch im Nhd. vor
und fehlen in allen anderen germ. Sprachen.

Ahd. -luomi begegnet sonst in den folgenden
Zss. und im Adv. giluomo oft, häufig; fre-
quenter
: skato-luomi schattig; opacus, um-
brosus
, skaz-luomi vorteilhaft; commodus,
stata-luomi bereichert; locupletatus, suht-
luomi
verpestet, ansteckend; corruptus, pe-
stilens
, sumar-luomi sommerlich; apricus,
calidus
, unmanna-luomi unmenschlich,
schrecklich; immanis
, unmanna-luomî Un-
menschlichkeit; immanitas
, wazzar-luomi
wogend, wässerig; elutus, undosus; auch
gimanag-luomen sw. v. I vermehren, ver-
vielfältigen; multiplicare
(s.dd.). Dazu kom-
men die Formen mit wechselndem Stamm-
vokal: ang-lâmi ängstlich; anxius, mana-
lâmi
geduldig, mild; patiens (s.dd.), auch
kilamo (Pa) neben kilomo (K); giluomo.

Es ist unklar, ob es sich hier um ablautende Formen
(vgl. Splett, Ahd. Wb. 1, 510) oder bloß um Schreib-
fehler handelt; bei kilamo könnte ā für ō oder für ao
stehen (vgl. Kögel 1879: 10; Splett 1976: 267); in den
späteren Zss. (11. und 13. Jh.) habe den Schreibern
das schon im Absterben begriffene Suffix vielleicht
Schwierigkeiten bereitet.

Nur das Adv. giluomo hat Entsprechungen in
anderen germ. Sprachen: mndl. gelome,
-loeme, -loume oft, ständig; ae. gelōme
(auch gelōmlīc[e]) dss., me. ilome dss..
Ein Simplex tritt erst im Mhd. auf: lüeme
adj. matt, sanft, milde, lüeme st. f. Mattig-
keit
(dazu lüemen sw. v. erschlaffen, ermat-
ten
); nhd. mdartl. (schweiz.) luem, lūm,
lumm weich, schwach, milde, zahm, luen
sw. v. lahm sein, nachlassen, (bair.) luemig,
-icht kraftlos, schlapp, (schwäb.) lum(m)
weich, kraftlos, matt, (rhein.) lumm lose,
locker, schlaff hängend
. Verwandt sind
nostfries. lōm gelähmt, steif, hinkend, matt
usw.
, lōmen gelähmt sein, steif sein, hin-
ken
; nndl. loom matt, langsam; nschwed.
lōma, lomma steif oder schwerfällig gehen.

Ahd. Wb. 4, 128; Splett, Ahd. Wb. 1, 510 f.; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 359. 414. 416. 954. 1022. 1047.
1048. 1050. 1160. 1225; Schützeichel⁶ 130; Starck-
Wells 193. 212. 398. 534. 587. 605. 607. 608. 669.
701; Schützeichel, Glossenwortschatz 3, 409 f.; Graff
2, 212; Raven 196367: 1, 123; Lexer 1, 1977; Dt.
Wb. 12, 1289 (lumm); Kluge²⁴ s. v. Lümmel.
Schweiz. Id. 3, 1269. 1270 f.; Schmeller, Bayer. Wb.²
1, 1473; Fischer, Schwäb. Wb. 4, 1333; Müller, Rhein.
Wb. 5, 600 f. Fick 3 (Germ.)⁴ 363; Heidermanns, Et.
Wb. d. germ. Primäradj. 385 f.; Verwijs-Verdam,
Mndl. wb. 2, 1273; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 389;
Suppl. 103; Vries, Ndls. et. wb. 411; Holthausen, Ae.
et. Wb. 206; Bosworth-Toller, AS Dict. 411; Suppl.
362 f.; ME Dict. s. v.; OED² s. v. ylome; Hellquist,
Svensk et. ordb.³ 588; Svenska akad. ordb. s. v. Ler-
chner 1965: 21. 186.

Die Simplizia stehen offenbar im Ablaut zu
ahd. lam lahm (s. d. und vgl. Walde-
Pokorny 2, 433 f.; Pokorny 674); auch das
Adv. giluomo und das Suffix -luomi- werden
allgemein zur selben Sippe gestellt, aber eine
befriedigende Erklärung für die stark diver-
gierenden Bedeutungen bleibt noch aus. E.
Rooths Erklärungsversuch (1971: 2636),
der vom Simplex ausgeht und eine verwik-
kelte Bed.entwicklung weich, matt >
nachgiebig, mild, freundlich > reich spen-
dend, freigebig
> reichlich versehen mit
etwas
> reichlich > (adv.) häufig, ständig
voraussetzt (wobei das Suffix in jeder Zss.
anders gedeutet werden muß), überzeugt
nicht, besonders weil das Adv. schon im
8. Jh. belegt ist und im Ae. vorkommt, wäh-
rend das Simplex erst sehr spät auftritt (vgl.
auch Heidermanns, a. a. O.).

Es wäre wohl angebracht, mit dem Adverb
giluomo anzufangen. Aus einer Grundbed.
gelähmt, bewegungsunfähig hätte bewe-
gungslos, verharrend
und mit gi-Präfix
ständig (vgl. lat. con-stans), oft, häufig
(zur Bed. vgl. ahd. emizzîg continuus, per-
petuus, frequens) entstehen können. In Zss.
bedeutete das aufs Ahd. beschränkte Element
-luomi- ursprünglich wohl beständig, un-
wandelbar in Bezug auf
(ähnlich Kluge
1926: § 246: häufig von etwas besucht, viel-
fach mit etwas versehen
), ist aber allmäh-
lich zu einem reinen, mit -haft und -lîh
(s.dd.) konkurrierenden Suffix geworden
(vgl. skatohaft, -lîh neben skatoluomi, gastlîh
neben gastluomi usw.) und schon während
der ahd. Periode ausgestorben.

Die mhd. und mdartl. Simplizia können ent-
weder mdartl. Überbleibsel des ursprüngli-
chen Adjektivs oder aus einer Kreuzung mit
anderen Sippen wie germ. *laum- in aisl.
leyma Schwächling entstanden sein. Eine
ähnliche Kreuzung liegt viell. in nndl. loom
(s. o.) vor; vgl. Franck, a. a. O.; Heider-
manns, a. a. O.

Nach Heinertz 1926: 3 ff. sind -luomi und giluomo
von lam zu trennen und zu got. unleþs arm, aisl. ð
Bodenbesitz, gr. λάτρον n. Lohn, Sold zu stellen,
mit einer Grundbed. reichlich (dazu auch nschwed.
lummig dicht belaubt; s. aber Hellquist, a. a. O. 594);
eine unbeweisbare Wurzeletymologie.

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