gastluomiAWB adj. ja-St., nur in Gl. seit
dem 10. Jh.: ‚gastfreundlich, gastlich; hospi-
talis‘ 〈Var.: k-; -u-, -o-〉. — gastluomîAWB f. īn-
St., nur in B: ‚Gastfreundschaft; hospitalitas‘
〈Var.: k-, c-; -ua-〉. — gastluomenAWB sw. v. I,
nur Gl. 1,585,35 (8./9. Jh.) und B: ‚beher-
bergen, als Gast aufnehmen; hospitari‘
〈Var.: c-; -ua-〉. Diese Zusammensetzungen
aus gast (s. d.) und dem Suffix -luomi- (s. u.)
kommen weder im Mhd. noch im Nhd. vor
und fehlen in allen anderen germ. Sprachen.
Ahd. -luomi begegnet sonst in den folgenden
Zss. und im Adv. giluomo ‚oft, häufig; fre-
quenter‘: skato-luomi ‚schattig; opacus, um-
brosus‘, skaz-luomi ‚vorteilhaft; commodus‘,
stata-luomi ‚bereichert; locupletatus‘, suht-
luomi ‚verpestet, ansteckend; corruptus, pe-
stilens‘, sumar-luomi ‚sommerlich; apricus,
calidus‘, unmanna-luomi ‚unmenschlich,
schrecklich; immanis‘, unmanna-luomî ‚Un-
menschlichkeit; immanitas‘, wazzar-luomi
‚wogend, wässerig; elutus, undosus‘; auch
gimanag-luomen sw. v. I ‚vermehren, ver-
vielfältigen; multiplicare‘ (s.dd.). Dazu kom-
men die Formen mit wechselndem Stamm-
vokal: ang-lâmi ‚ängstlich; anxius‘, mana-
lâmi ‚geduldig, mild; patiens‘ (s.dd.), auch
kilamo (Pa) neben kilomo (K); → giluomo.
Es ist unklar, ob es sich hier um ablautende Formen
(vgl. Splett, Ahd. Wb. 1, 510) oder bloß um Schreib-
fehler handelt; bei kilamo könnte ā für ō oder ă für ao
stehen (vgl. Kögel 1879: 10; Splett 1976: 267); in den
späteren Zss. (11. und 13. Jh.) habe den Schreibern
das schon im Absterben begriffene Suffix vielleicht
Schwierigkeiten bereitet.
Nur das Adv. giluomo hat Entsprechungen in
anderen germ. Sprachen: mndl. gelome,
-loeme, -loume ‚oft, ständig‘; ae. gelōme
(auch gelōmlīc[e]) ‚dss.‘, me. ilome ‚dss.‘.
Ein Simplex tritt erst im Mhd. auf: lüeme
adj. ‚matt, sanft, milde‘, lüeme st. f. ‚Mattig-
keit‘ (dazu lüemen sw. v. ‚erschlaffen, ermat-
ten‘); nhd. mdartl. (schweiz.) luem, lūm,
lumm ‚weich, schwach, milde, zahm‘, luen
sw. v. ‚lahm sein, nachlassen‘, (bair.) luemig,
-icht ‚kraftlos, schlapp‘, (schwäb.) lum(m)
‚weich, kraftlos, matt‘, (rhein.) lumm ‚lose,
locker, schlaff hängend‘. Verwandt sind
nostfries. lōm ‚gelähmt, steif, hinkend, matt
usw.‘, lōmen ‚gelähmt sein, steif sein, hin-
ken‘; nndl. loom ‚matt, langsam‘; nschwed.
lōma, lomma ‚steif oder schwerfällig gehen‘.
Ahd. Wb. 4, 128; Splett, Ahd. Wb. 1, 510 f.; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 359. 414. 416. 954. 1022. 1047.
1048. 1050. 1160. 1225; Schützeichel⁶ 130; Starck-
Wells 193. 212. 398. 534. 587. 605. 607. 608. 669.
701; Schützeichel, Glossenwortschatz 3, 409 f.; Graff
2, 212; Raven 1963—67: 1, 123; Lexer 1, 1977; Dt.
Wb. 12, 1289 (lumm); Kluge²⁴ s. v. Lümmel. —
Schweiz. Id. 3, 1269. 1270 f.; Schmeller, Bayer. Wb.²
1, 1473; Fischer, Schwäb. Wb. 4, 1333; Müller, Rhein.
Wb. 5, 600 f. — Fick 3 (Germ.)⁴ 363; Heidermanns, Et.
Wb. d. germ. Primäradj. 385 f.; Verwijs-Verdam,
Mndl. wb. 2, 1273; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 389;
Suppl. 103; Vries, Ndls. et. wb. 411; Holthausen, Ae.
et. Wb. 206; Bosworth-Toller, AS Dict. 411; Suppl.
362 f.; ME Dict. s. v.; OED² s. v. †ylome; Hellquist,
Svensk et. ordb.³ 588; Svenska akad. ordb. s. v. — Ler-
chner 1965: 21. 186.
Die Simplizia stehen offenbar im Ablaut zu
ahd. lam ‚lahm‘ (s. d. und vgl. Walde-
Pokorny 2, 433 f.; Pokorny 674); auch das
Adv. giluomo und das Suffix -luomi- werden
allgemein zur selben Sippe gestellt, aber eine
befriedigende Erklärung für die stark diver-
gierenden Bedeutungen bleibt noch aus. E.
Rooths Erklärungsversuch (1971: 26—36),
der vom Simplex ausgeht und eine verwik-
kelte Bed.entwicklung ‚weich, matt‘ >
‚nachgiebig, mild, freundlich‘ > ‚reich spen-
dend, freigebig‘ > ‚reichlich versehen mit
etwas‘ > ‚reichlich‘ > (adv.) ‚häufig, ständig‘
voraussetzt (wobei das Suffix in jeder Zss.
anders gedeutet werden muß), überzeugt
nicht, besonders weil das Adv. schon im
8. Jh. belegt ist und im Ae. vorkommt, wäh-
rend das Simplex erst sehr spät auftritt (vgl.
auch Heidermanns, a. a. O.).
Es wäre wohl angebracht, mit dem Adverb
giluomo anzufangen. Aus einer Grundbed.
‚gelähmt, bewegungsunfähig‘ hätte ‚bewe-
gungslos, verharrend‘ und mit gi-Präfix
‚ständig‘ (vgl. lat. con-stans), ‚oft, häufig‘
(zur Bed. vgl. ahd. emizzîg ‚continuus, per-
petuus, frequens‘) entstehen können. In Zss.
bedeutete das aufs Ahd. beschränkte Element
-luomi- ursprünglich wohl ‚beständig, un-
wandelbar in Bezug auf‘ (ähnlich Kluge
1926: § 246: ‚häufig von etwas besucht, viel-
fach mit etwas versehen‘), ist aber allmäh-
lich zu einem reinen, mit -haft und -lîh
(s.dd.) konkurrierenden Suffix geworden
(vgl. skatohaft, -lîh neben skatoluomi, gastlîh
neben gastluomi usw.) und schon während
der ahd. Periode ausgestorben.
Die mhd. und mdartl. Simplizia können ent-
weder mdartl. Überbleibsel des ursprüngli-
chen Adjektivs oder aus einer Kreuzung mit
anderen Sippen wie germ. *laum- in aisl.
leyma ‚Schwächling‘ entstanden sein. Eine
ähnliche Kreuzung liegt viell. in nndl. loom
(s. o.) vor; vgl. Franck, a. a. O.; Heider-
manns, a. a. O.
Nach Heinertz 1926: 3 ff. sind -luomi und giluomo
von lam zu trennen und zu got. unleþs ‚arm‘, aisl. láð
‚Bodenbesitz‘, gr. λάτρον n. ‚Lohn, Sold‘ zu stellen,
mit einer Grundbed. ‚reichlich‘ (dazu auch nschwed.
lummig ‚dicht belaubt‘; s. aber Hellquist, a. a. O. 594);
eine unbeweisbare Wurzeletymologie.