geilAWB adj., seit dem Ende des 8. Jh.s in
Gl., B, GB und bei N: ‚hochmütig, überheb-
lich, leichtfertig, frech, trotzig, ungestüm, un-
bändig, (substantiviert) der Gierige, Lüsterne
(im Sexualbereich); elatus, ferox, petulans, pe-
tulcus, superbus‘ 〈Var.: k-; -ai-〉. Ahd. geil ist
auch in dem PN Geila belegt (N. Wagner,
BNF 28 [1993], 258 f.). — Mhd. geil ‚von wil-
der Kraft, mutwillig, üppig, lustig, fröhlich‘,
nhd. geil ‚sexuell lüstern, üppig, aber kraftlos
wachsend [von Pflanzentrieben]‘. In der Ju-
gendsprache wird geil als Ausdruck der Aner-
kennung verwendet.
Ahd. Wb. 4, 178; Splett, Ahd. Wb. 1, 294; Köbler, Wb. d.
ahd. Spr. 361; Schützeichel⁶ 131; Starck-Wells 195.
814; Schützeichel, Glossenwortschatz 3, 420; Graff 4,
182; Lexer 1, 795; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 221 (ela-
tus). 260 (ferox). 489 (petulans, petulcus). 643 (super-
bus); Dt. Wb. 5, 2581 ff.; Kluge²¹ 242; Kluge²⁴ s. v.;
Pfeifer, Et. Wb.² 414.
Das ahd. Adjektiv hat folgende Entspre-
chungen: as. gēl ‚fröhlich, übermutig‘,
mndd. geil ‚kräftig, munter, übermütig, üp-
pig‘; mndl. geil ‚fröhlich, lustig, lüstern,
fruchtbar‘, nndl. geil ‚fröhlich, lüstern‘; ae.
gāl ‚lustig, lüstern, unzüchtig, stolz‘, me.
gōl, ne. gole ‚lustig, lüstern‘; aschwed. gæl-
(in gælmaþer ‚Beischläfer‘); got. *gails
‚fröhlich, froh‘ ist aus dem daraus abgeleite-
ten Verb gailjan ‚fröhlich machen‘ (→ gei-
lên) zu erschließen (vgl. Schubert 1968: 65):
< urgerm. *ai̯la-. Dagegen ist ndän. geil aus
dem Nhd. entlehnt.
Als ablautende Formen sind hierzu weiterhin
zu stellen: mndl., nndl. gijl ‚gärendes Bier‘,
entlehnt in ne. gyle, nfrz. guiller (< *ei̯la-),
aisl. gil- (in gilker ‚Gärbottich‘), ndän. gil-
(in gil[d]kar ‚Biergefäß‘), nnorw. gil ‚gären-
des Bier‘ (<*ila-), nschwed. (nur im abge-
leiteten Verb) gilja ‚gären‘.
Von Vries, Anord. et. Wb.² 153 wurde vorgeschlagen,
aisl. gáli (ein Beiname), nisl. gáli ‚übermütige Person,
Possenreiter‘, nnorw. gaale ‚Tor, Einfaltspinsel‘ eben-
falls hinzuzustellen, was jedoch durch die irreguläre
Lautentwicklung urgerm. *ai̯ > aisl. á vor l ausge-
schlossen wird, zumal eine Verbindung mit aisl. gá
‚Spott‘ vorzuziehen ist.
Fick 3 (Germ.)⁴ 120; Heidermanns, Et. Wb. d. germ.
Primäradj. 226; Holthausen, As. Wb. 25; Sehrt, Wb. z.
Hel.² 174; Berr, Et. Gl. to Hel. 152; Lasch-Borchling,
Mndd. Handwb. 2, 1, 46; Schiller-Lübben, Mndd. Wb.
2, 35; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 2, 1158. 1965;
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 181; Vries, Ndls. et. wb.
189. 207; Et. wb. Ndl. F-Ka 206; Holthausen, Ae. et.
Wb. 123; Bosworth-Toller, AS Dict. 359; Suppl. 280;
Suppl. 2, 29; ME Dict. s. v.; OED² s. v.; Vries, Anord.
et. Wb.² 166; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 387; Fritzner,
Ordb. o. d. g. norske sprog 1, 594; Holthausen, Vgl. Wb.
d. Awestnord. 79; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 306.
310; Nielsen, Dansk et. ordb. 153 f.; Ordb. o. d.
danske sprog 6, 958; Torp, Nynorsk et. ordb. 153; Hell-
quist, Svensk et. ordb.³ 280 f.; Svenska akad. ordb. s. v.;
Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 185; Lehmann, Gothic Et.
Dict. G-24.
Urgerm. *ai̯la- hat nur im Balt. direkte Ent-
sprechungen: alit. gaĩlas ‚heftig‘, lit. (mit se-
kundärer u-Flexion) gailùs ‚jähzornig, wü-
tend, rachsüchtig, giftig, bissig [von Tieren],
scharf, beißend [von Essig], bitter [von Trä-
nen], mitleidig‘, lett. gails ‚wollüstig‘, wozu
als Adverbien aksl. (d)zělo, atschech. zielo,
aruss. zělъ, nruss. zěló ‚sehr‘ gehören. Diese
Formen führen auf ein uridg. Adj. *ghoi̯-lo-
‚heftig erregt‘, ein Verbaladj. mit dem Suffix
uridg. *-lo- von einer nur nominal belegten
Verbalwz. uridg. *ghei̯- ‚verlangen, begeh-
ren‘ (zur Vokalstufe bei Verbaladj. mit Suf-
fix *-lo- vgl. ahd. heil ‚ganz, gesund‘ [s. d.]
< urgerm. *χai̯la-).
Walde-Pokorny 1, 550. 634; Pokorny 452; Trautmann,
Balt.-Slav. Wb. 75; Sadnik-Aitzetmüller, Handwb. zu
den aksl. Texten 166; Vasmer, Russ. et. Wb. 1, 452;
Fraenkel, Lit. et. Wb. 128 f.; Mühlenbach-Endzelin,
Lett.-dt. Wb. 1, 584. — G. R. Solta, IF 75 (1970), 72.