geizAWB f. i-St., seit dem 8. Jh. in Gl., WH,
Npg: ‚Ziege, Hausziege, wilde Ziege; capella,
caper, capra, capra domestica, capreolus,
haedus‘ 〈Var.: c-, k-; -ai-〉. Wie die Glossie-
rungen zeigen, wird geiz unterschiedslos auf
weibliche und männliche Tiere bezogen. Es
handelt sich bei ahd. geiz somit um ein generi-
sches Wort. — Mhd. geiz st. f. ‚Ziege‘, nhd.
Geiß f. ‚Ziege‘. Das nhd. Wort gilt allgemein
im obd. und westmd. Sprachgebiet; in den üb-
rigen Dialekten ist es von Ziege (→ ziga) ver-
drängt.
Ahd. Wb. 4, 194 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 295; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 362; Schützeichel⁶ 131; Starck-Wells
195. 815; Schützeichel, Glossenwortschatz 3, 423 f.;
Seebold, ChWdW8 143; Graff 4, 286 f.; Lexer 1, 800;
Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 87 (capella, caper). 88 (ca-
pra, capra domestica, capreolus). 299 (haedus); Dt.
Wb. 5, 2796 ff.; Kluge²¹ 242; Kluge²⁴ s. v.; Pfeifer, Et.
Wb.² 414. — Palander 1899: 115 ff.
In den anderen germ. Sprachen weisen keine
der belegten Formen eindeutig auf einen f. i-
St. (der Ansatz in Fick 3 [Germ.]⁴ 120 gaiti
ist somit zu korrigieren): as. gēt (nur nom./
akk.sg. [Straßburg, Vergilgl.: capra gēt dici-
tur ‚capra wird gēt genannt‘]; Genus und
Deklinationsklasse sind nicht sicher be-
stimmbar), mndd. geite, gēte f. ‚Geiß, Zie-
ge‘; mndl. geet(e), geit f., nndl. geit ‚Geiß,
Ziege‘; nfries. geit ‚Geiß, Ziege‘; ae. gāt f.
(dat.sg. gǣt, nom./akk.pl. gǣt nach den Kon-
sonantenstämmen; dagegen gen.sg. gāte
nach den f. ō-St.; nicht aussagekräftig nom./
akk.sg., gen./dat.pl. gāt, gāta, gātum; vgl.
Griepentrog 1995: 203), me. gōt, ne. goat
‚Geiß, Ziege‘; aisl. geit f. (die Flexion als
Konsonantenstamm zeigt sich im Nom./
Akk.Pl. geitr; der später bezeugte Gen.Sg.
geitar ist nach den f. ō-St. umgebaut; vgl.
Griepentrog 1995: 202), nisl., fär. geit (pl.
geitur), nnorw. geit, adän. gēt, ndän. ged,
aschwed. gēt (nom.pl. gēter), nschwed. get
‚Geiß, Ziege‘; got. gaits (nur nom.sg. [Neh.
5,18: jah was fraquman dagis ƕizuh stiur .a.
lamba gawaldia .q. jah gaits (.)a(.) gaman-
wida mis ‚jeden Tag wurde ein Rind zube-
reitet, sechs ausgewählte Schafe und eine
Ziege wurden mir zubereitet‘]; Genus [got.
gaits übersetzt gr. χίμαρος ‚junger Ziegen-
bock‘] sowie Deklinationsklasse sind nicht
sicher bestimmbar) ‚Ziege(nbock)‘: < ur-
germ. *ai̯t- f. Aus dem Nom.Sg. des Kon-
sonantenstamms germ. oder nordgerm.
*ai̯ts ist das Wort ins Lapp. als norw./
schwed.-lapp. gajc, gajcca (mit der lapp.
Femininendung -a; vgl. Thomsen 1870:
105 f.), enare-lapp. kaic übernommen (aus
dem Lapp. stammt finn. kaitsa ‚Ziege‘).
Fick 3 (Germ.)⁴ 120; Holthausen, As. Wb. 26; Wad-
stein, Kl. as. Spr.denkm. 112. 182; Gallée, Vorstud. z.
e. andd. Wb. 93; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2,
1, 46. 94; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 2, 37; Verwijs-
Verdam, Mndl. wb. 2, 1159 f.; Franck, Et. wb. d. ndl.
taal² 181; Vries, Ndls. et. wb. 189; Et. wb. Ndl. F-Ka
207; Fryske wb. 7, 154 f.; Doornkaat Koolman, Wb. d.
ostfries. Spr. 1, 601; Dijkstra, Friesch Wb. 1, 446;
Holthausen, Ae. et. Wb. 124; Bosworth-Toller, AS
Dict. 363; Suppl. 283 f.; ME Dict. s. v.; OED² s. v.;
Vries, Anord. et. Wb.² 162; Bjorvand, Våre ar-
veord 291 f.; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 285; Fritzner,
Ordb. o. d. g. norske sprog 1, 573 f.; Holthausen, Vgl.
Wb. d. Awestnord. 82; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb.
313; Nielsen, Dansk et. ordb. 153; Ordb. o. d. danske
sprog 6, 734 f.; Torp, Nynorsk et. ordb. 151 f.; Hell-
quist, Svensk et. ordb.³ 278; Svenska akad. ordb. s. v.;
Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 186; Lehmann, Gothic Et.
Dict. G-27. — W. Morgenroth, in: LPosn 11 (1966),
167; W. P. Lehmann, ZMF 35 (1968), 21; A. Ramat,
Paideia 29 (1974), 150. 160; Chr. Peeters, ZVSp 91
(1977), 167; F. de Tollenaere, ZVSp 96 (1982/83),
141 ff.; R. Solari, AION-G 28/29 (1985/86 [1988]), 615;
Bammesberger 1990: 195; Griepentrog 1995: 201 ff.;
Casaretto 2004: 40.
Das urgerm. Wurzelnomen *ai̯t- < vorur-
germ. *ghai̯d- hat lediglich einen Verwand-
ten in lat. haedus ‚Böckchen, Ziegenbock‘
(bauernspr. [h]ēdus, umgangsspr. aedus;
einmal inschr. belegtes aedua ist ein sekun-
däres Femininum; lat. haedus ist im Roman.
fortgesetzt in rumän. ied, sard. edu), sabin.
fēdus (vgl. Varro, ling. lat. 5,19: hircus in-
quit quod Sabini fircus et quod illic fedus in
Latio rure hedus quod in urbe ... haedus
‚hircus heißt es, was die Sabiner fircus, und
was dort fedus, heißt in Latium auf dem
Lande hedus, in der Stadt haedus‘). Auch für
das Umbr. kann das Wort vorausgesetzt
werden, da das h- in umbr. habina ‚Opfer-
tier, Lamm‘ (< *agu̯īnā) wohl auf Einfluß der
umbr. Entsprechung von lat. haedus beruht
(vgl. Untermann, Wb. d. Osk.-Umbr. 314).
Die it. Formen führen auf urit. *ghai̯d-ó- zu-
rück, eine Thematisierung des Wurzelno-
mens (eine Vddhi-Ableitung zum Wurzel-
nomen ist wegen des fehlenden Ablautunter-
schieds weniger wahrscheinlich; vgl. Grie-
pentrog 1995: 206 f.).
Die weitere Etymologie ist nicht geklärt (zu
der teilweise vorgeschlagenen Verbindung
mit ahd. ziga ‚Ziege‘ s. d.), da eindeutige
Verbalbildungen fehlen. Zum einen könnte
man *ghai̯d- auf uridg. *ĝh/gheh₂-i-d- zurück-
führen, wobei in *-d- ein Tiernamen bilden-
des Suffix vorliegt (vgl. ahd. elbiz ‚Schwan‘
[s. d.], hiruz ‚Hirsch‘ [s. d.]; Krahe-Meid
1969: 3, § 132, 1). Jedoch fände eine Ver-
balwurzel uridg. *ĝh/gheh₂-i̯- keinen An-
schluß in den idg. Einzelsprachen (die Ver-
balwz. uridg. *ĝheh₂-i̯- ‚bedürfen, mangeln‘
[vgl. denominales gr. χατέω ‚ermangle‘; zum
Ansatz der Wurzel vgl. Neri 2003: 181]
kommt aus semantischen Gründen nicht in
Betracht). Formal möglich ist dagegen die
Verbindung mit lit. žáisti ‚spielen‘ (< vorur-
balt. *ĝhai̯d-i̯é/ó- oder *ĝheh₂id-i̯é/ó-; vgl. lit.
žaĩslas ‚Spielzeug‘ < *ĝhai̯d-tlo- oder
*ĝheh₂id-tlo-). Die lit. Bedeutung ‚spielen‘
muß dabei, wie das von lat. haedus abgelei-
tete Verb mlat. haedulare ‚spielen‘ zeigt,
nicht unbedingt auf eine ältere Bedeutung
‚springen, hüpfen‘ zurückgehen (so Grie-
pentrog 1995: 209: *ĝhai̯d- somit ‚Springe-
rin‘), sondern kann auch alt sein.
Jedoch ist nicht völlig auszuschließen, daß es
sich bei vorurgerm., vorurit. *ĝhai̯d- um ein
Substratwort handelt.
Aisl. geitungr ‚Wespe‘ vermag zur Semantik von
vorurgerm., vorurit. *ĝhai̯d- nichts beizutragen (an-
ders Casaretto 2004: 40), da das Wort erst seit dem
12. Jh. belegt ist und die Bedeutung ‚Wespe‘ assoziativ
durch die Ähnlichkeit der Wespenfühler mit den Zie-
genhörnern zustande gekommen ist (vgl. Griepentrog
1995: 202 f.).
Walde-Pokorny 1, 527 f.; Pokorny 409 f.; Walde-
Hofmann, Lat. et. Wb. 1, 632; Ernout-Meillet, Dict.
ét. lat.⁴ 288; Thes. ling. lat. 6, 3, 2488 ff.; Du Cange²
3, 610; Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 4446; Meyer-
Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 2974; Fraenkel, Lit. et. Wb.
1285 f.; Kurschat 1968 ff.: 4, 2726 f. — Krahe 1954: 76;
Schrijver 1991: 269.